Trotz Erziehermangel: Maintal hält an Kopftuchverbot in städtischen Kitas fest

Die Stadt Maintal hat sich seit einigen Jahren den Ausbau der Kinderbetreuungskapazitäten auf die Fahne geschrieben. Allerorten werden Kitas aus- oder neu gebaut. Und auch die Qualität der Betreuung soll steigen. Beides hängt allerdings davon ab, wie viel qualifiziertes Fachpersonal die Stadt gewinnt. Dies gestaltet sich aufgrund des Erziehermangels schwierig.
Maintal - Dennoch hält die Stadt an einer Dienstanweisung aus dem Jahr 2018 fest, die Erzieherinnen das Tragen eines Kopftuchs untersagt und somit etwa muslimische Frauen, die ihre Haare mit einem Hidschab verschleiern, von der Arbeit in den städtischen Kindertagesstätten ausschließt.
Die Anweisung basiert auf Paragraf 45 des Hessischen Beamtengesetzes, der Beamte dazu auffordert, „sich im Dienst politisch, weltanschaulich und religiös neutral zu verhalten“. Dies bezieht sich insbesondere auf „Kleidungsstücke, Symbole oder andere Merkmale (…), die objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die Neutralität ihrer Amtsführung zu beeinträchtigen oder den politischen, religiösen oder weltanschaulichen Frieden zu gefährden“. Diese Neutralitätspflicht gilt in Maintal für alle Beschäftigten der Stadtverwaltung mit unmittelbarem Kundenkontakt.
Nachbarstadt Hanau erlaubt das Tragen von Kopftüchern
Dass sich die Stadt damit selbst einen Wettbewerbsnachteil im Kampf um die raren Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt schafft, zeigt ein Blick nach Hanau: Dort gilt zwar auch das Gebot der Neutralität bei der Bildung, Erziehung und im Umgang mit zu betreuenden Kindern. Dies steht dem Tragen eines Kopftuchs jedoch nicht entgegen.
„In den städtischen Kindertageseinrichtungen in Hanau lebt man gemeinsam Vielfalt und die Unterschiedlichkeit der Kulturen. Äußere Merkmale, die auf eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft hinweisen, gehören dabei zum Alltag“, erklärt Bürgermeister Axel Weiss-Thiel (SPD). „Voraussetzungen für eine personelle Entscheidung sind die fachliche und persönliche Eignung der Bewerbenden.“
Qualifizierte Erzieherinnen aus Maintal bewerben sich in anderen Städten
Denn aufgrund des „Kopftuchverbots“ bewerben sich hoch qualifizierte Fachkräfte aus Maintal statt in den hiesigen Kitas in den Nachbarstädten. Wie Hoda Raho zum Beispiel. Sie ist staatlich anerkannte Erzieherin, hat soziale Arbeit studiert, mehrere Praktika in Maintaler Kitas absolviert und bei verschiedenen Trägern der Jugendhilfe, unter anderem der „Welle“, gearbeitet. Aufgrund ihres Kopftuchs hat sie nach ihrer Elternzeit jedoch keine Chance, hier in einer städtischen Kita zu arbeiten. Weil sie das Kopftuchverbot als Diskriminierung empfindet, startete die junge Frau 2018 eine Online-Petition mit dem Titel „Kein Kopftuch-Verbot für Kita-Erzieherin“ und wandte sich in einem offenen Brief an Bürgermeisterin Monika Böttcher (parteilos).
„Es wird überall Personal gesucht und dann werden qualifizierte Erzieherinnen abgelehnt, nur weil sie ein Kopftuch tragen“, heißt es in der Petition. Aber es geht Hoda Raho ebenfalls um die Akzeptanz der gesellschaftlichen Vielfalt, die Kinder dadurch von klein auf erleben. Die Petition rief nicht nur über 400 Unterstützer, sondern auch eine Gegenpetition auf den Plan, die das Kopftuchverbot verteidigte: Nicht das Verbot, sondern das Kopftuch an sich sei eine Diskriminierung, lautete das Argument der Gegenseite.
Dass die Stadt Bewerberinnen, die ein Kopftuch tragen, tatsächlich abgelehnt hat, verneint die Pressestelle auf Anfrage. Aber es gibt einige Frauen, die sich mit Wissen um das Kopftuchverbot eben gar nicht erst in Maintal bewerben, sondern in anderen Kommunen Arbeitsplätze finden.
