Vergessene Erinnerungen auf der Leinwand: Film zeigt Wandel von Bischofsheim

Maintal – Der Bäcker neben der Schule, bei dem es nach frischem Brot roch, das Schaufenster, in dem man fernsehen konnte, die Drogerie, in der es nach Kölnisch Wasser duftete – viele alteingesessene Bischofsheimer teilen solche oder ähnliche Erinnerungen an ihre Kindheit.
Der Filmemacher Dieter Ott hat mit seinem Film „Wie war das noch?“ ein lebendiges Stück Geschichte geschaffen, das den Wandel Bischofsheims vom Dorf zum Stadtteil in bewegten Bildern und bewegenden Geschichten dokumentiert. Drei Jahre lang hat der bei den Bischofsheimer Schmalfilm- und Videofreunden aktive Filmliebhaber an dem Werk gearbeitet. Drei Jahre akribischer Detektivarbeit, in denen er Personen, Orten, Gebäuden und Anekdoten hinterher recherchierte und tief in der eigenen Erinnerung kramen musste. Belohnt wurde diese Arbeit unzähliger Stunden mit dem zweiten Preis der Hessischen Autoren-Filmfestspiele. Entstanden ist ein lebendes Stück Stadtgeschichte, das die Entwicklung Bischofsheims seit der Nachkriegszeit bis heute lebendig werden lässt.
Der Ur-Bischofsheimer Dieter Ott ist eingefleischter Cineast und Experte, wenn es um Kamera- und Filmtechnik geht. Über Jahrzehnte betrieb er ein Film- und Fotofachgeschäft in Offenbach. In seiner Freizeit steht der Rentner schon lange selbst hinter der Kamera. „Film war früher zu teuer. Aber ich fotografiere schon seit meiner Kindheit“, sagt der 73-Jährige heute. Inspiriert zu dem Film über die Geschichte seines Heimatortes hat ihn ein Nachbar und Filmkollege, der selbst einen Dokumentarfilm über Alt-Bischofsheim gedreht hat
„Diese Originalfilmaufnahmen aus der Nachkriegszeit sind es, die meinen Film ausmachen. Die hat sonst keiner“, sagt Dieter Ott. Heinz Zoller, den Ott als Mitautor im Vorspann nennt, hat sein Leben in Bischofsheim in den 50er Jahren filmisch festgehalten. „Damals hat sicher mancher den Kopf geschüttelt, als er ihn in Bischofsheim mit einer Kamera hat herumlaufen sehen“, erzählt Dieter Ott. „Aber heute sind diese Aufnahmen unglaublich wertvoll.“ Doch die Suche nach weiterem Filmmaterial ist schwierig, stellt er schnell fest. Die Filmsequenzen von Heinz Zoller reichen nicht aus, um seine Geschichte Bischofsheims zu erzählen.

Über Mund-zu-Mund-Propaganda erhält Dieter Ott Fotos und fügt sie puzzleartig zu einer Dokumentation zusammen. Das Originalmaterial auf Acht-Millimeter-Bändern digitalisiert er und bearbeitet es filmisch nach, interviewt Zeitzeugen, ergänzt seine eigenen Erinnerungen und aktuelle Aufnehmen.
Dieter Otts Film setzt Meilensteinen der jüngeren Bischofsheimer Geschichte, an die sich sicher viele Alteingesessene zurückerinnern, ein lebendiges Denkmal. Etwa an den ungewöhnlichen und aufsehenerregenden Privatzoo in der Löwenseestraße, der in den 1960er Jahren Chinchillas, Tiger und weitere Wildkatzen beherbergte. Oder den Deutschlandbesuch John F. Kennedys, der am 25. Juni 1963 an Bischofsheim vorbeifuhr. Und an den Kirchturmbrand im Winter 1944, von dem Kurt Wörner berichtet. „Das war vor meiner Zeit. Aber ich erinnere mich, dass ich mich als Kind immer gewundert habe, warum der Kirchturm keine Spitze hatte“, erzählt Dieter Ott.
Über Jahre hinweg hat er Bildmaterial von Ur-Bischofsheimern gesammelt, ergänzt durch Quellen aus dem Stadtarchiv und von Peter Heckert, der selbst eine Chronik Maintals verfasst hat. „Die alten Filme habe ich im Gegensatz zur Gegenwart gesetzt, damit man sieht: Wie war das damals, was ist passiert und wie sieht es heute aus“, beschreibt er die Idee, die er in seinem Drehbuch umgesetzt hat. Dabei wird auch mancher Kontrast deutlich. Etwa wie die Landwirtschaft aus Bischofsheim fast ganz verschwunden ist. Und auch die Bausünden der vergangenen Jahrzehnte hält Ott gnadenlos fest. „Früher habe ich die Frösche quaken hören, wenn ich von Bischofsheim nach Hochstadt gelaufen bin. Heute hört man den Fluglärm“, bringt er die Gegensätze auf den Punkt.

„Ich hätte auch ein Buch schreiben können. Aber ich finde, ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und Film ist einfach meine Leidenschaft“, bekennt der passionierte Filmemacher, der betont, dass er zwar professionelle Ambitionen hat, aber kein Geld mit seinen Filmen verdienen will. „Ich mache das, weil ich Freude daran habe. Dafür kann ich meine Kreativität voll und ganz ausleben. Und dieser Film war für mich eine Herzensangelegenheit.“
Was er erreichen möchte: dass Erinnerungen nicht wie alte Fotos verblassen. „Ein Film holt die Erinnerung zurück, auch an Menschen, die nicht mehr unter uns sind.“ Er zeigt seine Filme regelmäßig bei den Filmabenden der Bischofsheimer Schmalfilm- und Videofreunde und reicht sie hin und wieder bei Wettbewerben ein. Ein größeres Maintaler Publikum hat den Film über Bischofsheim allerdings noch nicht zu Gesicht bekommen. „Pfarrer Jens Heller war der Erste, der Interesse gezeigt hat“, kündigt er die Aufführung beim „Bischemer Straßenfest“ an.
Zu sehen ist der Dokumentarfilm „Wie war das noch?“ am Samstag, 20. August um 19 Uhr in der Evangelischen Kirche. Die Spielzeit ist 19 Minuten. Der Eintritt ist frei, Spenden sind willkommen.
Von Bettina Merkelbach