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Zwischen Tränen und schlüpfrigen Bildern: Zeugenaussagen im Fall Alojzij Z. werden immer skurriler

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Von: Thorsten Becker

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„Erotisch anmutende Bilder“: Eine 39-Jährige, die mit dem Ehepaar Z. gut befreundet ist, hat ihrem „Ersatzvater“
„Erotisch anmutende Bilder“: Eine 39-Jährige, die mit dem Ehepaar Z. gut befreundet ist, hat ihrem „Ersatzvater“ © Silas Stein/dpa

„Wenn Sie eine Pause benötigen, dann sagen Sie das bitte.“ Susanne Wetzel, die Vorsitzende der Schwurgerichtskammer am Hanauer Landgericht, sorgt sich um die 39-Jährige, die vor ihr auf dem Zeugenstuhl sitzt. Frau S. kannte Alojzij Z. (79), der am 21. Januar 2021 nach dem Besuch einer Autowerkstatt in Langen-Bergheim unter mysteriösen Umständen verschwunden ist.

Maintal/Hammersbach/Hanau – S. hat ihn offenbar sehr gut gekannt. Deshalb weint sie. „Ich bin halt immer noch sehr traurig.“ Ralf H. (58) sitzt seit Mitte November auf der Anklagebank. Er soll Z. ermordet und seine Leiche an einen bislang unbekannten Ort gebracht haben (wir berichteten).

Den Angeklagten will die 39-Jährige, die im Frankfurter Nobelviertel als Verkäuferin arbeitet, bisher nur einmal gesehen haben. Am Abend jenes Tages, als Z. nach einer Fahrt in seinem Porsche Cayenne nach Hammersbach spurlos verschwunden ist. An diesem Abend macht sich S. zusammen mit der Frau von Z. „sehr große Sorgen, dass etwas passiert ist“. Am Handy ist der 79-Jährige nicht erreichbar. Sie rufen die Polizei an, die aber keinen Hinweis auf einen Unglücksfall hat.

Also setzen sich die beide Frauen ins Auto und fahren auf eigene Faust nach Hammersbach. Dort ist am Montagabend gegen 20.15 Uhr bereits alles dunkel, das Tor zur Werkstatt verschlossen. Doch wenig später taucht Ralf H. auf. Er trägt Tarnkleidung und ist mit einem „Lastwagen“ unterwegs gewesen. Frau Z. will wissen, ob H. ihren Mann gesehen habe. „Er hat gesagt, dass er ihn nicht gesehen hat“, erinnert sich S., die es aber genau wissen will.

Da das Rolltor verschlossen ist, habe ihr der Werkstattbesitzer eine Leiter und eine Taschenlampe zur Verfügung gestellt, um einen genaueren Blick ins Innere zu werfen. „Da war aber nichts, auch der Porsche Cayenne war nirgends.“ Auf dem Weg zurück nach Frankfurt werden die Sorgen immer größer. „Wir haben dann gedacht, dass er gleich kommt. Doch Alojzij Z. bleibt wie vom Erdboden verschluckt.

Die beiden Frauen rufen erneut die Polizei an, erstatten schließlich die Vermisstenanzeige. „Es ist so schlimm, dass wir bis heute nicht wissen, was passiert und wo er ist“, sagt die 39-Jährige, die den 40 Jahre älteren Mann als eine Art „Ersatzvater“ empfunden hat. Z. habe sie im Spaß als „verlorene Tochter“ bezeichnet, vor allem Dritten gegenüber.

Seit 2015 sei sie mit dem Ehepaar, das zwischen Rothschild- und Grünewaldpark in einem großen Haus lebt, eng befreundet gewesen. Selbst Reisen hätten beide Familien gemeinsam unternommen. Und zwei Tage vor dem Verschwinden haben sie sich zusammen beim Notar getroffen. Denn drei der vier Eigentumswohnungen sollen vom älteren an das jüngere Paar verkauft werden. So ist es abgesprochen. Es geht um rund drei Millionen Euro. Details kennt die Zeugin allerdings nicht, sie ist in der Kaufurkunde auch nicht genannt. „Das hat alles mein Mann gemacht.“

Daher ist es nachvollziehbar, dass S. auch in dieser Nacht sowie in den folgenden Tagen bei Frau Z. bleibt, die verzweifelt ist. Dann entdecken Zeugen den verlassenen Porsche Cayenne in Maintal-Bischofsheim – und ganz in der Nähe das Handy des Vermissten.

Und dieses Handy spielt an diesem Verhandlungstag auch eine zentrale Rolle. Eine, die nicht so ganz in das Klischee einer „Ersatztochter“ passt. Denn die Polizei hat im Computer des 79-Jährigen einen verschlüsselten Dateiordner gefunden. Darin sind „erotisch anmutende Bilder“, wie es die Vorsitzende Richterin offenbar diplomatisch formuliert.

„Ach, sie meinen das mit dem Unterhemd?“, fragt S. nach. „Ja, und ich meine auch die anderen“, insistiert Wetzel. Diese Fotos habe sie per Handy an Z. geschickt, bestätigt S., windet sich jedoch bei den pikanten Nachfragen. „Das war halt so, ich habe mir nichts dabei gedacht.“ Dann wird die Vorsitzende direkt: „Hatten Sie ein Verhältnis zu ihm?“ „Nein“, lautet die sofortige Antwort der Zeugin.

Doch eine nachvollziehbare Begründung für diese schlüpfrigen Bilder bleibt die Zeugin schuldig. Die Fotos hätte sie „für den Eigenbedarf“ verwendet. Und offenbar war sie sehr überrascht, als die Hanauer Kripo ihr diese Aufnahmen im Rahmen der Vernehmung präsentiert hat. „Ich wusste nicht, dass er sie abgespeichert hat“, meint S. – sie wirkt aber wenig überzeugend.

Überhaupt bleiben nach über drei Stunden Vernehmung durchaus berechtigte Zweifel an der Zeugin und deren Aussagen. Vor allem Rechtsanwalt Johannes Hock, der H. als Verteidiger zur Seite steht, echauffiert sich über die Aussage: „Wir sind doch hier nicht in der Märchenstunde.“

Von Thorsten Becker

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