Stadt Maintal beruft sich auf Urteil des Europäischen Gerichtshofs
Mit einer Bewerberin steht die Stadt derzeit in einer juristischen Auseinandersetzung. Ausgelöst durch die Diskussion im Jahr 2018 gab es bei der Stadt zumindest Überlegungen zur Überarbeitung der Dienstanweisung für Bereiche ohne direkten Kundenkontakt. Dies hätte zwar für Erzieherinnen ohnehin nichts geändert. Doch durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Juli dieses Jahres sieht die Stadt ihre Position derzeit gestärkt.
Die obersten Rechtssprecher in der EU kamen nämlich zu dem Schluss, dass ein Kopftuchverbot dadurch gerechtfertigt sein kann, dass ein Arbeitgeber gegenüber den Kunden ein Bild der Neutralität vermitteln oder soziale Konflikte vermeiden will. Politisch ist das Thema höchst umstritten. Während die Wahlalternative Maintal sich an die Linie des EuGH-Urteils hält und mit dem Kopftuch die Neutralitätspflicht als verletzt ansieht, spricht sich die Wählergemeinschaft „Gemeinsam für Maintal“ dafür aus, eher auf die Qualifikation einer Erzieherin zu achten als auf ein Kopftuch. „Solange eine Erzieherin sich nicht missionarisch engagiert, sollte ein Kopftuch in der erzieherischen Arbeit keine Rolle spielen“, sagt Nalan Arampatzi.
Kopftuchverbot auch in der Maintaler Politik höchst umstritten
Grünen-Fraktions-Chefin Monika Vogel kritisiert das generelle Verbot: „Wir können uns das als Stadt Maintal nicht mehr leisten“, sagt sie. „Die Stadt als Arbeitgeberin hat ja zum Beispiel die Möglichkeit, einen Arbeitsvertrag nicht über die Probezeit hinaus zu verlängern. In einer solchen Zeit kriegt man mit, ob jemand religiös fanatisch ist oder nicht.“ Die CDU sieht das ähnlich: „Uns kommt es darauf an, was in den Köpfen der Menschen passiert, und nicht was sie auf dem Kopf tragen“, sagt Fraktionsvorsitzender Götz Winter
„Als moderne Konservative sind wir fest davon überzeugt, dass die vorgeschaltete schulische Ausbildung und die lange Zeit der Ausbildung zur Erzieherin oder Verwaltungsangestellten ausreichen, um die fachliche und persönliche Eignung für den Beruf festzustellen. Dies gilt auch für Frauen, die sich bei der Berufsausübung die Haare verhüllen möchten. Die Behauptung, dass Bürger glauben könnten, von einer Muslima nicht neutral behandelt zu werden, halten wir für nicht belegt und daher ungeeignet, ein Verbot oder Gebot zu begründen.“
In evangelischer Kita in Maintal darf Kopftuch getragen werden
Wie alle Seiten von einer solch individuellen Entscheidung unabhängig vom Kopftuch profitieren, zeigt das Beispiel von Zahra Mousavi. Sie arbeitet als Sozialassistentin im evangelischen Kindergarten in Dörnigheim, ist Muslimin und trägt ein Kopftuch. „Uns war wichtiger, dass sie unser Konzept und unser evangelisches Profil mitträgt“, erklärt Ines Fetzer, Pfarrerin der evangelischen Gemeinde Dörnigheim. Dazu habe die junge Frau zunächst ein Praktikum in der Einrichtung absolviert.
„Wir haben gemerkt, dass das mit ihr sehr gut funktioniert, weil sie dem christlichen Glauben gegenüber sehr offen ist“, sagt die Pfarrerin. „Aber das war eine an ihrer Person orientierte Entscheidung, unabhängig von ihrem Kopftuch.“ Mousavi sagt aus eigener Erfahrung, dass sie in ihrem Kindergarten noch nie diskriminiert wurde. „Ich gehe mit in die Kirche, ich fühle mich hier zu Hause“, sagt sie. „Es ist die gute Arbeit, die zählt.“
Von Bettina Merkelbach