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Prozess um Mord ohne Leiche: Zeuge berichtet von Freundschaftsdienst mit Folgen

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Von: Michael Bellack

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Mit einem solchen Militärlaster soll der Angeklagte die Leiche abtransportiert haben. Das mutmaßliche Tatfahrzeug soll er bei einem Freund untergestellt und gegen ein baugleiches Exemplar eingetauscht haben. Archiv
Mit einem solchen Militärlaster soll der Angeklagte die Leiche abtransportiert haben. Das mutmaßliche Tatfahrzeug soll er bei einem Freund untergestellt und gegen ein baugleiches Exemplar eingetauscht haben. Archiv © MIKE BENDER

Maintal/Hammersbach – Die Erleichterung im Gerichtssaal 215 des Landgerichts Hanau ist greifbar. Zumindest die des Zeugen. Nachdem er sich an zwei Tagen stundenlang den Fragen von Kammer, Staatsanwaltschaft und Verteidigung stellen musste, wird er von der Vorsitzenden Richterin Susanne Wetzel entlassen.

Diese klärt ihn zudem darüber auf, dass er nun als Zuschauer das weitere Verfahren beobachten dürfe. Doch das kam für M. nicht infrage. Er wollte einfach nur weg und mit dem Prozess und vor allem dem Angeklagten Ralf H. nichts mehr zu tun haben. Denn sein vermeintlicher Freund hätte M. durch sein Handeln ordentlich in Bedrängnis gebracht. Vor allem mit seinem Handeln am 31. Januar, zehn Tage nachdem H. seinen Vermieter Alojzij Z. (79) in einen Hinterhalt gelockt und heimtückisch getötet haben soll.

Da kam H. nämlich auf M. zu, um ein Militärfahrzeug zu tauschen. Dieses stand auf dem Gelände der Autowerkstatt von H. in Hammersbach. Getauscht werden sollte er gegen ein nahezu gleiches Fahrzeug, um daran dann später zu schrauben. Das zumindest dachte M. Doch der Angeklagte dürfte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eine ganz andere Motivation gehabt haben, das Militärfahrzeug von seinem Werkstattgelände zu der im Wetteraukreis stehenden Lagerhalle zu bringen. Denn bei dem getauschten Fahrzeug handelt es sich um das Gefährt, in dem Blutspuren von Aloijzi Z. gefunden wurden. Das Auto, mit dem H. laut Anklage die bis heute verschwundene Leiche weggeschafft haben soll.

Den Tausch der Fahrzeuge habe sich M. schon länger gewünscht, um sie endlich wieder in Schuss zu bringen. Dass es dann „sehr plötzlich“ dazu kam, habe ihn daher auch nicht gestört. Doch nun sehe er die Sache in einem anderen Licht. Ebenfalls nicht gestört habe ihn eine Woche zuvor die Bitte von H., Kisten in seiner Garage lagern zu dürfen. „Überfallartig“ habe H. vor der Tür gestanden, erzählt M. Er hilft ihm trotzdem.

Über den Inhalt der Kisten macht er sich keine wirklichen Gedanken. „Ich bin froh, nicht reingeguckt zu haben, sie nicht angefasst zu haben“, sagt M. heute auf dem Zeugenstuhl. Denn die Kisten, die M. in seiner ersten Vernehmung bei der Polizei aufgrund seiner Aufregung gar nicht erwähnt, wie er glaubhaft versichert, enthalten nicht die von ihm erwarteten Ersatzteile. Vielmehr stellten die Beamten darin unter anderem ein G3-Schnellfeuergewehr, eine Maschinenpistole und mehr als Tausend Schuss Munition sicher. Ein Waffenarsenal, dass laut Anklage H. gehört, für das er aber keine Genehmigung besitzt. Hinzu kommt ein Teppich, der in seiner Garage gefunden wird.

„Bei mir stellt so schnell keiner mehr was unter“, sagt M., dem wohl im Laufe der Verhandlung klar wird, dass H. ihn nicht nur finanziell ausgenutzt haben könnte. Eine Frage hat er dann doch noch an die Vorsitzende Richterin. Ob sie ihm sagen könne, ob mit seinem Auto nun jemand transportiert wurde – mutmaßlich die Leiche von Alojzij Z. „Das gilt es für uns herauszufinden“, antwortet Wetzel.

In dem Mordfall ohne Leiche sind noch einige Fragen offen. Die Beweislage besteht weiter nur aus Indizien. „An dem Puzzle, das wir zu basteln haben, ist noch kein Bild zu erkennen“, sagt Wetzel. Der Angeklagte schweigt zum Tatvorwurf. Weitere Zeugen stehen noch aus. Und schließlich wurde die Leiche nicht gefunden. Ein Grund, weshalb Staatsanwältin Lisa Pohlmann den Antrag der Verteidigung, den Angeklagten aus der U-Haft zu entlassen, als „zulässig, aber unbegründet“ bewertet. Schließlich bestehe Verdunklungsgefahr. H. könne den Leichnam – das wichtigste Beweismittel – endgültig verschwinden lassen. Zudem könne H. Kontakt zu Zeugen aufnehmen, diese beeinflussen, erklärt Pohlmann. Laut Wetzel habe H. bereits versucht, andere Menschen verdächtig zu machen. Über eine Aufhebung der U-Haft entscheidet nun die Kammer. Drei Wochen wird H. mindestens noch hinter Gittern bleiben – so lange dauert es bis zum nächsten Prozesstag.

Von Michael Bellack

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