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Wunschgroßeltern der Bürgerhilfe Maintal brauchen Verstärkung

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Ein Herz und eine Seele: Lennard mit Renate Winzer auf dem Brüder-Grimm-Spielplatz in Dörnigheim. Vor neun Jahren führte sie das Projekt „Wunschgroßeltern“ der Bürgerhilfe zusammen.
Ein Herz und eine Seele: Lennard mit Renate Winzer auf dem Brüder-Grimm-Spielplatz in Dörnigheim. Vor neun Jahren führte sie das Projekt „Wunschgroßeltern“ der Bürgerhilfe zusammen. © Kristina Bräutigam

Meter für Meter hangelt sich Lennard im Kletterparcours nach oben. Unten im Sand steht Renate Winzer, in der Hand ihre kleine Digitalkamera. „Halt, einmal lachen“, ruft sie. Der Zehnjährige strahlt, das Erinnerungsfoto ist im Kasten. Renate Winzer ist Lennards Oma, wenn auch nicht seine leibliche. Gefunden haben sich die beiden über das Projekt „Wunschgroßeltern“ der Bürgerhilfe Maintal:

Maintal - Seit 2006 bringt der Verein Senioren und Familien zusammen, die Unterstützung bei der Kinderbetreuung brauchen. Vor allem für berufstätige Eltern und Alleinerziehende sind Großeltern eine wichtige Stütze, weiß Doris Brender-Arnd, die das Projekt seit 2019 leitet: „Viele Familien haben keine Großeltern mehr oder diese leben zu weit weg. Ist das Kind krank oder man hat wichtige Termine, bricht dann oft das ganze System zusammen.“

Auch Lennards Eltern, die mittlerweile getrennt leben, wären ohne Renate Winzer oft aufgeschmissen. Mutter und Vater sind berufstätig, die Großeltern leben in Nordrhein-Westfalen und Polen. Haben die Eltern keine Zeit, springt Renate Winzer ein. Einmal pro Woche holt die 81-Jährige den Grundschüler ab und betreut ihn ehrenamtlich für zwei bis drei Stunden.

Renate Winzer ist Wunschoma seit 19 Jahren

Als sie Lennard im November 2014 übernimmt, ist er gerade anderthalb Jahre alt. „Da hieß es noch mal Windel wechseln und Kinderwagen schieben“, erzählt Renate Winzer und lacht. Gern erinnert sie sich an die gemeinsamen Erlebnisse: Wie sie bei Wind und Wetter Baustellen angucken, Legolandschaften bauen oder zuhause Runde um Runde Uno spielen. Auch bei der Einschulung sind Renate Winzer und ihr Mann Theo dabei. „Jede Zeit war schön. Ich möchte keine missen“, sagt sie.

Dass sie noch einmal Oma und Opa werden, hatten die Winzers nicht geplant. Vier Enkelsöhne haben sie bereits, doch alle sind erwachsen. Als das Projekt „Wunschgroßeltern“ bei einem Ausflug der Bürgerhilfe vorgestellt wird, ist Renate Winzer sofort Feuer und Flamme. Sie wünscht sich ein Mädchen – und hat Glück. Von 2004 bis 2014 betreut sie zwei Schwestern, dann zieht die Mutter mit ihnen weg aus Maintal. Auf der Warteliste der Bürgerhilfe stehen damals nur noch ältere Mädchen. Und Lennard. Obwohl sie eigentlich keinen Jungen möchte, sagt sie zu. „Lennard war von Anfang an pflegeleicht. Und er ist gut erzogen. Ich würde sagen, wir sind ein Herz und eine Seele“, sagt Renate Winzer und wuschelt ihrem Enkel durch die Haare.

