1. Startseite
  2. Region
  3. Main-Kinzig-Kreis
  4. Nidderau

Nidderau: Brieftaubenverein „Gut Flug“ Ostheim begeht sein 75-jähriges Bestehen

Erstellt:

Kommentare

In elf Jahren 105 Preise erflogen: Vorsitzender Paul Kurek (links) und Vorstandssprecher Joachim Peter mit dem vielfach erfolgreichen Täuberich von Ehrenmitglied Erwin Barget.
In elf Jahren 105 Preise erflogen: Vorsitzender Paul Kurek (links) und Vorstandssprecher Joachim Peter mit dem vielfach erfolgreichen Täuberich von Ehrenmitglied Erwin Barget. © Thomas Seifert

Seit der Antike beförderten Brieftauben Nachrichten für den Menschen. In der Neuzeit fanden sie zunächst überwiegend für militärische Zwecke Verwendung. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Taubenpost fast völlig von modernen Telekommunikationsmitteln verdrängt.

Nidderau – In Ostheim jedoch pflegen die Mitglieder des Vereins „Gut Flug“ noch die Tradition der Brieftaubenzucht. Und das nun seit 75 Jahren. „Es ist wie eine Sucht, wer einmal damit angefangen hat, der hört so schnell nicht damit auf“, stellen der Vorsitzende Paul Kurek und Vorstandssprecher Joachim Peter unisono fest. Obwohl Letzterer dieses Hobby vor vielen Jahren an den Nagel gehängt hat, „weil es sich mit meinem Beruf als Amtsleiter beim Main-Kinzig-Kreis nicht mehr zeitlich vereinbaren ließ“.

Peter blieb aber weiterhin Mitglied im Verein. „Mein bester Mann“, lobt Kurek. Das Vorstandsmitglied hat sich als Organisator der weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannten „Wimpelschau“ einen Namen im Kreis der Brieftaubenfreunde gemacht.

Der Verein wurde im September 1947 gegründet, zählte in besten Zeiten 22 aktive Züchter und versucht, heute mit noch sieben aktiven Brieftaubenfreunden und vier passiven Mitgliedern dieses Hobby am Leben zu erhalten. „In Ostpreußen, wo ich geboren wurde, und im Ruhrgebiet, gab es in jedem zweiten Haus einen Taubenschlag. Heute ist es fast unmöglich, Nachwuchs zu finden. Es sei denn, die Vögel werden in der Familie weitergegeben“, bedauert Paul Kurek.

Nachwuchssuche ist schwierig

Sein „bester Mann“ hat mit fünf Jahren vom Vater die erste Taube geschenkt bekommen und die Brieftaubenzucht bis zur beruflich bedingten Aufgabe mit „Leidenschaft“ betrieben. „Aus kleinsten Anfängen wurde der Schlag immer weiter vergrößert, bis schließlich ein Schuppen am Wohnhaus meiner Eltern und unserem jetzigen Zuhause komplett mit den Tauben belegt war“, schildert Peter.

Zum 50-jährigen Vereinsbestehen 1997 fand im Bürgerhaus Ostheim die letzte von 18 Wimpelschauen des Brieftaubenvereins „Gut Flug“ Ostheim statt. Joachim Peter (von links) ehrte den Sieger Hofacker im Beisein von Landrat Karl Eyerkaufer und Bürgermeister Gerhard Schultheiß.
Zum 50-jährigen Vereinsbestehen 1997 fand im Bürgerhaus Ostheim die letzte von 18 Wimpelschauen des Brieftaubenvereins „Gut Flug“ Ostheim statt. Joachim Peter (von links) ehrte den Sieger Hofacker im Beisein von Landrat Karl Eyerkaufer und Bürgermeister Gerhard Schultheiß. © Repro: Thomas Seifert

Die große Zeit von „Gut Flug“ Ostheim endete mit dem 50. Geburtstag und der letzten von 18 „Wimpelschauen“. Dort wurden jeweils mehrere hundert Brieftauben präsentiert und prämiert. „Das war schon eine Mammutaufgabe für die damals noch 35 Mitglieder, 14 davon aktive Züchter. Denn die Vögel waren zu jenen Zeiten schon einiges Wert, und manches Mitglied hat die Nächte auf der Luftmatratze in der inzwischen abgerissenen Schulturnhalle und später im Bürgerhaus als Nachtwache verbracht“, blickt Joachim Peter zurück.

Beliebt war die Schau nicht nur wegen der Zahl der präsentierten „preisgeflogenen“ Vögel, also Tauben, die bei Rennen gepunktet hatten, sondern auch, weil dort auf die Schönheit der Tiere von den Preisrichtern genau geschaut wurde. Zudem gab es für die Züchter die Möglichkeit zum Tausch oder zum Kauf und Verkauf der Tiere. Nicht zuletzt wollten die Teilnehmer auch die ungewöhnliche Trophäe mit nach Hause nehmen, denn der Siegerwimpel war immer von Hand gestickt.

