Manchmal energisch, aber immer höflich

Main-Kinzig-Kreis – Wie soll die Flüchtlingssituation im Kreis bewältigt werden? Wie steht es um Schule und Ausbildung? Wie kann der Kreis wirtschaftlich gestärkt werden? Wie können mehr günstige Wohnungen entstehen? Diese Fragen und nicht zuletzt das Thema Kreisfreiheit waren die Fragenkomplexe an die beiden Kandidaten zur Landratswahl, Gabriele Stenger (CDU) und Thorsten Stolz (SPD).
Zum Wahlkampfduell vor rund 250 Besuchern im Stadthaus in Bruchköbel hatten am Donnerstagabend der HANAUER ANZEIGER sowie die Wirtschaftsjunioren Hanau-Gelnhausen-Schlüchtern eingeladen. Durch die Podiumsdiskussion führten Julia Heuwieser von den Wirtschaftsjunioren sowie Yvonne Backhaus-Arnold und Holger Weber-Stoppacher für die HA-Redaktion. Ein Fazit des Abends: Stolz konnte seine Stärke als Amtsinhaber ausspielen.
Sie zankten nicht und sie fielen sich auch nicht gegenseitig ins Wort. Differenzen über die künftige politische Gestaltung des Kreises äußerten Thorsten Stolz und Gabriele Stenger höflich und an mancher Stelle mit einer humoristischen Note. Während die Bewerberin aus Hanau mangels erkennbarer Vorteile einer geplanten kreiseigenen Baugesellschaft für mehr bezahlbaren Wohnraum eine klare Absage erteilte und dafür lieber auf die Kräfte des Marktes und der bestehenden Wohnungsbaugesellschaften setzte, verteidigte Stolz sein Vorhaben und begründetet es: Wegen der Nähe zum Ballungsraum seien die Mieten im Kreis seit 2010 um 47 Prozent gestiegen, im gleichen Zeitraum seien rund 2000 Wohnungen aus der Sozialbindung gefallen. Günstige Wohnungen lockten die im Kreis benötigten Fachkräfte. „Wir können nicht die Welt retten, aber Verantwortung übernehmen“, sagte er.
Mehr Flüchtlinge, weniger Helfer
Dies galt ebenso für ein anderes aktuelles Thema, die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten. Der in Bruchköbel als ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer tätige Joachim Mathea hatte zuvor auf Bitte von Moderatorin Yvonne Backhaus-Arnold die derzeit schwierige Lage beschrieben.
Zurzeit gibt es laut Stolz im Kreis mehr Geflüchtete als 2015/16, aber erheblich wenigen Ehrenamtliche als damals. „Alle, die uns zugewiesen werden, sollen hier am Ende untergebracht, versorgt und betreut werden“, sagte er. Menschen in Ehren- und Hauptamt seien hierbei gefordert. Auf die Frage nach der dieser Tage aus dem Landratsamt angekündigten Hallenfreigabe erklärte Stolz, dass die sukzessive erfolgen werde. Der Anfang soll in Birstein gemacht werden.
Für Stenger haben die Bürgermeister und Ehrenamtlichen bislang eine „herausragende Arbeit geleistet“. Zur Unterstützung und Verstärkung der Integration sollten sich aus ihrer Sicht aber auch die örtlichen Vereine mehr einbringen.
Bei den Fragenblöcken Wirtschaft und Bildung lagen Stenger und Stolz in ihren Vorstellungen zumeist nicht weit auseinander. Bildungscampus und Förderung der Berufsschulen, um mehr Jugendliche für eine duale Berufsausbildung zu interessieren, hieß es bei Stolz. Stenger sieht in einer möglichen Dependance der Technischen Hochschule Mittelhessen eine Chance. Allerdings erkannte Stenger einen erheblichen Investitionsbedarf ob der vielen „maroden Schulen“. Wenn sie 100 Millionen Euro zur freien Verfügung hätte, würde sie das Geld dort hineinstecken. Das brachte Stenger nicht nur Applaus. Eine Kreisbeigeordnete im Publikum erinnerte die Kandidatin daran, dass für die Schulen im Kreis seit Jahren Winfried Ottmann von der CDU zuständig und der Zustand der Bildungseinrichtungen alles andere als marode sei.
Digitalisierung ist beiden ein Anliegen
Bei der Digitalisierung forderte die CDU-Frau Stenger Glasfaseranschluss für alle Haushalte und eine digitale Kreisverwaltung. Stolz entgegnete, man sei bereits auf den besten Weg dahin. In Sachen Vereinbarkeit von Beruf und Familie will die dreifache Mutter als Landrätin erreichen, „dass der Kreis Anreizprogramme setzt, um die Kommunen dabei zu unterstützen, mehr Erzieher hier in den Kreis zu holen“. Auch soll es mehr Ausbildungsplätze für Erzieher geben. Stolz, zweifacher Vater, konnte hierzu mit konkreten Inhalt aufwarten. In den Berufsschulstandorten Gelnhausen und Hanau sollen zusätzliche Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden, die auch Quereinsteiger und Menschen mit Sprachproblemen entsprechend qualifizieren. Überdies werde die Tagespflege ausgebaut, so seine Zusage.
Obwohl der Saal mit augenscheinlich vielen Personen aus Politik, Verbänden und Vereinen rappelvoll besetzt war, wurde die Chance, selbst Fragen zu stellen, nur wenig genutzt. Wären dort noch die meisten Besucher zu überzeugen gewesen, wo sie am 29. Januar, ihr Kreuz hinsetzen, dann hätte vermutlich Stolz sie unabhängig vom Inhalt eher erreicht. Seine Antworten waren zwar nicht selten am Zeitlimit von zwei Minuten, aber er äußerte sich in einem energischen Redefluss oft konkret, teils leidenschaftlich. Stenger hingegen blieb oft sehr vage. (Von Detlef Sundermann)







