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Prozess um Mord ohne Leiche: Anwalt berichtet von ständigem Streit zwischen Angeklagtem und Opfer

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Von: Michael Bellack

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Gleich mehrfach wollte Vermieter Alojzij Z. das Werkstattgelände räumen lassen – er tat es aber nie. Das Verhältnis zu seinem Mieter Ralf H. wurde von Jahr zu Jahr schlechter. Archiv
Gleich mehrfach wollte Vermieter Alojzij Z. das Werkstattgelände räumen lassen – er tat es aber nie. Das Verhältnis zu seinem Mieter Ralf H. wurde von Jahr zu Jahr schlechter. Archiv © MIke Bender

Als Alojzij Z. im Januar 2011 das Werkstattgrundstück in Langen-Bergheim kauft, dürfte er kaum geahnt haben, wie viel Ärger er in den kommenden Jahren damit haben wird. Und auch nicht, dass das Gelände einmal der letzte bekannte Aufenthaltsort von ihm sein wird. Zehn Jahre nach Unterzeichnung des Kaufvertrags verschwindet Alojzij Z. spurlos. Heute sitzt sein Mieter auf der Anklagebank vor dem Landgericht in Hanau – er soll nach Auffassung der Staatsanwaltschaft den Geschäftsmann getötet und seine Leiche beiseitegeschafft haben.

Maintal/Hammersbach/Hanau – Am Mittwoch nimmt Anwalt Michael Fürst auf dem Zeugenstuhl Platz. Für ihn durchaus ungewohnt, schließlich verfolgt er den Prozess als Nebenkläger und Vertreter von Alojzij Z.’s Frau bereits seit Beginn in einer anderen Rolle. Nun sagt er als Zeuge aus und soll Aufschluss darüber geben, wie genau das Mietverhältnis zwischen den Eheleuten Z. und dem Angeklagten H. ausgesehen hat.

Wie Fürst berichtet, habe Z. das Grundstück 2011 erworben, H. war da bereits mit seiner Autowerkstatt Mieter. Zu diesem Zeitpunkt wussten Alojzij Z. und seine Frau nicht, dass H. bereits bei den vorherigen Eigentümern Mietrückstände hatte. Dass es H. mit den Mietzahlungen anschließend wohl nicht so genau nahm, verdeutlichen die Zahlen, die Fürst auf den Tisch legt: Allein in den ersten beiden Jahren bleibt H. rund 70 000 Euro Miete schuldig.

Für Alojzij Z. eine schwierige Situation. „An sich hatten beide ein gutes Verhältnis am Anfang“, berichtet Fürst, der auch privat eine Freundschaft zu den Eheleuten Z. pflegt.

Alojzij Z. sei froh gewesen, ein Grundstück zu haben, auf dem er seiner Leidenschaft für Motoren und Oldtimer nachgehen konnte. Und das mit Ralf H. auch ein Fachmann vor Ort war. Auch als die Mietzahlungen ausbleiben, sei das Verhältnis noch nicht sofort schlechter geworden. „Das Objekt hat Herrn Z. Spaß gemacht, H. war ihm nicht unsympathisch“, berichtet Fürst. Auch seien die Eheleute Z. nicht zwingend auf die Mieteinnahmen angewiesen gewesen.

Doch irgendwann reicht es den Eheleuten. Nach zwei Jahren hat H. bereits Gesamtschulden in Höhe von über 100 000 Euro bei dem Ehepaar. Es folgen Mahnungen, Kündigungen, Räumungsklagen. Doch diese werden nicht vollzogen. Denn Z. lässt sich mit seinem Mieter auf Vergleiche ein, verzichtet auf einen großen Anteil der Schulden. Und das, obwohl mittlerweile nicht mehr nur das Geld das Verhältnis von Mieter und Vermieter belastet. Entgegen der Absprachen soll H. immer wieder die Halle von Z. genutzt haben, in der er an seinen hochwertigen Oldtimern schraubt. Zudem verschwinden auf mysteriöse Weise gleich mehrere teure Motoren – Alojzij Z. hat seinen Mieter in Verdacht. „Herr Z. hat immer versucht, einen Kompromiss einzugehen. Wäre Herr H. darauf eingegangen, würde er immer noch dort sein. Und Herr Z. würde noch leben“, sagt Fürst.

Das Verhältnis verbessert sich nur geringfügig. Denn in den Folgejahren zahlt H. die Miete vollständig, die vereinbarte Rückgabe der Motoren erfolgt allerdings nicht. Auch eine daher anfallende Ausgleichszahlung wird von H. nicht gezahlt. Es kommt immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien. 2018 wird ein Räumungsauftrag erteilt. Umgesetzt wird er allerdings nicht – Alojzij Z. sind die Kosten zu hoch.

2020 folgt die nächste Räumungsklage mit außerordentlicher Kündigung. Ein Vergleichsvorschlag das Oberlandesgerichts wird von H. nicht angenommen. Stattgegeben wird dem Räumungsantrag am 31. März 2021 – zu diesem Zeitpunkt ist Alojzij Z. bereits seit mehr als zwei Monaten verschwunden.

Warum der Vermieter immer wieder zu Kompromissen bereit war, auf Geld verzichtet und das Mietverhältnis trotz zahlreicher gerichtlicher Auseinandersetzungen mit H. nicht beendet hat, kann auch Zeuge Fürst nicht beantworten. „Er hat an das Gute im Menschen geglaubt und gedacht, man kriegt das hin“, vermutet er.

Die Verteidigung zieht derweil ebenfalls ihre Erkenntnisse aus den Aussagen des Anwalts. Das mögliche Tatmotiv von H., aufgrund einer Zwangsvollstreckung seine Werkstatt zu verlieren und daher seinen Vermieter umzubringen, sieht Verteidiger Johannes Hock entkräftet. „Musste Herr H. damit rechnen, dass Herr Z. durchzieht und vollstreckt? Dafür spricht überhaupt nichts“, erklärt Hock.

Von Michael Bellack

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