Volksbühne präsentiert überzeugende Inszenierung von Hamiltons Psychothriller „Gaslicht“

Maintal – Der zivilisierte Brite lebt in Häusern mit meist mehreren Stockwerken: vom Keller bis zum Dachboden. Oftmals sind diese Gebäude älter und von manchmal verwirrender Vielzahl an Räumen, Treppen und Gängen. Im intimen Schutz dieser Gemäuer bleiben viele Geheimnisse der dort einst und jetzt lebenden Familien erhalten. Nach dem Motto „My home ist my castle“.
Psychische und physische Ereignisse sowie Taten der Bewohner schweben auch beim Psychothriller „Gaslight“ (Gaslicht“) des englischen Roman- und Stückeschreibers Patrick Hamilton durch die Stuben und Flure. Die Maintaler Volksbühne brachte den Thriller am vergangenen Samstag in einer Produktion der Theatergastspiele Fürth auf die Bühne des Bischofsheimer Bürgerhauses. Mehrfache Verfilmungen haben diesem Werk bereits eine breite Wirkung eingebracht. Die Produktion aus Fürth, bei der Intendant Thomas Rohmer nicht nur selbst Regie führte, sondern auch für die Kostüme verantwortlich zeichnete, erwies sich als intensive und spannungsvolle Inszenierung, die das Publikum in Atem hielt.
Die Manninghams, ein etwas merkwürdiges Ehepaar, bewohnen in der Hauptstadt London ein viktorianisches, dunkles Haus mit großbürgerlichem Charme (Bühnenbild: Elmar Thalmann), welches sie vor mehreren Monaten erworben hatten. Jack zeigt sich als sehr bestimmend, herrschsüchtig und arrogant, während Bella, seine durchaus attraktive Frau, als oftmals geistig verwirrt dargestellt wird – sowohl von ihrem Mann als auch von der Bediensteten Nancy. Die psychischen Spielchen, die Jack mit seiner Frau im Hinblick auf Vergesslichkeit und Nichtwissen treibt, zeigen starke Wirkungen. Zusätzlich bringen Bella die nächtliche Geräuschkulisse im Dachgeschoss des Hauses und das dann unruhige Flackern des Gaslichts an den Rande des Wahnsinns.
Das Erscheinen des etwas jovialen Ex-Scotland-Yard-Beamten Rough lenkt das Geschehen dann in eine aufklärende Richtung. Vor 20 Jahren lebte in diesen Räumen eine reiche, alte Dame, die als „Kutschertante“ bekannt war, da sie die Droschkenkutscher in London unterstützte. Hier wurde sie auch ermordet. Der bis dato nicht gefasste Täter konnte seine erwartete Beute – Edelsteine von großem Wert – allerdings bis jetzt nicht finden. Rough verfolgt daher diese Spur: Er hat Mr. Manningham (Achtung Falschname) im Verdacht, dass dieser deshalb jetzt zurückgekehrt ist, um auf dem Dachboden des Hauses in Ruhe danach zu suchen. Daher auch das Flackern der Gasbeleuchtung: denn Gas ist limitiert und teuer, wie wir auch heute immer wieder von Kennern der Materie erfahren dürfen. Wie das Ende aussieht, ist wohl jetzt leicht(er) zu erraten. Am Schluss siegt jedenfalls die Gerechtigkeit, sogar mit einem Zug von Vergeltung seitens der Ehefrau Bella. Das muss natürlich so sein, das erwartet die Öffentlichkeit.
Getragen wurde die Aufführung von den intensiven Verkörperungen der einzelnen Personen durch das homogene Ensemble. Susanne Bormann gab ihrer Bella durch Körpersprache und vokale Differenzierungen den Charakter einer Ehefrau, die zwischen der Liebe zu ihren Mann und ihrer psychischen Schwäche im zwischenmenschlichen Umgang hin- und hergeschüttelt wurde. Der Jack von Felix Eitner gab sich als Herrscher des Hauses, der weniger die physische Gewalt als die psychische Wirkung bestimmter Vorkommnisse nutzt, um seine Frau jederzeit zu beherrschen und ihre Selbstbestimmung zu unterlaufen. Er demonstriert damit die Gefährlichkeit dieser Gewaltstruktur, fällt am Ende aber weinerlich in sich zusammen, weil gerade seine Psyche sich als labil erweist. Eitner bot eine überzeugende Studie dieser Machtqualität.
Während Eleonore Daniel der Angestellten Elisabeth einen freundlichen und hilfreichen familiären Charakterzug verlieh, zeigte Magdalena Meier als Nancy die Wesenszüge einer berechnenden Magd, die auch körperlich alles einsetzt, um sich Vorteile bei ihrem Herrn zu erwirken. Der Rough von Norbert Heckner griff als „Perpetuum mobile“ in das Geschehen ein, wirkte manchmal etwas zu freundlich, wusste aber ganz genau, was er eigentlich erreichen wollte. Solche Polizisten sind für Kriminelle wohl am gefährlichsten, da sie oft unterschätzt werden.
Das Fazit: Insgesamt war es eine interessante Umsetzung des bekannten Stückes auf der Bühne. Entsprechend begeistert war das Publikum an einem herbstlichen und geheimnisvollen Samstagabend in einem weniger geheimnisvollen Raum im Bürgerhaus Bischofsheim.
Von Jürgen Gerth