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Neustart für Prozess um „Mord ohne Leiche“

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An der Bruno-Dreßler-Straße in Bischofsheim wurde der Porsche Cayenne des verschwundenen Alojzij Z gefunden. Die Leiche des 79-jährigen Frankfurters konnte bis heute nicht aufgespürt werden. Archiv
An der Bruno-Dreßler-Straße in Bischofsheim wurde der Porsche Cayenne des verschwundenen Alojzij Z gefunden. Die Leiche des 79-jährigen Frankfurters konnte bis heute nicht aufgespürt werden. Archiv © Thorsten Becker

Die Schwurgerichtskammer am Landgericht Hanau hat am Dienstag erneut das Verfahren gegen einen 60 Jahre alten Mann aus Büdingen eröffnet. Ralf H. wird vorgeworfen, den Vermieter seiner Auto- und Lastwagenwerkstatt in Hammersbach ermordet zu haben. Außerdem muss sich H. wegen unerlaubten Besitzes von Waffen und Munition verantworten.

Maintal/Hammersbach - Der damals 79-jährige Alojzij Z. ist seit dem 21. Januar 2021 spurlos verschwunden. Sein Auto wurde auf dem Parkplatz eines Maintaler Bahnhalts entdeckt. Die Ermittlungsbehörden sehen jedoch Indizien, dass Z. ermordet worden ist, und zwar im Werkstattgebäude. Als Motiv werden hohe Mietrückstände gesehen.

Der Prozess musste neu aufgerollt werden, weil einer der beiden Schöffen im Dezember dauerhaft erkrankte. Die Verteidiger von H. stellten nun einen Befangenheitsantrag, weil nach ihrer Auffassung schon in der ersten Verhandlung der Beschleunigungsgrundsatz nicht erfüllt worden sei. Auch diesmal sind mehr als 30 Verhandlungstage angesetzt worden – bis Mitte August.

Verteidiger fordern zügigen Prozess

Der sich lang hinziehende erste Prozessverlauf habe zu einer „unnötigen Einschränkung“ der Persönlichkeit des Mandaten geführt, so einer der Verteidiger. Es habe bis zum Abbruch 32 Hauptverhandlungstage über 55 Wochen gegeben, die nicht selten nach wenigen Stunden beendet worden seien. Hinzu kam nicht nur eine Covid-19-Erkrankung, sondern auch der Ausfall eines Schöffen. Nachdem Anfang Februar feststand, dass der Laienrichter auf unbestimmte Zeit erkrankt sei, wurde der Prozess schließlich abgebrochen.

Laut Verteidigung hätte das Gericht bei einem so lang terminierten Verfahren einen Ergänzungsschöffen hinzunehmen müssen. H. habe immerhin in dieser Zeit in U-Haft gesessen, ganze 24 Monate. Dass H. nunmehr zur Wiederaufnahme auf freiem Fuß sei, habe er seiner Haftbeschwerde zu verdanken. Der Anwalt erklärte, bei einem zügigen Verhandlungsablauf wären H. 16 Monate U-Haft erspart geblieben. H.s Verteidiger sprach daher von einem „eklatanten Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz“.

Ablehnungskammer entscheidet über Befangenheit

Hierbei stützte sich der Anwalt auf einen Spruch des Bundesverfassungsgerichts, das in einem anderen Prozess die Beschwerde des Klägers wegen zu langer Verfahrensdauer annahm. Über den Befangenheitsantrag gegen das Hanauer Gericht muss nun binnen zwei Wochen die Ablehnungskammer entscheiden. Sollte diese dem Antrag der Verteidigung folgen, wird es einen dritten Neustart geben, sagte der Vorsitzende Richter Niels Höra in einer Sitzungspause.

Unabhängig vom Kammerspruch eröffnete Höra das Verfahren gegen H. – mit einem dritten Schöffen. Der Beschuldigte, der über die Sitzungszeit offenbar das Geschehen in einem Heft fleißig protokollierte, soll Z. am 21. Januar 2021 in einen „für Kunden uneinsehbaren Stromverteilungsraum gelockt“ haben und ihn auf eine noch nicht bekannte Weise getötet haben. In dem Raum fanden Kriminaltechniker Blutspuren auf einem Holzbrett. Es soll Blut von Z. sein.

Blutspuren belasten Angeklagten

Der Angeklagte soll die Leiche an einen unbekannten Ort gebracht haben. H. soll dann Z.s Auto, einen dunklen Porsche Cayenne, nach Maintal gefahren haben. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, H. habe sich mit dem heimtückischen Mord seiner Mietschulden bei Z. für die Werkstatt im Ortsteil Langen-Bergheim entledigen wollen, um die es auch Rechtsstreitigkeiten gegeben haben soll.

Einer der ersten Zeugen beim Auftakt war ein 35-jähriger Mann, der im Betrieb seit 2019 eine Ausbildung absolvierte. Z. habe H. gelegentlich in der Werkstatt aufgesucht. Über die Gründe und den Verlauf habe er nichts mitbekommen. Der vermeintliche Tatort sei wohl immer abgeschlossen gewesen, so der Zeuge. Dort seien lediglich Gartenwerkzeuge gelagert worden. Am Tattag war der Zeuge wegen starker Kopfschmerzen nicht zur Arbeit gegangen. Er informierte H. per Telefon, der kurz darauf den Lehrling zu Hause aufsuchte und ihm mit Rausschmiss drohte, wenn er nicht „in 20 Minuten bei der Arbeit ist“. Das Gespräch habe gut eine halbe Stunde gedauert. H. sei danach „beleidigt abgezogen“, so der Zeuge. Z.s Verschwinden nach dem 21. Januar sei im Betrieb kein Thema gewesen. H. habe sich normal verhalten, so der Zeuge. Aufgefallen war dem 35-Jährigen jedoch, dass es in dem Kofferraum eines Kundenautos, an dem er Blecharbeiten vornehmen sollte, „ganz ungewöhnlich“ gestunken habe, nach einem starken Putzmittel oder Ammoniak. Der Prozess wird fortgesetzt.

Von Detlef Sundermann

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