Immer mehr Eltern brauchen Unterstützung

Dass die Chemie zwischen den Großeltern und der Familie stimmt, ist Grundvoraussetzung, betont Projektleiterin Doris Brender-Arnd, die bei den ersten Treffen zwischen Familie und Wunschoma und -opa immer dabei ist. „Bisher hat es jedes Mal gleich gefunkt“, erzählt sie. Auch nach der Vermittlung könnten sich Großeltern und Familien jederzeit an die Projektverantwortlichen wenden, Sozialpädagogin Verena Strub stehe ebenfalls beratend zur Seite. Dabei sei Raum für individuelle Bedürfnisse, beispielsweise was den Zeitaufwand angehe. Auch die Aktivitäten werden zwischen den Familien und den Senioren abgesprochen, sagt Brender-Arnd: „Wir haben bislang immer einen Weg gefunden, der für alle Beteiligten passt.“ Ziel sei es, längerfristige Beziehungen zu initiieren, die zu gegenseitiger Unterstützung zwischen Kindern, Eltern und den Wunschgroßeltern führen.

Wie groß der Bedarf ist, zeigt die Nachfrage: Immer öfter melden sich Eltern, die eine Wunschoma oder einen Wunschopa brauchen. Vier Maintaler Familien stehen aktuell auf der Warteliste, berichtet Doris Brender-Arnd. So viele wie noch nie. Doch es fehlt an Senioren, die sich dem Projekt anschließen. „Manche haben Interesse, trauen sich aber nicht recht. Sie befürchten, es nicht gut genug zu machen oder allzu eingespannt zu sein“, sagt die Projektleiterin. Hinzu komme, dass in den vergangenen zwei Jahren neun Wunschgroßeltern aufgehört haben. Einige aus Altersgründen, andere wegen der Pandemie.

Auch Senioren erleben gemeinsame Zeit als Bereicherung

Sie könne nur jedem Mut machen, sich zu melden, meint Brender-Arnd, für die das Projekt eine echte Herzensangelegenheit ist. Denn nicht nur die Familien profitieren durch die Unterstützung der Wunschgroßeltern. „Die Senioren erleben die gemeinsame Zeit mit Kindern als Bereicherung“, so Brender-Arnd. Zudem bekommen die Senioren, die wie die Familien Mitglied der Bürgerhilfe sein müssen, für jede geleistete Stunde zwei Zeitpunkte gutgeschrieben. Sollten sie später einmal selbst Hilfe benötigen – etwa bei der Begleitung zum Arzt – wird das angesparte Zeitguthaben verrechnet.

Renate Winzer habe so viele Punkte angesammelt, „die kann ich gar nicht mehr alle verbrauchen“. Gelohnt habe sich die Teilnahme am Projekt so oder so. „Man lernt ganz viel voneinander. Und man bleibt fit im Kopf“, sagt die Dörnigheimerin, während sie Lennard von der Parkbank aus beobachtet. Mit zunehmendem Alter werde es schwieriger, den Enkel zu bespaßen. Und manchmal vermisse sie das gemeinsame Spielen. Das Handy sei mittlerweile einfach interessanter. „Das Ding ist das Einzige, was mich wirklich stört“, sagt die 81-Jährige.

Kontakt zwischen Oma und Enkel bleibt

Ab Sommer wird Lennard auf eine Schule in Frankfurt wechseln. Es werde sich zeigen, ob die Eltern dann noch Betreuungsbedarf haben. „Er würde uns fehlen, wenn er nicht mehr kommt“, sagt Renate Winzer wehmütig. Dann kramt sie eine Minipackung Smarties aus der Jackentasche und rappelt. Es dauert keine zehn Sekunden, da klettert der Zehnjährige aus dem Holzhäuschen, um sich ein paar Schokolinsen abzuholen. „Das ist unser Ritual“, sagt Renate Winzer und drückt Lennard fest an sich. Der Kontakt, da ist sie sich sicher, wird bleiben.

Wer sich als Wunschgroßeltern melden will, findet auf der Webseite der Bürgerhilfe Maintal weitere Details zum Projekt. Auch Eltern erhalten alle Infos bei Doris Brender-Arnd unter z 06181 438629 oder info@buergerhilfe-maintal.de melden.

» buergerhilfe-maintal.de

Von Kristina Bräutigam

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