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Neuberger Feuerwehrmann freigesprochen

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Von: Holger Weber-Stoppacher

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Vor dem Feuer auf dem Luisenhof wusste der Angeklagte bereits, dass er im Visier der Polizei ist: „Es ist deshalb kaum vorstellbar, dass er im Wissen, dass er zur Rechenschaft gezogen wird, den Brand auf dem Luisenhof legt“, sagte die Vorsitzende Richterin Dr. Katharina Jost. Der Berufungsprozess gegen den 20-Jährigen wurde von der Kammer verworfen.
Vor dem Feuer auf dem Luisenhof wusste der Angeklagte bereits, dass er im Visier der Polizei ist: „Es ist deshalb kaum vorstellbar, dass er im Wissen, dass er zur Rechenschaft gezogen wird, den Brand auf dem Luisenhof legt“, sagte die Vorsitzende Richterin Dr. Katharina Jost. Der Berufungsprozess gegen den 20-Jährigen wurde von der Kammer verworfen. © Hologer Weber

Neuberg/Hanau – Auch für die Berufungskammer des Landgerichts Hanau war die Beweislage gegen einen heute 20-jährigen Feuerwehrmann aus Neuberg zu dünn, um ihn wegen Brandstiftung zu verurteilen. Die Kammer unter der Vorsitzenden Richterin Dr. Katharina Jost bestätigte gestern das Urteil des Hanauer Amtsgerichts, das den Neuberger im Dezember vergangenen Jahres im erstinstanzlichen Verfahren freigesprochen hatte.

Staatsanwältin Jana Gladeck hatte zuvor eine Jugendstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten gefordert, der Verteidiger Christian Freydank hatte auf Freispruch plädiert.

Laut Anklageschrift wurde dem jungen Feuerwehrmann vorgeworfen, Urheber einer Brandserie gewesen zu sein, die im Frühjahr 2020 die Gemeinde in Atem gehalten hatte. Mindestens vier von insgesamt 13 Bränden sollte er laut Anklageschrift gelegt haben, darunter auch den Brand auf dem Luisenhof zwischen Ravolzhausen und Rüdigheim. Bei dem Großfeuer im Morgengrauen des 26. April, zugleich das letzte der Serie, war ein Schaden von mehreren Hunderttausend Euro entstanden. Der Feuerwehrmann war damals von der Polizei während der Löscharbeiten auf dem Pferdehof verhaftet worden. Der Fall hatte wegen der Berichterstattung in den Medien überregional für Aufmerksamkeit gesorgt.

Ein Puzzlespiel

Gleich zu Beginn der Urteilsverkündung machte die Vorsitzende Richterin gestern deutlich, dass sich der Tatverdacht gegen den jungen Mann nicht erhärtet habe, obwohl man sich in einem umfangreichen Berufungsverfahren allergrößte Mühe gegeben habe. „Es war ein Puzzlespiel“, stimmte sie mit der Staatsanwältin überein. So seien an den sieben Verhandlungstagen bis auf eine Ausnahme alle Zeugen des erstinstanzlichen Verfahrens noch einmal vernommen worden. Darüber hinaus habe man eine weitere Zeugin befragt und manche Zeugen sogar zweimal geladen. Auch seien neue Erkenntnisse, beispielsweise Internetrecherchen, in die Akten aufgenommen worden.

Staatsanwältin Jana Gladeck blieb dabei, dass der damals 18-Jährige die Verantwortung für die Brandserie trage: „Sie hatten die Gelegenheit, die Mittel und das Motiv“, sagte sie in ihrem Plädoyer und bot der Vorsitzenden Richterin damit ungewollt eine Vorlage. Zwar stimmte Jost der Staatsanwältin zu, dass der Feuerwehrmann die Gelegenheit gehabt habe, die Brände zu legen. „Aber das hatten andere auch“, ergänzte sie in ihrer Urteilsbegründung.

Einsatzpläne analysiert

Eine Analyse der Einsatzpläne habe ergeben, dass der Angeklagte nicht der einzige Feuerwehrmann war, der bei sämtlichen Löscheinsätzen im Rahmen der Brandserie beteiligt gewesen sei. „Da gab es noch einige mehr.“ Außerdem habe man im Zuge der Ermittlungen keinen einzigen Nachweis gefunden, dass der Brandstifter aus den Reihen der Feuerwehr stamme. Diese Idee sei in der Neuberger Feuerwehrführung entstanden und in Zusammenarbeit mit den ermittelnden Polizisten weiterverfolgt und vertieft worden. Für sie sei ein entscheidender Moment des Verfahrens gewesen, als ein Verantwortlicher der Neuberger Feuerwehr im Zeugenstand von seinen Internetrecherchen berichtet habe, wonach für 60 Prozent aller Brandstiftungen Feuerwehwehrleute verantwortlich seien. Da sei sehr deutlich geworden, auf welcher Grundlage die Ermittlungshypothesen erstellt worden seien, so die Richterin.

Der Polizei warf sie vor, nicht wirklich ermittelt, sondern in freundschaftlichen Gesprächen mit der Feuerwehrführung versucht zu haben, der Brandserie auf den Grund zu gehen. Dabei habe man viele andere Ermittlungsstränge außer Acht gelassen.

Jost folgte damit auch der Argumentation des Strafverteidigers Christian Freydank, der in seinem Plädoyer ebenfalls die Einseitigkeit der Ermittlungen beklagt hatte. Man habe sich von Beginn an auf seinen Mandanten eingeschossen und es versäumt, auch in andere Richtungen zu ermitteln. Alle Aussagen von Zeugen seien immer zulasten des jungen Feuerwehrmannes ausgelegt worden, sagte Freydank.

Keine Brandgutachten

Die Vorsitzende Richterin kritisierte zudem, dass nach den Bränden von der Polizei keinerlei Brandgutachten in Auftrag gegeben worden seien – selbst nach dem verheerenden Feuer auf dem Luisenhof nicht. Man wisse also auch nicht, ob die Brände etwa mithilfe von Grillanzündern gelegt worden seien. Brösel von diesem hatte man bei einer Hausdurchsuchung des Angeklagten im Fußraum von dessen Auto sowie in seiner Jackentasche gefunden. Dies hatte die Staatsanwaltschaft als einen der wichtigsten Belege für die Schuld des Angeklagten herangeführt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Eine Revision vor dem Bundesgerichtshof ist möglich. (Von Holger Weber-stoppacher)

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