Neuberger Scout: Er weiß, wo es langgeht

Neuberg – Friedrich Lerch, ein echtes Rüdigheimer Urgestein, ist in vielerlei Hinsicht ein Ausnahmephänomen. Vor Kurzem wurde er in den Seniorenbeirat gewählt. Denn Friedel Lerch organisiert und begleitet seit über 20 Jahren Wanderungen für die Gemeinde, die nun im Auftrag des neu gewählten Beirats fortbestehen werden. Das Besondere: In wenigen Wochen feiert Friedel Lerch seinen 89.
Geburtstag.
„Die Wanderungen machen mir einfach Spaß“, sagt der Senior. An der Wand hinter dem Esstisch hängen und stehen etliche Urkunden und Pokale, die von zahlreichen sportlichen Aktivitäten zeugen und an ein Wanderleben erinnern.
Über 40 Jahre ist es her, dass der Neuberger mit guten Freunden an seiner ersten Volkswanderung teilgenommen hat. Marathon- und Halbmarathonwanderungen ist Lerch gelaufen, rund um Limeshain oder Ranstadt zum Beispiel. Fest im Kalender standen über viele Jahre Karfreitags-Wanderungen im Vogelsberg und etliche Nachtwanderungen. Schon vor dieser Wanderzeit mit den Vereinsfreunden der „Qualmenden Socken“ aus Gelnhain ging es mit den eigenen Kindern und befreundeten Familien hinaus in Wald und Feld zum Sonntagsspaziergang. Seit mehr als 20 Jahren bietet der topfitte Senior geführte Wanderungen für Gemeinde Neuberg an.
Eigentlich wollte er mit 80 aufhören
„Eigentlich wollte ich ja mit 80 aufhören, aber keiner will´s weitermachen.“ Dass er selbst in seinem hohen Alter noch Touren im Vogelsberg, im Spessart oder der Wetterau von zehn bis 15 Kilometer bewältigt, das führt er auf seine „guten Gene“ zurück. „Wahrscheinlich habe meine gute Konstitution von mei-nen Großvater geerbt. Der ist 1944 im Alter von 82 Jahren gestorben – und das war damals steinalt.“ Monat für Monat organisiert Friedrich Lerch unverdrossen und mit Elan seine Touren frei nach dem Motto: Nach der Wanderung ist vor der Wanderung. Etwa vier Wochen vorher plant er die nächste Tour. „Zuerst muss ich die Gaststätte buchen. Wir brauchen ein Gasthaus mit Mittagstisch, danach wähle ich die Route aus.“ 26 Adressen hat der Wanderprofi mittlerweile in seinem Smartphone gespeichert. Mit der neuen Technik und den sozialen Medien kommt er gut zurecht. Ein lustiges Kurzvideo zum Thema Wandern ist schnell zur Hand. „Ohne Handy und Computer könnte ich das gar nicht mehr machen.“
Kaum jemand hätte ihm vor 15 Jahren zugetraut, dass er sich diese Kenntnisse aneignen und souverän mit einem PC arbeiten würde. Lerch erstellt die Wanderroute mit Zeitplan und Treffpunkt, verschickt sie per Mail und druckt Fotokopien für die Gemeinde aus. Außerdem sorgt er dafür, dass die Wanderung in der Zeitung angekündigt wird. „Außerdem bekomme ich die Speisekarte vorab. Die Teilnehmer suchen sich im Vorfeld ihr Gericht aus, und so ist das Essen schon fertig, wenn wir mittags einkehren.“ Jede Wanderung wird mit Bild und Text dokumentiert und regelmäßig auch im HANAUER veröffentlicht.
Zwischen 20 und 25 Teilnehmer genießen einmal im Monat die perfekt geplanten Wanderungen des Neubergers. „Da unterhalten sich Menschen, die sich vorher noch nie gesehen haben. Alle, die Lust haben zum Wandern, sind herzlich willkommen.“
Die Touren starten zum Beispiel in Kahl, in Bruchköbel oder im Vogelsberg, sie gehen rund um den Kinzigsee oder zum Hoherodskopf. Oft bleiben von einer Wanderung besondere Erlebnisse in Erinnerung.
Schöne Grillfeste am Kinzigsee
Auf einer Januarwanderung tauchten nach einem Schneegestöber plötzlich zwölf Störche auf einer Wiese nahe Altenstadt auf. Auch schöne Grillfeste am Kinzigsee wurden schon gefeiert. Nur einmal habe er eine Wanderung abbrechen und umdrehen müssen. Friedrich Lerch hatte eine Waldtour geplant, als ein Unwetter mit heftigen Windböen aufkam.
Der Senior ist auch in anderen Bereichen erfahren und „bewandert“. Gewächshaus und Garten mit Blumenwiese wollen gepflegt werden und auch im Haus ist immer et-was zu tun: Dachfenster ab-dichten zum Beispiel oder Brot backen. Für den Verein Polizeisozialhilfe Hessen e. V. klärt der Rüdigheimer als zertifizierter Sicherheitsberater für Seniorinnen und Senioren ältere Menschen auf. Dabei geht um die sogenannten „Enkeltricks“, mit denen Betrüger leider immer wieder erfolgreich sind oder auch um handfeste Dinge wie Tür- und Fensterverriegelungen. Da Friedrich Lerch über einen langen Zeitraum als „Mädchen für alles“ für Haustechnik und Sicherheit im Polizeigebäude am Hanauer Freiheitsplatz zuständig war, ist ihm dieses Thema durchaus vertraut.
Gestartet in seine berufliche Laufbahn ist er mit einer Schreinerlehre, da war er keine 14 Jahre alt. „In einem Drei-Mann-Betrieb mussten alle anpacken und schleppen. Zuerst habe ich nur Treppen gebaut, später Dachstühle für die Siedlungen der Amerikaner. 144 Sparren für ein Gebäude, das weiß ich noch heute. Alles musste mit der Hand gemacht werden.“ In seinem Leben, so Lerch, habe er vieles neu gelernt und er lerne heute noch dazu.
Seinen 89. Geburtstag wird er wohl eine Woche später feiern. Denn genau an diesem Tag wird der älteste Urenkel konfirmiert. Und das, sagt er, hat Vorrang. (Von Ulrike Pongratz)