„Thai-Connection“: Staatsanwaltschaft sieht Tatbestand des Menschenhandels als erwiesen an

Langsam, aber sicher befindet sich das Mammutverfahren gegen die mutmaßlichen Köpfe der „Thai Connection“ auf der Zielgeraden. Nach Einlassungen der zwei letzten der insgesamt fünf Angeklagten hielt Staatsanwältin Kathrin Rudelt am gestrigen 41. Verhandlungstag ihr Plädoyer.
„Eines steht fest“, sagte Rudelt mit Blick auf die fünf Angeklagten, „jeder von Ihnen hat eine erhebliche kriminelle Energie an den Tag gelegt.“ Die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt sah es als bewiesen an, dass die fünf Angeklagten – mal mehr, mal weniger stark eingebunden – über Jahre hinweg bandenmäßigen Menschenhandel und Zwangsprostitution betrieben haben. Außerdem befand Rudelt die Gruppe der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe schuldig.
Sie forderte für Daeng B., den Kopf der „Thai Connection“, eine Freiheitsstrafe von neun Jahren und drei Monaten und für deren Ehemann Martin J. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Wie die Beweisaufnahme samt der zahlreichen Zeugenaussagen – unter anderem von Prostituierten und in den Fall involvierten Polizisten – gezeigt hätte, sei B. in der Hierarchie der Bande ganz oben gewesen.
Staatsanwältin fordert für fast alle Angeklagten lange Haftstrafen
Für die Schwestern Malai M. und Mali M., die gemeinsam ein Bordell in der Dörnigheimer Wilhelm-Röntgen-Straße betrieben und dort im Auftrag von Daeng B. Prostituierte unterdrückt und um ihr Geld gebracht haben sollen, fordert die Staatsanwältin jeweils drei Jahre und sechs Monate.
Die geringste Freiheitsstrafe forderte Rudelt für J. Lessig: Dafür, dass sie unter anderem als Kurierfahrerin und „Hausdame“ in einem Siegener Bordell gearbeitet haben soll, soll sie nach Ansicht von Rudelt zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt werden.
Opfer sollen psychisch unter Druck gesetzt worden sein
Die Taten, die den fünf Angeklagten während des Mammutprozesses zur Last gelegt werden, wiegen schwer. Sie sollen thailändische Frauen und Transsexuelle mit erschlichenen Visa nach Deutschland gebracht und bundesweit in Bordellen zur Prostitution gezwungen haben. Für die Einschleusung wurden von den Geschädigten jeweils mindestens 15 000 Euro verlangt, die sie abzuarbeiten hatten.
Zwar sei den Frauen und Transsexuellen keine körperliche Gewalt angetan worden, dafür wurden sie aber psychisch unter Druck gesetzt, so Rudelt am Dienstag in ihrem mehr als einstündigen Plädoyer. „Die Angeklagten haben die Geschädigten finanziell von sich abhängig gemacht und ausgenutzt, dass sie sich in einem fremden Land befinden.“
Prozess war wegen Corona zwei Monate ausgesetzt
Aufgrund der Corona-Pandemie war der Prozess rund zwei Monate ausgesetzt. Um für alle Prozessbeteiligten corona-sichere Bedingungen zu schaffen, wurde die Hauptverhandlung vor der 5. Großen Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Andreas Weiß am Dienstag nicht im Landgericht an der Nussallee, sondern im Brüder-Grimm-Saal des Congress Park Hanau (CPH) fortgesetzt. Denn während am Landgericht bereits einige Prozesse unter Infektionsschutz-Bedingungen problemlos laufen konnten, ist dies für das „Thai-Connection“-Verfahren nicht möglich.
Im Landgerichtsgebäude gibt es keinen Saal, in dem fünf Angeklagte, vier Dolmetscher, zehn Verteidiger, zwei Staatsanwälte, drei Nebenklägervertreter, das fünfköpfige Gericht sowie Wachtmeister und Protokollführer überhaupt gemeinsam – mit jeweiligem Mindestabstand von eineinhalb Metern – untergebracht werden können. Im CPH war das aber kein Problem: Der Sicherheitsabstand konnte eingehalten werden, unter anderem auch dadurch, dass Dolmetscher und Angeklagte per Funk miteinander verbunden waren.
Übrigens ist es nicht der erste Prozess, der ins CPH verlegt wurde: Von 2015 bis 2017 befand sich dort der Verhandlungssaal für das Verfahren gegen Zigarettenschmuggler, das insgesamt 155 Tage in Anspruch nahm.
Der nächste Verhandlungstag am Montag, 25. Mai, findet ebenfalls im CPH statt. Dann stehen die Plädoyers der Verteidiger auf dem Programm.
Der Fall
Juni 2016: Die Hanauer Kripo nimmt ein Bordell an der Wilhelm-Röntgen-Straße in Maintal unter die Lupe. Drei Prostituierte ohne gültige Papiere werden aufgegriffen. Die Ermittler sind auf ein bundesweit agierendes Netzwerk im illegalen Rotlichtmilieu gestoßen.
Februar 2017: Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt übernimmt den Fall.
18. April 2018: Bei einer bundesweiten Razzia werden 62 Bordelle, Wohnungen und Büros durchsucht und sieben Verdächtige festgenommen.
21. Mai 2019: Vor der 5. Großen Strafkammer am Landgericht Hanau beginnt der Prozess gegen die fünf mutmaßlichen Köpfe der Thai-Connection. Juni bis August: Ehemalige Prostituierte sagen aus.
August/September: Ermittler berichten über ihre Undercover-Einsätze.
September: Die mutmaßlichen Betreiberinnen des Bordells in Maintal sagen aus und belasten die Hauptangeklagte, Bundespolizisten berichten über die Telefonüberwachung.
Oktober: Ermittler der Hanauer Kripo berichten, wie der Fall ins Rollen kam.
November/Dezember: „Nicht offen ermittelnde Polizisten“ (Noeps) sagen aus, Details zur Razzia werden bekannt.
Januar/Februar 2020: Die Vorwürfe zu Steuer- und Abgabenhinterziehung werden unter die Lupe genommen.
März: Nach 40 Verhandlungstagen legt die Hauptangeklagte ein Geständnis ab.
12. Mai: Das Verfahren wird wieder aufgenommen; Einlassungen zwei weiterer Angeklagter und Plädoyer der Staatsanwaltschaft.
Der Prozess wird am Montag, 25. Mai, fortgesetzt. thb