Über Schotter, Schlaglöcher und Matsch: Erste Fahrrad-Ausschusssitzung in der Geschichte der Stadt Maintal

Die Premiere zog viele Interessierte an: Zahlreiche Stadtverordnete und einige routinierte Fahrradfahrer trafen sich am Busbahnhof Maintal-Ost mit dem Ersten Stadtrat Karl-Heinz Kaiser (SPD), Stadtverordnetenvorsteher Martin Fischer (CDU), dem Fahrrad- und Fußgängerbeauftragten der Stadt Peter Schieche und Verkehrsplaner Andreas Herbig zur ersten Ausschusssitzung in der Geschichte Maintals, die größtenteils auf dem Fahrrad stattfand.
Maintal - Diese unkonventionelle Sondersitzung sollte dazu dienen, einige Radwege in und um Maintal unmittelbar selbst als Radfahrer zu erfahren. Diesen einzigen Tagesordnungspunkt hatte die Wahlalternative Maintal (WAM) mit einem Antrag initiiert, der eine neue Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung einer Prioritätenliste zu Sanierung und Ausbau des Maintaler Radwegenetzes beauftragt. Basis für diese Liste sollen die Vorschläge des Fahrradbeauftragten sein.
Für Diskussionen sorgte allerdings schon am Startpunkt die vom Vorsitzenden des Ausschusses für Mobilität und Digitalisierung, Leo Hoffmann (FDP), mit dem Ersten Stadtrat abgestimmte Tour: Auf die Strecke hätte Fahrradbeauftragter Peter Schieche gerne Einfluss genommen, um auf einige besonders problematische Punkte hinweisen zu können.
Zahlreiche Radwege müssen saniert werden
„Das ist heute ohnehin nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was wir in den kommenden Jahren sanieren müssen, und als Initialzündung zu verstehen“, erklärte Karl-Heinz Kaiser die Idee der Fahrrad-Sitzung. Aus den von Magistrat und Stadtverordnetenversammlung zusammengeführten Mängeln ist eine insgesamt rund 30 Punkte umfassende Liste mit Radverkehrsprojekten entstanden, die bis 2022 anstehen.
Dass das Thema Radwege-Sanierung und -Ausbau ein dringendes ist, wurde der Kongregation, die sich vom Dörnigheimer Bahnhof aus in Richtung Bischofsheim in Fahrt setzte, schnell klar: Wann immer die Gruppe einen Zwischenstopp einlegte, um ein Problem vor Ort zu diskutieren, mussten andere Radfahrer vorbeigelassen werden. Das zeigt: Die Maintaler Radwege sind stark frequentiert.
Viele Radwege in Maintal in marodem Zustand
Trotzdem sind viele in marodem Zustand und von wuchernden Pflanzen beengt – Themen, die die Gruppe auf der Radtour diskutierte. Aber auch die mangelnde Ausschilderung der Radwege und die weißen Bodenrillen an Bushaltestellen, die sehbehinderten Menschen beim Einsteigen als taktiles Leitsystem dienen, wurden angesprochen. Für Radfahrer werden die Rillen nämlich vor allem auf nassem Untergrund zur Gefahr.
„Wenn ich morgens um viertel nach sieben zur Arbeit fahre, ist hier die Hölle los und ich komme eh kaum an der Bushaltestelle vorbei“, sagte Ulrike Schildwächter, die sich als passionierte Radfahrerin zu Wort meldete und ihre Beschwerden anbrachte. Sie arbeitet im DRK-Seniorenzentrum Kleeblatt in Bischofsheim und fährt den Weg täglich mit dem Fahrrad. Ihr war daher die Strecke von Hochstadt nach Bischofsheim unter der Querstraße L3195 hindurch bestens bekannt.
Schlaglöcher und Matschpfützen auf den Radwegen in Maintal
Wo es hier hapert, sah man direkt: Über unbefestigtes Geröll, Schlaglöcher und Matschpfützen führt der Weg teilweise mit großem Gefälle bis zum Tunnel, rechts und links ragen meterhohe Brennnesseln in die Strecke hinein. „Wir haben in Maintal ein weit verzweigtes Radwegenetz. Das Problem an vielen Stellen ist der katastrophale Untergrund“, brachte Fahrrad- und Fußgängerbeauftragter Peter Schieche die Beschwerden auf den Punkt. Nicht ausbauen, sondern ausbessern, lautete seine Empfehlung.
Die Schotterpiste ist umso problematischer, da diesen Weg viele Schulkinder zum Beispiel zur Albert-Einstein-Schule befahren. „An der Unterführung fehlt auch eine Beleuchtung“, bemerkte Monika Vogel, Fraktionsvorsitzende der Grünen, mit Blick auf die Uhrzeiten, zu denen Kinder und Jugendliche den Schulweg im Herbst und Winter zurücklegen.
Der miserable Zustand des Weges sei seit Jahren bekannt, behoben wurden die Probleme bislang aber nicht. Auf der Radwege-Projektliste, die in den kommenden Jahren abgearbeitet werden soll, hat der Tunnel auch den Vermerk „Umsetzung in 2021 unwahrscheinlich“. „Es gibt ja oben herum einen asphaltierten Weg, den nutzt nur keiner“, führte Ulrike Schildwächter das Argument heran, was die Stadt auf ihre Beschwerden antwortete. Sie bemängelte zudem, dass es keinen Warnhinweis vor dem aus Hochstadt „mit Karacho“ anrollenden Gegenverkehr gebe.
Stadtrat berichtet von guter Zusammenarbeit mit den Radfahrern
Am Ziel am Maintalbad entspann sich die Diskussion weiter um die Ursachen des maroden Zustands der Radwege. „Woran fehlt‘s?“, brachte Prof. Joachim Fetzer (FDP) die Frage auf den Punkt. „Es gibt Pläne, nach denen die Wege regelmäßig überprüft werden“, antwortete der Erste Stadtrat Karl-Heinz Kaiser und verwies auf das Pflegekataster, in dem alle städtischen Wegeflächen erfasst sind. Der Bewuchs richte sich allerdings nicht nach diesen Plänen.
„Hier hilft, dass es engagierte Bürgerinnen und Bürger gibt, die entweder einfach direkt selbst Hand anlegen oder die Missstände in das Anregungs- und Ereignismanagement (AEM)-System der Stadt eintragen. Wenn dort gemeldet wird, wo Brennnesseln gemäht werden müssen, wird das in der Regel innerhalb von zwei bis drei Tagen erledigt“, berichtete Kaiser und betonte, dass diese konstruktive Zusammenarbeit gut funktioniere.
Projekte werden geplant, aber nicht umgesetzt
Dennoch – dies sprachen vor allem die engagierten Radfahrer an – gebe es viele Projekte, die, wie etwa der Radweg zu den Bischofsheimer Schulen, beschlossen, aber noch nicht umgesetzt seien. „Die Antwort ist immer, es gibt keine Leute“, ereiferte sich Fetzer. „Es fehlt an einer Verkehrsplanung“, bemängelte Monika Vogel und verwies darauf, dass es zwischenzeitlich keinen und derzeit mit Andreas Herbig nur einen Verkehrsplaner in der Stadt Maintal gibt, der die Aufgabe hat, die umfangreiche Sanierungsliste abzuarbeiten.
Von Bettina Merkelbach