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Brandserie in Neuberg unter der Lupe

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Von: Holger Weber-Stoppacher

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Der Brand auf dem Luisenhof war der Höhepunkt der Serie: Durch das Feuer wurden die Lagerhalle und rund 400 Heuballen vernichtet. Der Schaden wurde auf rund 400 000 Euro geschätzt. archiv
Der Brand auf dem Luisenhof war der Höhepunkt der Serie: Durch das Feuer wurden die Lagerhalle und rund 400 Heuballen vernichtet. Der Schaden wurde auf rund 400 000 Euro geschätzt. archiv © Holger Weber

Neuberg – Eine Serie von Bränden hielt im vergangenen Jahr die Neuberger Feuerwehr und die Bürger in Atem. 13-mal mussten die Einsatzkräfte aus Ravolzhausen und Rüdigheim zwischen dem 8. und 26. April ausrücken. Das letzte Feuer auf dem Luisenhof am 26. April, an einem Sonntagmorgen, war zugleich das verheerendste. Nur durch das beherzte Eingreifen der Inhaberfamilie konnten auf dem Pferdehof die Tiere in Sicherheit und eine größere Tragödie verhindert werden.

Bei dem Brand wurden eine Lagerhalle sowie rund 400 Heuballen komplett vernichtet. Der Schaden betrug etwa 400 000 Euro.

Seit vergangener Woche nun sitzt ein 19-jähriger Feuerwehrmann auf der Anklagebank des Jugendschöffengerichts in Hanau. Ihm werden zumindest vier der mutmaßlichen Brandstiftungen zur Last gelegt, unter anderem auch die auf dem Luisenhof. Der Angeklagte war dort noch während des Brandeinsatzes vor den Augen seiner Feuerwehrkameraden von der Polizei als dringend Tatverdächtiger verhaftet worden. Gegenüber Richter Markus Filbert bestritt er zum Auftakt der Verhandlung, die ihm zur Last gelegten Taten begangen zu haben. Zudem machte er von seinem Recht Gebrauch, zu den Vorwürfen zu schweigen.

Keinerlei Beweise vorgelegt

Am ersten von vier angesetzten Verhandlungstagen wurden noch keinerlei Beweise vorgelegt, die die Schuld des Angeklagten belegen. Auch gibt es nach bisherigem Stand des Prozesses keine eindeutigen Indikatoren für Brandstiftung in den zur Anzeige gebrachten Fällen. „Ich habe zumindest keine Kenntnis davon“, sagte der stellvertretende Gemeindebrandinspektor auf die Frage einer Schöffin. Neue Informationen darüber könnten die Einlassungen der ermittelnden Kriminalbeamten geben, die zu einem späteren Zeitpunkt im Zeugenstand aussagen sollen.

Auffällig sind indes die Begleitumstände der Brände wie beispielsweise die Häufigkeit. Neuberg sei eine kleine Gemeinde, die Feuerwehr werde im Schnitt pro Jahr etwa 40-mal alarmiert. Wenn da sechs oder sieben Brände dabei seien, sei das schon viel. Dass innerhalb von so kurzer Zeit jedoch so viele Feuer gemeldet werden, sei nicht normal, sagte ein Mitglied der Einsatzabteilung aus.

Auch die Tatzeiten geben zu denken. Gebrannt hat es immer samstags oder sonntags oder im Anschluss an die wöchentliche Online-Konferenz, die die Neuberger Feuerwehrleute in der coronabedingten Lockdown-Phase statt physischer Treffen abzuhalten pflegten. Auffällig ist auch: Fast alle Brände wurden auf der Gemarkung Rüdigheim gemeldet. Nur zweimal musste die Wehren nach Ravolzhausen zum Anglerheim ausrücken. Einmal brannte dort ein Waldstück, einen Tag später, am 20. April, mussten die Einsatzkräfte den Schuppen des Anglerheims ablöschen. Dort hatte das Feuer von einem Stapel Balken auf das Dach des Gebäudes übergegriffen. Der Schaden lag bei 10 000 Euro. Dass das Feuer mutwillig gelegt wurde, liegt für ein Mitglied des Angelsportvereins auf der Hand: „Das waren dicke Konstruktionshölzer, die wir zum Bau eines Schuppens verwenden wollten. Die entzünden sich weder von selbst noch bringt man die mit einem Streichholz zum Brennen.“ Der Zeuge sagte zudem aus, den Angeklagten im Vorfeld öfters auf der Anlage des Angelsportvereins gesehen zu haben. Aber das, so räumte er ein, sei nichts Besonderes. Der idyllisch gelegene Platz am Ortsausgang nahe der Ortsumgehung von Neuberg werde oft von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt. Auch Fernfahrer vom nahegelegenen Autohof in Langenselbold verzehrten auf der Anlage zuweilen ihre Einkäufe aus dem Netto-Markt. „Gegen Besucher haben wir nichts, solange sie ihren Müll mitnehmen.“

Feuerwache unterbunden

Auch von einer Polizeistreife war der Angeklagte nach dem ersten Feuer auf der Anlage am Anglerheim angetroffen worden. Er habe morgens um kurz nach fünf in seinem Auto gesessen und Snacks dabei gehabt. Brandbeschleuniger oder anderes belastendes Material habe man jedoch nicht bei ihm gefunden. „Er machte den Eindruck, als ob er auf etwas wartete oder Wache schob“, berichtete der Polizeibeamte auf Frage von Richter Markus Filbert. Im späteren Verlauf der Sitzung wurde deutlich, dass der Angeklagte Teil einer kleinen Gruppe von Feuerwehrleuten war, die während der Brandserie nachts Patrouillenfahrten unternahmen. Diese wurden schließlich auf Anordnung der Neuberger Feuerwehrführung unterbunden.

Die Zeugenaussagen am ersten Verhandlungstag gaben einen Eindruck über die Gemütslage im Ort wider. Ein Landwirt, dessen Heuballen einem Feuer zum Opfer gefallen waren, berichtete, dass einige Bauern nachts vorsorglich die Landmaschinen aus den Schuppen fuhren, um sie im Falle eines Scheunenbrands in Sicherheit zu wissen. „Wir alle hatten in dieser Zeit die Antennen aufgerichtet“, so eine Geschädigte im Zeugenstand. Der Prozess wird fortgesetzt. (Von Holger Weber)

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