Reinhard Schellmann veröffentlicht dritten Bildband über Hochstadt

Das Obertor in Hochstadt kennt jeder. Es ist historisches Wahrzeichen des Stadtteils und vielfach gewähltes Fotomotiv, das dem von Fachwerkhäusern geprägten Hochstädter Ortskern seinen charakteristischen Charme verleiht. Doch wer weiß heute noch, dass es auch ein Untertor gab? Oder welches das älteste Gebäude Maintals ist? Diesen Fragen ist Dr.
Maintal - Reinhard Schellmann in seinem neuen Bildband „Hochstadt in alten und neuen Bildern“ auf den Grund gegangen. Es ist das dritte Buch des pensionierten Mediziners, den viele Hochstädter von seiner Arztpraxis kennen. Schellman lebt seit 1974 in Maintal und sammelt seither historische Bilder und Gegenstände. Dabei ist im Lauf der Jahre eine große Sammlung zusammengekommen. Dazu forscht der Hobbyhistoriker in den Archiven der Region, macht Quellen, alte Stadt- und Baupläne ausfindig. Und auch mit der Kamera ist Schellmann häufig in seinem Stadtteil unterwegs und fängt die Plätze heute ein, von denen er historische Bilder besitzt. In seinem neuesten Buch stellt er daher oft zur Dokumentation des Wandels Vergangenheit und Gegenwart gegenüber.
Dabei hatte er ursprünglich gar nicht vor, auch nur ein einziges Buch zu veröffentlichen. „Ich bin kein großer Schreiber“, bekennt der Allgemeinmediziner, der sich mit 74 Jahren zur Ruhe gesetzt hat. Seinem Beruf verdankt er es, dass er viele Hochstädter kennt. 40 Jahre lang hat er als Arzt in Hochstadt praktiziert, bis er seine Praxis an seinen Sohn weitergab. Viele Patienten hatten ihn auf seine Bildersammlung angesprochen und ihm alte Fotos überlassen, die sie auf ihren Dachböden gefunden und entstaubt hatten.
Neuer Bildband zeigt Hochstadt im kleinsten Detail
Für seine Bildbände digitalisiert er die wertvollen Zeitzeugnisse mittels Scanner. Veröffentlicht hat er seine Bildbände im Selbstverlag. Das heißt, er hat selbst am PC zu Hause Bilder und Texte gesetzt und das gesamte Werk dann bei einer Druckerei in Frankfurt drucken lassen. Die Besonderheit des jetzt veröffentlichten dritten Teils: Er geht ins Detail. Die Ringmauer, die Kirche und das Alte Rathaus – diesen drei Kernthemen widmet sich der neue Bildband in akribischer Genauigkeit. Kleinste Details wie Zeichnungen an den Wänden und Inschriften im Innenraum der evangelischen Kirche zeigt Schellmann auf alten und neuen Bildern und beleuchtet in den kurzen Bildunterschriften Herkunft und Historie.
Die Seiten zur Ringmauer dokumentieren jeden einzelnen Mauerabschnitt – und belegen, das ist Schellmann wichtig, dass es zu früheren Zeiten entgegen der landläufigen Meinung einen Graben entlang der ehemaligen Stadtmauer gab. Zu den Besonderheiten seiner Sammlung zählen mehrere hundert Glasplatten, die ihm der ehemalige Ortsfotograf überlassen hat. „Einige davon wurden als Postkarten herausgegeben“, erklärt der Hobbyarchivar. Er hat jede einzelne eingescannt oder abfotografiert. „Zu den häufigsten Motiven zählen – bis heute – das Obertor und das Alte Rathaus, leider oft aus derselben Perspektive“, sagt Schellmann, der, wenn er selbst mit der Kamera unterwegs ist zumindest heute einige andere Blickwinkel einfängt.
Bildersammlung gegen das Vergessen
„Ich möchte, dass die Bilder nicht verloren gehen“, erklärt er seine Motivation und bedauert, dass die Kisten mit alten Bildern mit jeder Generation und jedem Todesfall schwinden. Es sind vor allem die Fotos, die einen Eindruck davon geben, wie die Menschen in Hochstadt früher gelebt haben, die ihn faszinieren.
Einige Glanzstücke seiner eigenen Sammlung hat er allerdings selbst beim Umbau seines Hauses ausgegraben: Fragmente einer gotischen Ofenkachel aus dem sechzehnten Jahrhundert, die das sechsspeichige Mainzer Rad und Vogelmotive zeigen. „Wir haben den Boden rausgemacht und sind plötzlich auf diese Fundstücke gestoßen“, berichtet Schellmann von der Restaurierung des alten Bauernhauses an der Ringmauer, in dem er mit seiner Frau Christel lebt.
Weitere Fundstücke willkommen
Ans Aufhören denkt Schellmann noch nicht. Auch wenn der bald 82-Jährige zugibt, dass sein Archiv ihm jede Menge Arbeit macht. Rund ein Jahr lang hat er an dem neuen Bildband gearbeitet. Trotzdem freut er sich nach wie vor über Leihgaben. Wer Schellmanns Archiv mit seinen Fundstücken bereichern will, kann sich an ihn wenden. „Viele wissen gar nicht, welche Schätze auf ihren Dachböden schlummern“, sagt Schellmann.
Und um die eingangs gestellten Fragen zu beantworten: Es gab tatsächlich im Westen ein Untertor, das durch die Hauptstraße mit dem Obertor verbunden war. Schellmann erklärt in seinem Bildband, dass es weniger zur Verteidigung und mehr zur Repräsentation diente und wie das daneben liegende Backhaus 1874 abgerissen wurde. Das älteste Bauwerk Maintals ist, wie Schellmann schreibt, die Hochstädter Kirche. Das auf der West- und Ostseite in der Kirchhofmauer erhaltene Fischgrätmuster sei Anhalt dafür, dass das Gebäude im 12. oder 13. Jahrhundert erbaut wurde. Wer die Bildbände anschauen möchte, kann sie in der Hochstädter Bücherei ausleihen.
Von Bettina Merkelbach