Dr. Carola Pritzkow ist Nidderaus neue Klimaschutzmanagerin

Ob es eine süße Birne war, die schon im Kindesalter das Interesse von Dr. Carola Pritzkow für Bäume geweckt hat? Eine Birne, wie sie der alte Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland den Kindern im Gedicht in die Hand drückt? Jedenfalls ist die 35-Jährige dort, in der brandenburgischen Stadt Nauen, zu der auch der Ortsteil Ribbeck gehört, mit zwei Geschwistern aufgewachsen. „Wie bei Dorfkindern üblich, war ich viel draußen und habe mich für die Natur begeistert“, berichtet die neue Klimaschutzmanagerin der Stadt Nidderau.
Nidderau – Nach und nach kam zur Begeisterung die Neugierde hinzu. Was beeinflusst das Pflanzenwachstum? Wie ist die Erdoberfläche beschaffen? Und schließlich: Wie kommen Baumarten mit Trockenheit zurecht?
Und so fasste Pritzkow nach ihrem Bachelor an der Freien Universität Berlin und ihrem Master an der Uni Potsdam gemeinsam mit ihrem Partner den Entschluss, nach Australien zu gehen, um dort in entsprechendem klimatischen Umfeld ihren Doktor in Pflanzenphysiologie zu machen. Dass sie ihre Kenntnisse über Trockenstress-resistente Baumarten sieben Jahre später auch bei einer groß angelegten Pflanzaktion einbringen könnte, wie Mitte März im Nidderauer Stadtwald, hatte sie damals nicht auf dem Schirm.
Die promovierte Pflanzenexpertin ist ein Neuling in Hessen
Zumal sie bis vor einem Jahr von Nidderau noch nie etwas gehört hatte. „Ich war zuvor tatsächlich noch nie in Hessen“, gesteht die Brandenburgerin mit ihrem entwaffnenden Lächeln. „Aber nach sieben Jahren Forschungsarbeit in Australien wuchs angesichts der dramatischen Auswirkungen des Klimawandels zunehmend bei mir der Wunsch, mein Wissen einzubringen und praxisbezogen zu arbeiten. Ich wollte gern konkret etwas unternehmen.“
Die Sehnsucht nach der Familie im strikten australischen Corona-Lockdown tat ihr Übriges, und so kehrte das Paar im Mai 2021 wieder nach Deutschland zurück. Und da ihr Mann eine Stelle als Biochemiker am Uniklinikum in Frankfurt fand, kam der promovierten Pflanzenexpertin die Aufgabe als Klimaschutzmanagerin in Nidderau gerade recht.
Bund fördert Stelle bei der Stadt Nidderau
„Die Stadt liegt im Grünen, ist aber verkehrstechnisch sehr gut angeschlossen“, stellt Pritzkow fest, die von ihrem neuen Wohnort Bad Vilbel aus mit der Niddertalbahn zur Arbeit kommt. Was ihr bei ihren Erkundungstouren mit dem Fahrrad durch die reizvolle Landschaft der südlichen Wetterau jedoch ebenfalls auffällt, sind die abgestorbenen Fichtenbestände in den Wäldern und die zum Teil vernachlässigten Streuobstwiesen.
„Beim Thema Klima hängt alles mit allem zusammen“, erklärt Pritzkow. „Wenn man sieht, wie die Temperaturen steigen und sich die Umwelt verändert, liegt es auf der Hand, dass es enorm wichtig ist, jetzt zu handeln.“
Dass kleine und mittlere Kommunen oft keine personellen Kapazitäten haben, um ausführliche Statistiken und Berichte für die Beantragung von Fördermitteln zu verfassen, kann Pritzkow nach ihren ersten drei Monaten im Amt gut verstehen. Aber eben dafür gebe es ja die Möglichkeit, in der Verwaltung die Stelle eines Klimaschutzmanagers einzurichten, die in ihrem Fall in den ersten Jahren zu 100 Prozent vom Bund gefördert werde.
Enge Zusammenarbeit bei der Reduktion von Treibhausgasen
„Klimaschutz zielt in allen Aspekten nur auf eine Sache ab: den Ausstoß von CO2 zu senken.“ Die geopolitische Situation, die sich im Ukraine-Krieg in dramatischer Weise offenbare, zeige den Handlungsbedarf zusätzlich auf. „Mein Papa in Nauen ist Heizungsmonteur. Täglich rufen Kunden bei ihm an und fragen, was sie angesichts der hohen Ölpreise machen sollen.“
In diesem ökonomischen Anreiz liegt eine Chance für einen schneller Wandel hin zu klimaneutraler Energie. „Meine Aufgabe in den ersten beiden Jahren wird deshalb sein, Daten zu erheben, welche Sektoren in Nidderau wie viel Energie verbrauchen. Auf Grundlage dieser Treibhausgasbilanz können wir gezielt ein Konzept erarbeiten, wo wir am besten ansetzen können.“
Mit der Ovag als Stromversorger und der Deutschen Bahn als Verkehrsträger habe sie bereits Kontakt aufgenommen. Beim Individualverkehr, der aufgrund der Verbrennungsmotoren oft der größte Emittent von Treibhausgasen sei, müsse sie sich wohl auf Hochrechnungen stützen. Auch von Unternehmen, Gewerbetreibenden und Privathaushalten will sie möglichst exakte Energiedaten erheben. Und natürlich von den städtischen Gebäuden. Dabei will Pritzkow eng mit den Kollegen der Liegenschaftsverwaltung, der Wirtschaftsförderung, der Stadtwerke und natürlich im Umwelt- und Verkehrsamt zusammenarbeiten.
Kostenloses Informationsangebot für Bürger in Planung
„Das heißt aber nicht, dass wir ansonsten zwei Jahre lang Däumchen drehen“, betont Pritzkow. Natürlich liege es in Hessens „sonnenreichster Kommune“ auf der Hand, zum Beispiel das Potenzial der Photovoltaik auszuschöpfen. Doch Bürger und Unternehmen scheuten oft vor den umfassenden Förderanträgen zurück. Von ihrem Bruder, der in Nauen gerade eine PV-Anlage installiert habe, erfahre sie gerade wieder aus erster Hand, wie kompliziert die Thematik mit EEG-Förderung und Gewerbesteuerpflicht ab einem gewissen Ertrag sei.
„Das muss einfacher werden. Deshalb wollen wir nach den Sommerferien in Zusammenarbeit mit der Landesenergieagentur und unabhängigen Energieberatern ein kostenloses Informationsangebot für die Bürger schaffen, bei dem der Berater vor Ort von oben bis unten durchs Haus geht und Maßnahmen sowie Fördermöglichkeiten aufzeigt.“
Zudem hofft Pritzkow darauf, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen durch die neue Bundesregierung bessern werden. „Wir müssen den Menschen generell mehrere Möglichkeiten aufzeigen. Dabei ist immer auch der Nutzen abzuwägen. Klimaschutz muss attraktiv sein. Gegen den Willen der Menschen wird es nicht funktionieren.“ (Jan-Otto Weber)