Nach 37 Jahren ist Schluss: Maintals Revierförster Heiner Koch geht in den Ruhestand

Knapp 25 Grad zeigt das Thermometer am Mittwochmorgen. Aus Sicht eines Försters nicht unbedingt ein Grund zur Freude. Wenn etwas den Wäldern in den vergangenen Jahren am schlimmsten zugesetzt hat, sind es Hitze und Trockenheit. Heiner Koch freut sich trotzdem. „Ich bin einfach der Typ Palmenstrand. Ich liebe den Sommer“, sagt er und lacht.
Maintal – 37 Jahre war Heiner Koch als Revierförster für den Maintaler Stadtwald sowie vier weitere Kommunalwälder im Main-Kinzig-Kreis zuständig. Jetzt hat sich der 65-Jährige in den Ruhestand verabschiedet. „Ich bin sehr dankbar für alles, was ich machen durfte. Es war mein absoluter Traumjob“, sagt Koch.
Die Liebe zur Natur entdeckt er schon als Kind. Die Familie wohnt in Waldnähe, „das prägt“, sagt der gebürtige Dortmunder. Nach dem Studium der Forstwirtschaft in Göttingen und einem anderthalbjährigen Vorbereitungsjahr kommt er 1985 zum Forstamt Nidderau, wo er zunächst für den Naturschutz zuständig ist. Ein Jahr später übernimmt Koch das Revier Maintal, später kommen Schöneck, Niederdorfelden, Bruchköbel und Neuberg hinzu. „Am Schluss war ich quasi Waldmanager für fünf kommunale Waldbesitzer“, sagt er.
Auch sonst habe sich sein Beruf über die Jahre stark verändert. Noch heute erinnert er sich an die Zeiten ohne Smartphone und Computer. Im Wald muss er sich mit Karten zurechtfinden, Anweisungen für die Kollegen tippt er mit der Schreibmaschine, Telefonate werden mittags und abends vom Festnetztelefon geführt. Mit den Jahren wird nicht nur die Kommunikation anspruchsvoller, auch Vorschriften und Bürokratie nehmen zu. 50 bis 60 Prozent seiner Arbeitszeit habe er zuletzt am Schreibtisch verbracht, erzählt Koch. Mit dem romantischen Bild des Försters, der stundenlang mit Dackel und Gewehr durch den Wald streift, habe die Realität wenig gemeinsam. „Meine Mutter hat immer "Forsthaus Falkenau" geguckt. Ich habe immer gesagt, ‘Mama, da stimmt nix’“, erinnert er sich und lacht.
Die Freude am Job verliert Koch trotzdem nie. Bis heute ist er fasziniert davon, wie der Wald sich verändert. „Den Maintaler Stadtwald kenne ich seit 37 Jahren. Trotzdem entdecke immer etwas Neues. An so einem Prozess teilhaben zu dürfen, ist schön.“
Jedes Revier habe seine Besonderheiten. Etwa Schöneck mit seinen riesigen Buchen. „Wie Kathedralen“, schwärmt Koch. Trotzdem, ein Landrevier sei nichts für ihn gewesen, sagt Koch. Er liebt den Austausch mit den Menschen, auch wenn er mit ihnen nicht immer einer Meinung ist. Gerade im urbanen Raum gehe es immer wieder um die Frage, wie der Wald genutzt werden darf. „Hier in Maintal ist der Wald vorrangig Erholungsraum. Die Menschen wollen joggen, mit dem Hund spazieren, mountainbiken“, sagt Koch.
Auf der anderen Seite habe der Wald aber eben auch eine Nutzfunktion. Er liefert den nachwachsenden Rohstoff und Energieträger Holz, Grundlage für die Einkommen der Waldbesitzer, ist Rohstoffbasis für die heimische Holz- und Papierwirtschaft. Auch dass der Wald eine Vielzahl von Funktionen hat, die dem Schutz von Mensch und Umwelt dienen, indem er beispielsweise Sauerstoff spendet und zum Artenschutz beiträgt, vergessen viele Menschen, so Koch. „An dieses schöne Fleckchen gibt es tausend Erwartungen. Das bringt Konflikte mit sich.“
Es sei immer sein Ziel gewesen, die ökologische, ökonomische und soziale Funktion des Waldes in Einklang zu bringen. Deshalb gibt er unzählige Waldführungen, versucht aufzuklären, die Menschen mitzunehmen, und schlichtet, wo es nötig ist. Etwa wenn sich Spaziergänger nach dem Holzeinschlag über vermeintlich unpassierbare Wege beschweren. „Der Ton hat sich verändert. Der Respekt lässt leider oft zu wünschen übrig.“
Auf Konfrontationen lässt sich Koch ohnehin nicht ein. Das lehrt ihn eine Begegnung vor ein paar Jahren. Damals kommt Koch von der Jagd, als er an einer Schutzhütte vorbeikommt, an der eine Feier im Gange ist. Ein Feuer brennt, dabei ist es Hochsommer, der Wald trocken. Koch geht in die Hütte, macht eine Ansage. Erst dann bemerkt er, dass er in das Treffen einer Rocker-Gruppe geplatzt ist – und sein Gewehr noch über der Schulter hängt. Wie im Western hebt er die Hände langsam nach oben, entlädt sein Gewehr. Dann bildeten die Rocker ein Spalier und lassen ihn gehen. „Heute rufe ich direkt die Polizei“, sagt er.
Anfang 1990 fegen die Orkane Vivian und Wiebke über Europa hinweg. „Die Stürme haben die Hälfte des Reviers flachgelegt“, erzählt er. Im August 2010 schlägt ein Tornado eine ein Kilometer breite Schneise in den Wald. Schlimmer wiegen die Schäden, die durch den Klimawandel verursacht werden. „Wir haben massive Waldschäden“, sagt Heiner Koch und zeigt auf eine etwa 160 Jahre alte Eiche, die am Wegesrand steht. Der Stamm ist übersät mit schwarzen Flecken, Anzeichen für die Komplexkrankheit. „Der Baum macht es noch drei bis vier Jahre, dann ist er tot“, sagt Koch.
Der Wald in Bischofsheim ist am schlimmsten betroffen. Die sandigen Böden halten das Wasser nicht, ohnehin gibt es seit Jahren viel zu wenig Niederschlag. Die Fichten in seinem Revier seien längst verloren, sagt Koch, von den Laubbäumen sei die Buche am massivsten geschädigt. Einen klimastabilen Mischwald zu entwickeln, sei immer sein Ziel gewesen. Nun sei er froh, dass diese Aufgabe sein Nachfolger übernimmt. „Ich weiß, wie der Wald früher ausgesehen hat. Das macht es mir manchmal schwer, man sieht nur noch die Schäden. Ein neuer Förster geht da vielleicht pragmatischer ran.“
Der Neue ist mit Marko Richter bereits gefunden. Heiner Koch steht ihm noch ein paar Monate für Rückfragen zur Verfügung. Ansonsten heißt es packen: Das Forsthaus in der Kennedystraße muss leer geräumt werden. Ein neues Zuhause haben Heiner Koch und seine Frau noch nicht. Erst mal geht es auf Weltreise, Verwandte besuchen, die über die Erdkugel verstreut wohnen.
Dass er zurück nach Maintal kommt, stehe außer Frage, sagt Heiner Koch. Der Maintaler Wald sei immer sein Lieblingswald geblieben. „Jetzt darf ich das ja sagen.“
Von Kristina Bräutigam