Teuerste Brieftaube für 1,2 Millionen Euro

Wenn man von Brieftauben spricht, kommt man ums Geld nicht herum. „Der höchste Preis, der jemals für einen Vogel bezahlt wurde, waren 1,2 Millionen Euro, den ein chinesischer Züchter auf den Tisch gelegt hat“, berichtet Kurek.

„Gängige Preise für das ‘Rennpferd des kleinen Mannes’ liegen für Jungtauben zwischen 300 und 1500 Euro. Billig ist die Brieftaubenzucht nicht, denn auch die Einrichtung des Taubenschlags, das Futter, notfalls ein Tierarzt und die technische Ausstattung für die Wettflüge summieren sich“, rechnete der 80-Jährige vor, der seit 1965 Mitglied ist und seit 1989 die Geschicke des Ostheimer Vereins leitet.

Sein „bestes Pferd im Stall“ ist ein vom 88-jährigen Erwin Barget übernommener Täuberich, den das Ehrenmitglied aus gesundheitlichen Gründen kürzlich seinem Vereinschef überlassen hat. Dieser „außergewöhnliche Vogel, den es so schnell nicht wieder geben wird“, fügt Peter hinzu, hat in elf Jahren 105 Preise erflogen.

Von Mai bis September ist „Reisesaison“

Brieftaubenzüchter ziehen ihre Vögel wegen der Wettflüge auf und nicht wegen deren Aussehen. „Bei den Brieftauben gibt es nur eine Rasse, die ist auf Schnelligkeit und Ausdauer getrimmt“, so Kurek. Zusammen mit Tieren anderer Vereine werden die Jung- und Alttauben mit Futter und Wasser versorgt in klimatisierten Lkw bis zu mehrere hundert Kilometer weit gefahren, meist in südöstlicher Richtung, vor allem nach Österreich. Dort werden sie dann „aufgelassen“.

Von Mai bis September ist „Reisesaison“, werden Wettflüge durchgeführt, und die Tauben, die mit einem Chip am Bein ausgerüstet sind, bei ihrer Rückkehr am Schlag elektronisch erfasst.

Mit solch einem Kasten wurden in der Zeit vor der elektronischen Erfassung die von den Wettflügen heimkehrenden Tauben registriert.
Mit solch einem Kasten wurden in der Zeit vor der elektronischen Erfassung die von den Wettflügen heimkehrenden Tauben registriert. © Thomas Seifert

„Früher mussten die Vögel händisch mit einer komplizierten Vorrichtung und einer speziellen Box unter gegenseitiger Aufsicht anderer Züchter registriert werden, wenn sie nach dem Flug im Schlag gelandet sind. Das war sehr aufwändig. Und das schönste Erlebnis, die Vögel dabei zu beobachten, wie sie über dem Haus kreisen und dann im Sturzflug zur Landung ansetzen, gab es nur bei der ersten Taube. Dann war man mit der Auswertung der nachfolgenden Vögel vollauf beschäftigt“, berichtet Paul Kurek. „Heute sitze ich im Liegestuhl und schau zu, wie eine nach der anderen Taube zum Schlag zurückkommt. Die moderne Technik macht es möglich.“

Während eine Alttaube im Schnitt fünf Jahre mehrmals im Jahr auf Wettflüge geschickt wird, müssen die Jungtauben erst einmal vier bis sechs Wochen um den Schlag herumfliegen, um den Orientierungssinn zu schärfen. „Ziehen“ wird dies in der Fachsprache genannt. Erst dann sind sie auch in der Lage, aus mehreren hundert Kilometern den Weg zurückzufinden.

„Entweder, man lässt gemischte Gruppen aus weiblichen und männlichen Vögeln fliegen, oder nur männliche. Die werden dann eine Woche vor Abflug von den Weibchen getrennt, die so genannte Witwerschaft. So setzt man einen zusätzlichen Anreiz, dass die Vögel alles geben, um schnell wieder im Schlag anzukommen“, beschreibt Peter einen Trick.

Die letzte große „Wimpelschau“ im Ostheimer Bürgerhaus fand anlässlich des 50-jährigen Vereinsbestehens im Jahr 1997 statt.
Die letzte große „Wimpelschau“ im Ostheimer Bürgerhaus fand anlässlich des 50-jährigen Vereinsbestehens im Jahr 1997 statt. © Repro: Thomas Seifert

Allerdings gibt es bei jedem Wettflug auch Verluste. Denn unvorhersehbare Wetterstürze oder Raubvögel können die bis zu hundert Kilometer schnellen Brieftauben dezimieren. Von November bis März ist dann Ruhe, die Tiere bleiben im Schlag.

„Ich hoffe, dass unsere Mitglieder noch einige Jahre diesem schönen Hobby nachgehen können“, blickt Paul Kurek in die Zukunft. „Allerdings ist die Zahl unserer Züchter mit Lothar Kliem, Dorin Babur, Hans Mehrling, Herbert Sauer, Manfred Lenhard, Bernhard Wörner und mir doch in den letzten Jahren geschrumpft.“ Und Joachim Peter ergänzt: „Sollte der Verein einmal nicht mehr bestehen, würde auch ein Stück Ostheimer Tradition verloren gehen.“ (Von Thomas Seifert)

Auch interessant

Kommentare