Planung zu Mehrgenerationen-Wohnprojekt mit Dörnigheimer Juz nimmt erste Formen an

Maintal – „Meinste, des funktioniert?“ Die im humorvoll-lockeren Zwiegespräch zwischen Renate Rölle und Ludwig Weiler gestellte Frage brennt sicher vielen auf den Lippen, die am Montagabend zur Infoveranstaltung an das Jugendzentrum (Juz) der Evangelischen Kirchengemeinde Dörnigheim an die Hermann-Löns-Straße gekommen waren.
Eingeladen hatten das Stadtleitbild-Projekt Mehrgenerationen-Wohnen, die Kirchengemeinde, die Maintal Immobilien Gesellschaft (MIG) und die Stadt als Partnerkommune des Großen Frankfurter Bogens – einer Landesinitiative, die im Rhein-Main-Gebiet mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen möchte. Konkreter Hintergrund der Veranstaltung waren die Planungen dieser vier Partner, die am jetzigen Standort des Juz ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt umsetzen wollen. Die Frage dabei ist: Kann das funktionieren, dass mehrere Generationen in einer Hausgemeinschaft – in separaten Wohnungen und gemeinschaftlich genutzten Räumen – wohnen und sich gegenseitig unterstützen?
Ludwig Weiler beantwortet diese Frage für sich schon seit langer Zeit mit einem klaren Ja. Er ist einer der Initiatoren des Stadtleitbild-Projekts, das sich seit dem Jahr 2010 für das Thema „Mehrgenerationen-Wohnen“ in Maintal stark macht. Er hat auch 2012 den Verein Patchwork Maintal gegründet. „Ich will selbstbestimmt leben, in Gemeinschaft, bis ins hohe Alter“, benennt der Maintaler seine Motivation, schon seit zwölf Jahren für das Konzept des altersübergreifenden Miteinanders unter einem Dach in seiner Heimatstadt zu kämpfen.
Seine Freude darüber, dass die Planungen jetzt an diesem Ort konkret werden könnten, ist entsprechend groß. Zeitweise sah es um das Thema „Mehrgenerationen-Wohnen in Maintal“ nämlich gar nicht rosig aus. 2015 hatte die Stadtleitbild-Gruppe ihre Arbeit sogar ausgesetzt. 2017 wurde das Projekt wieder aufgenommen, mit der Hoffnung, ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt Am Weides in Hochstadt umsetzen zu können. Doch daraus wurde damals nichts, weil das städtische Grundstück gemäß eines Stadtverordnetenbeschlusses Bestandteil des Masterplans für den Bau von Flüchtlingsunterkünften geworden war.
„Der lange Atem hat sich gelohnt. Wir sind der Umsetzung so nah wie nie“, sagte Bürgermeisterin Monika Böttcher (parteilos) bei der Infoveranstaltung. Tatsächlich befinden sich die Planungen aber noch in einem frühen Stadium. „Knackpunkt war bislang, dass wir kein passendes Grundstück gefunden haben“, erklärte Böttcher bei der Präsentation vor zahlreichen Nachbarn und Interessierten. Doch dieses Problem sei gelöst, seitdem die Stadt den Teil des Grundstücks an der Hermann-Löns-Straße gekauft habe, der bislang der Kirchengemeinde gehörte.
„Dadurch sind wir jetzt einen wesentlichen Schritt weiter“, sagte Böttcher. Jetzt gehe es darum, alle Raumbedarfe in eine erste Planung zu gießen. Wichtig aus Sicht der MIG sei dabei auch, dass zusätzlich zum Mehrgenerationen-Wohnprojekt weitere Mietwohnungen entstünden. „Das Projekt muss sich ja auch rechnen“, so Böttcher. Sie geht davon aus, dass bis Ende des Jahres erste Planungen vorliegen. „Erst dann wissen wir, ob das Projekt realisierbar ist.“
Wenn es klappt, wird das Mehrgenerationen-Wohnprojekt in der Tat etwas Außergewöhnliches. Auf dem Areal sollen nämlich nicht nur rund 20 Wohnungen für die generationenübergreifende Hausgemeinschaft und weitere Mietwohnungen zur Verfügung stehen. Integriert werden soll auch das Juz der Kirchengemeinde – allerdings kleiner als bisher. „Die Kombination Mehrgenerationen-Wohnen mit einem Jugendzentrum – das ist meines Wissens etwas Einmaliges“, ist Böttcher überzeugt. „Wir betreten damit Neuland.“ Das Juz profitiert von dem geplanten Konglomerat.
Denn das mittlerweile 50 Jahre alte Zentrum spielt für Kinder und Jugendliche in der Waldsiedlung eine zentrale Rolle. „Uns fehlt allerdings das Geld, das in die Jahre gekommene Gebäude instand zu halten und die Kinder- und Jugendarbeit hier fortzusetzen“, berichtete Pfarrer Eckhard Sckell.
Tatsächlich bietet Mehrgenerationen-Wohnen jungen und alten Menschen viele Vorteile – erst recht, wenn sie vor Ort keine eigene Familie haben. Vielen fehlen nämlich die eigenen Kinder oder Enkel, die sich im Alter kümmern, bei Einkäufen, Arztbesuchen und Behördengängen helfen. Und junge Familien stehen immer öfter vor der Herausforderung, Arbeit und Kinderbetreuung ohne die Unterstützung von Großeltern schultern zu müssen.
Beiden Zielgruppen kann das Mehrgenerationen-Wohnen helfen, indem man sich gegenseitig unterstützt, obwohl man nicht verwandt ist. Dafür gibt es, anders als in Mehrfamilienhäusern sonst üblich, Räume, die von der ganzen Gemeinschaft genutzt werden können, in denen man gemeinsam kocht, isst, redet, sich kennenlernt, voneinander lernt, Regeln für das Zusammenleben aushandelt. Dadurch können nicht nur ältere Menschen, die sonst in ein Seniorenheim umziehen müssten, in den eigenen vier Wänden bleiben. Auch behinderte Menschen können in eine solche Hausgemeinschaft integriert werden.
„Jeder bringt sich nach seinen Möglichkeiten ein“, erklärt Ludwig Weiler und beantwortet damit auf Renate Rölles Frage, ob er meint, dass das funktionieren könne. Vor der Stadtleitbild-Gruppe, die größtenteils älteren Semesters ist, liegt daher jetzt die Aufgabe, jüngere Menschen von ihrer Idee zu überzeugen, damit letzten Endes wirklich mehrere Generationen unter einem Dach leben wollen.
Von Bettina Merkelbach