Selbstbewusstsein als Schlüssel: Maintalerin macht Kinder stark gegen Mobbing

Maintal – „Das ist doch gar nicht schlimm.“ Ein Satz, den wohl alle Eltern schon einmal zu ihren Kindern gesagt haben. Cecylia Nauroschat käme dieser Satz nicht über die Lippen. „Wenn ich als Erwachsener so etwas sage, ignoriere ich die Gefühle des Kindes. Und ich spreche ihm die Kompetenz ab, seine Gefühle benennen zu können.“
Kinder genau darin zu bestärken, ist für die 40-Jährige eine Herzensangelegenheit. Die Maintalerin, selbst Mutter von zwei Kindern, ist ausgebildeter Kinder- und Jugendcoach, Selbstbehauptungs- und Resilienztrainerin sowie Persönlichkeitstrainerin für Jugendliche. In Trainings an Schulen zeigt sie, wie Kinder ihre innere Stärke entwickeln und Konflikte, Stress und Gewalt vermeiden können.
Dass der Bedarf riesig ist, zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2019: 60 Prozent aller Kinder und Jugendlichen gaben an, in der Schule Mobbing oder sogar körperliche Gewalt erfahren zu haben, insgesamt ein Viertel fühlt sich an der Schule nicht sicher. Die Pandemie habe die Situation weiter verschärft, sagt die 40-Jährige. Viele Kinder seien nach zwei Jahren zwischen Homeschooling und Kontaktverboten mit Konflikten überfordert, Eltern und Lehrer selbst am Limit. „Umso wichtiger ist es, wenn jemand wie ich von außen dazukommt und Handlungsoptionen aufzeigt“, so Nauroschat.
„Stark auch ohne Muckis“ heißt das Programm, mit dem die Maintalerin die Schulen besucht. Das Ziel: Kinder für sich selbst und ihre Einzigartigkeit begeistern. Sie sollen lernen, wie sie respektvoller und achtsamer mit sich und anderen umgehen. Denn auch das zeigen Studien: Selbstbewusste Kinder und Jugendliche werden auch als Erwachsene seltener Opfer von Ausgrenzung oder Mobbing. Und sie selbst werden ebenfalls nicht dazu neigen, andere Menschen auszugrenzen und zu mobben.
Mindestens dreimal 90 Minuten dauert ein Training. Die Schüler lernen unter anderem, wie sie sich verhalten, wenn sie beleidigt oder festgehalten werden, ihnen jemand etwas wegnimmt oder Gewalt androht. Kindgerecht bespricht die 40-Jährige Strategien. So lernen die Kinder beispielsweise, dass sie bei einer Beleidigung ruhig bleiben, sich umdrehen und zu ihren Freunden gehen können. „Ich sage den Kindern: Es ist doch wie, wenn jemand pupst. Dann bleibe ich auch nicht stehen, sondern gehe. Eine Beleidigung ist wie ein Wort-Pups“, sagt Nauroschat. Die Schüler sollen verinnerlichen: Wichtig ist, was sie von sich selbst denken, ihr Selbstwert ist nicht abhängig von der Meinung anderer.

Um die eigene Intuition, das Bauchgefühl, geht es auch beim inneren Kompass. Nauroschat erzählt den Schülern die Geschichte ihrer Freundin Anna, die ihre Gefühle lange ignoriert – und unglücklich wird. Im Grunde ist es ihre eigene Geschichte. Schon als Kind habe sie sich nie genug gefühlt, sich ausschließlich über gute Noten und Leistung definiert. „Ich war süchtig nach Anerkennung“, sagt sie heute. Egal ob an der Schule, der Uni oder im Beruf, überall versucht sie, das Beste aus sich rauszuholen, will den Erwartungen gerecht werden. Das gelingt ihr. Bis Körper und Seele streiken. 2008, im Alter von 27 Jahren, hat Nauroschat sie ihr erstes Burn-out. „Ich hatte mein Studium zum Wirtschaftsingenieur in Rekordzeit abgeschlossen, mein Sohn war gerade anderthalb Jahre alt und ich habe einen neuen Job angetreten. Dann kam der Zusammenbruch.“ Sie beginnt eine Therapie, ist achtsamer. Doch 2019 folgt das zweite Burn-out. Es wird ein Weckruf. „Mir war klar, dass ich so nicht weitermachen möchte und kann. Und ich hatte diese Vision einer achtsamen und wertschätzenden Welt, in der man den Kindern und Jugendlichen auf Augenhöhe begegnet.“
Heute lebt die 40-Jährige mit ihren beiden eigenen und zwei Bonuskindern, die ihr Lebensgefährte mit in die Beziehung gebracht hat, in Dörnigheim. Weil sie weiß, welche Herausforderungen das Patchwork-Leben mit sich bringt, bietet Cecylia Nauroschat auch zu diesem Thema Kurse an. Die Eltern abzuholen, sei extrem wichtig. „Egal ob sie getrennt leben oder nicht, es sind die Eltern, die ihre Kinder stärken und ihnen einen sicheren Hafen bieten sollten.“
Ihren eigenen Kindern versuche sie zum Beispiel auch bei schlechten Noten zu vermitteln: Du bist nicht diese Note. Du bist nicht schlecht. Eine Botschaft, die für alle Lebensbereiche gelten sollte, sagt Nauroschat. „Wir müssen unseren Kindern sagen: Es geht darum, dass du in diesem Moment dein Bestes gibst. Aber niemand muss immer der Beste sein.“ In ihren Trainings lässt sie die Kinder deshalb ihr Schutzschild beschreiben. Dazu gehören Menschen, die sie lieben, und Dinge, die sie gut können. „Jedes Kind hat eine besondere Gabe. Herauszufinden, welche das ist, ist seine Lebensaufgabe. Aber wir können ihm dabei helfen.“
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Von Kristina Bräutigam