„Tiere sind Familienmitglieder“: Olaf und Catharina Sander haben seit 25 Jahren eine Kleintierpraxis

Maintal – Die Bandbreite reicht von Hamstern und Mäusen über Adler, Nacktkatzen, Schildkröten, Kaninchen, Katzen, Hunde und sogar Tigerbabys: Olaf und Catharina Sander betreiben seit 25 Jahren ihre Kleintierpraxis in Maintal und hatten schon so ziemlich alles auf dem Behandlungstisch, was vier Beine, Fell oder Federn hat.
Im Studium haben sich die beiden kennengelernt, schnell war klar, dass eine gemeinsame Praxis das große Ziel ist. Seit 1997 praktizieren beide an der Wilhelmsbader Straße. „Der Standort ist immer gleich geblieben, aber ansonsten hat sich sehr viel geändert“, sagt Catharina Sander. Denn die Nachfrage nach Tierärzten ist beinahe kontinuierlich gestiegen – und tut es immer noch. Mittlerweile ist das Team auf zwölf Mitarbeiter angewachsen, neben den Sanders sind auch Esther Seyfried und Christiane Bartels als Tierärztinnen angestellt. Die Praxisräume wurden ebenfalls deutlich erweitert.
„Die Entwicklung über all die Jahre ist, dass Haustiere – unabhängig davon, welche – zu richtigen Familienmitgliedern geworden sind“, sagt Catharina Sander. Dementsprechend viel Wert legen die Besitzer auf die Gesundheit ihrer Lieblinge. „Aber auch der Anspruch der Kunden hat sich verändert. Als Kinder fanden wir es schon toll, wenn ein Tierarzt ein Röntgengerät hatte“, sagt sie.
Mittlerweile verfügt die Kleintierpraxis unter anderem über ein digitales Röntgengerät, ein Herzultraschallgerät und ein eigenes Labor, in dem Blut, Urin und Kot vor Ort untersucht werden können. „Die Diagnosen kommen schneller, das hilft vor allem, wenn Tiere an Fachärzte oder Kliniken überwiesen werden. Die können sich sofort darauf einstellen, was auf sie zukommt“, sagt Olaf Sander. So sind Tumoroperationen bei Wellensittichen mittels Laser und Beinbrüche bei Hamstern kein Problem mehr. „Die Erwartungshaltung bei kleinen Tieren ist genauso groß wie bei den großen“, sagt Sander.
Seine Passion für die Falknerei sorgt auch für eine Besonderheit in der Praxis. Nicht selten sind hier Adler, Habichte oder Falken anzutreffen, die untersucht werden. „Die bleiben aber im Auto, bis sie dran sind, und sitzen nicht mit ihrem Besitzer im Wartezimmer“, sagt er.
Allerlei außergewöhnliche Patienten sind dem Tierarzt-Ehepaar schon unter die Augen gekommen. Olaf Sander erinnert sich besonders an drei Tigerbabys, die in einem Zirkus in Erlensee zur Welt gebracht wurden. „Das lief am Wochenende über den Notdienst. Die Mutter hat die Welpen nicht angenommen, die haben wir dann drei Tage lang betreut“, erinnert sich Sander.
Ein ungewöhnliches Andenken steht auf einem Regal in der Praxis, in einem Glas mit Flüssigkeit. „Ein Blasenstein von einem Hund“, sagt Sander. Er ist faustgroß. Er wurde einem Hund nach dessen Tod entnommen, das Tier war an Nierenversagen gestorben. „Ich war fassungslos, dass es so große Blasensteine gibt – und dass der Hund keine anständige Behandlung bekommen hat“, sagt Sander. Der Besitzer hatte viel zu lange gewartet. „Das ist sehr frustrierend.“ Auf der anderen Seite gebe es aber auch Kunden, die ihre Tiere bei jeder Kleinigkeit zum Arzt bringen. „Das hält sich die Waage“, so die Erfahrung des Ehepaars, das in Bruchköbel wohnt und selbst zwei Hunde und zwei Falken besitzt.
Die Arbeitsbelastung hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen, die Corona-Pandemie beschleunigte die Entwicklung zudem. „Die Menschen waren zu Hause und haben bei ihren Tieren Dinge bemerkt, die sonst wohl nie aufgefallen wären“, so Catharina Sander. Und auch allgemein sei die Zahl der Haustiere stark gestiegen. Zum ersten Mal mussten die Sanders in ihrer Praxis einen Aufnahmestopp verhängen. Auch, weil die Zahl der Tierärzte und Tierarzthelfer kaum wächst. Auch hier gibt es einen Fachkräftemangel, der Sorgen bereitet. „Bei altersbedingten Schließungen gibt es selten Nachfolger“, sagen Sanders. Beide gehen auf die 60 zu, ähnlich wie ihre Arztkolleginnen. Sie machen sich Gedanken um die Zukunft. Um den Fortbestand der Praxis langfristig sichern zu können, sind sie der Tiermedizin-Gruppe Evidensia beigetreten. Diese fungiert als Eigentümer der Praxis, Olaf Sander „nur“ noch als Geschäftsführer. Mögliche Nachfolger müssen daher nicht die ganze Praxis kaufen, sondern werden als Geschäftsführer eingesetzt. Bis die Nachfolge-Gedanken konkret werden, ist aber noch Zeit.
Erst mal stand kürzlich anlässlich des Jubiläums ein verlängertes Wochenende mit dem gesamten Praxisteam im Sauerland auf dem Programm. „Das haben sich die Mädels verdient“, ist sich das Tierarzt-Ehepaar einmal mehr einig.
Von Michael Bellack