Prozess um Mord ohne Leiche: Zeuge widerspricht Angaben des Angeklagten

Hammersbach/Maintal – Im Prozess um den Mord ohne Leiche scheint ein weiteres Rätsel vor der Lösung zu stehen. Denn bereits seit Mai „geistert“ ein in den Ermittlungsakten beschriebener mysteriöser „blauer Bus“ durch die Hauptverhandlung, in der sich der ehemalige Hammersbacher Werkstattbesitzer Ralf H. wegen des Verdachts des Mordes an seinem Vermieter Alojzij Z.
(79) verantworten muss. H. soll den Senior am 21. Januar 2021 getötet und dessen Leiche versteckt haben (wir berichteten).
Wer vor fünf Monaten den Zeugen B. gehört hat, ist bereits stutzig geworden. Der 38-jährige Automechaniker, der bei H. angestellt gewesen war, berichtet detailliert vom 21. Januar vergangenen Jahres – und einer seltsamen Fahrt, die er unternommen haben will. Weil ihm ein Ersatzteil gefehlt habe, sei er mit seinem Chef ins Büro.
Nach kurzer Recherche findet H. heraus, dass dieses Er-
satzteil vorrätig ist – bei einer Autoteilefirma an der Gutenbergstraße in Maintal-Bischofsheim. „Ich bin mit unserem Firmenwagen dort hin, wollte anschließend auch meine Schrauben abholen“, sagt B. aus.
Plötzlich habe ihn sein Chef angerufen. „Er hat mir gesagt, dass ich in Maintal auf ihn warten soll. Er wollte dort einen blauen Bus abstellen – ich sollte ihn dann abholen und mitnehmen.“ Nur: B. kann sich nicht erinnern, je einen blauen Bus repariert noch auf dem Werkstattgelände gesehen zu haben.
Am Montag sitzt nun ein 61-Jähriger auf dem Zeugenstuhl vor der Vorsitzenden Richterin Susanne Wetzel. „Wir haben einen blauen Bus als Firmenfahrzeug, ein Ford Transit“, sagt der Besitzer einer Metallfirma aus.
Der 61-Jährige ist sich jedoch sehr sicher: „Der blaue Bus war nicht zur Reparatur in Hammersbach. Wir hatten andere Werkstätten.“ Auch habe H. diesen Bus niemals gefahren.
Denn der Zeuge kennt H. „seit vielen Jahren“. Er hat aber keine guten Erinnerungen an ihn. „Er kam zu uns, weil er Metallstücke brauchte. Das war kein Problem.“ Aber es sei auch „um das Finanzielle“ gegangen. Klartext: H. soll nicht bezahlt haben. Und dann sei es noch um einen alten Audi A3 gegangen. „Er sagte mir, eine Reparatur mache keinen Sinn, das Auto sei nur noch zum Ausschlachten gut, um daraus Geld zu machen.“
„Und wie ging es dann mit dem A3 weiter?“, will die Vorsitzenden wissen. „Der A3 war dann weg, Geld habe ich aber keins bekommen.“ Auch Gitterboxen zum Zwischenlagern von Reifen habe sich H. ausgeliehen. „Ich habe sie nicht zurückbekommen.“
So habe es einen Schnitt gegeben, erst vor rund zwei Jahren sei H. wieder sporadisch aufgetaucht. Metallteile habe er dann aber nur gegen Bargeld bekommen.
Auch die Verteidigung hakt nach. Ob es nicht doch sein könnte, dass H. einmal eine klemmende Tür repariert habe. Der Maintaler Firmenbesitzer bleibt jedoch bei seiner Aussagen: „Am 21. Januar hat Herr H. unseren blauen Bus nicht gefahren.“ Ob damit das Rätsel um die ominöse Tour nach Maintal – dort wurde später der Porsche von Z. gefunden – gelöst ist, müssen nun die Juristen in diesem Indizienprozess einordnen und bewerten.
Von Thorsten Becker