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Nidderau: Debatte um Brücke über die geschützte Aue in Heldenbergen

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Von: Jan-Otto Weber

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Eine „Schlangenbrücke“ für Fußgänger und Radfahrer soll die Neue Mitte und den Bahnhof verbinden.
Eine „Schlangenbrücke“ für Fußgänger und Radfahrer soll die Neue Mitte und den Bahnhof verbinden. © Planungsbüro „pronatour“

Es sind Sommerferien. Nicht nur die Schulen haben geschlossen, auch der kommunalpolitische Betrieb ruht. Dennoch wird ein Thema munter diskutiert: die sogenannte Nidder-Querung.

Nidderau – Die Idee, einen Weg von der Neuen Mitte durch das Auengebiet zwischen Heldenbergen und Windecken bis zum Bahnhof zu schaffen, wird bereits seit zwei Jahren in den Gremien diskutiert. Inzwischen liegt ein „Grobkonzept“ des Planungsbüros „pronatour“ vor, das derzeit von den übergeordneten Behörden geprüft wird. Wir haben einige Fragen und Antworten zum Thema zusammengestellt, um das Konzept und die Kritik daran vorzustellen.

Welches Ziel wird mit dem Konzept verfolgt?

Das Projekt soll das Landschaftsschutzgebiet, die Nidderaue zwischen der Feuerwehrhalle in Heldenbergen und der Willi-Salzmann-Halle in Windecken, aufwerten und beruhigen. Zum einen sollen die bestehenden Rundwege um die Aue befestigt werden, um Spaziergänger und Gassi-Geher zu leiten und aus den sensiblen Bereichen des Schutzgebiets herauszuhalten. Zum anderen soll zur Verbesserung der Nahmobilität eine Fuß- und Radwegbrücke über die Nidder und das Landschaftsschutzgebiet geführt werden, um eine Verbindung zwischen Neuer Mitte und Bertha-von-Suttner-Schule auf der einen mit dem Bahnhof und den Streuobstwiesen auf der anderen Seite zu schaffen.

Wo hat das Projekt seinen Ursprung?

Laut Erstem Stadtrat Rainer Vogel (Grüne) ist die direkte Anbindung des Bahnhofs ein jahrzehntealtes Vorhaben. Den Anstoß, die Nidder-Querung nun umzusetzen, gab die im Jahr 2018 beschlossene Flurbereinigung, die die Flächenbereitstellung für die Renaturierung, Querung und Beruhigung der Nidder ermöglichen soll. Im Flurbereinigungsbeschluss heißt es: „Um den Erhalt beziehungsweise die Erreichung eines guten ökologischen Zustandes der Nidder zu fördern, ist neben der Realisierung der Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie vorgesehen, Flächen für Uferrandstreifen entlang der Nidder bereit zu stellen mit der gleichzeitigen Berücksichtigung von Möglichkeiten zur Verbesserung der Agrarstruktur.“ Die Nidder soll einen mäandrierenden Verlauf erhalten.

Was sind die aktuellen Problemfelder im Landschaftsschutzgebiet?

Laut vorliegendem Grobkonzept gibt es aktuell einen „enormen Besucherdruck“ auf die Aue durch Erholungssuchende, Hundebesitzer und Schüler: „Zahlreiche Trampelpfade führen quer durch alle Teile des Landschaftsschutzgebietes und stören bzw. schneiden die Lebensräume.“ Freilaufende Hunde würden Bodenbrüter und andere Tiere stören und sorgten durch ihren Kot für einen erhöhten Nährstoffeintrag in die Nidder (Eutrophierung). Zudem seien die bestehenden Wegbeläge „für Radfahrer, Kinderwagen und Rollatoren großteils ungeeignet“, besonders bei feuchter Witterung.

Welche Maßnahmen sind außer der Brücke und der Wegebefestigung geplant?

Durch „Maßnahmen zur Umweltbildung“ (Infotafeln, interaktive Stationen, Thematische Rundwege, Aussichtspunkte, „Outdoor-Klassenzimmer“) soll in der Bevölkerung mehr Sensibilität und Akzeptanz für den Naturschatz vor der eigenen Haustüre geschaffen werden. „Die Renaturierung von Altarmen, die Extensivierung der Mahd, teilweise Beweidung mit Schafen, Rückbau/Blockierung von Trampelpfaden etc. tragen zu einem starken, artenreichen Ökosystem bei“, so das Konzept.

Was soll künftig für Hundehalter gelten?

Laut Konzept könnten eine oder zwei Hundewiesen entstehen: eine an der Willi-Salzmann-Halle zwischen Heldenberger Straße, Konrad-Adenauer-Allee und Nidder (8600 Quadratmeter) und bei Bedarf eine kleinere außerhalb des Landschaftsschutzgebietes auf der „Feldchenwiese“, an der Nidder neben dem Sportplatz in Windecken . Außerhalb der Hundewiese müssten Hunde an die Leine. Freilaufende Hunde in der Aue sollen nicht länger toleriert werden.

Wie soll die „Schlangebrücke“ realisiert werden?

Die etwa 250 Meter lange und drei bis vier Meter breite Fuß- und Radwegbrücke soll am Weg auf Höhe der Leichtathletikanlage hinter der Bertha-von-Suttner-Schule beginnen und auf der Bahnhofseite auf den verlängerten Breulweg stoßen. Dabei quert sie die Nidder und „schlängelt“ sich in zwei Bögen in etwa drei bis vier Metern Höhe über das Landschaftsschutzgebiet. Im Konzept ist von einer „leichten Metallkonstruktion“ die Rede. Neben den Brückenköpfen, die außerhalb des Landschaftsschutzgebiets liegen, geht Erster Stadtrat Rainer Vogel von etwa fünf Brücknpfeilern aus, die in der Aue auf Beton gegründet werden müssten. Als Ausgleichsmaßnahme könnte das Auengebiet um die „Feldchenwiese“ am Sportplatz Windecken erweitert werden und von einer „intensiven Nutzungsfläche zu einer Feuchtwiese im Überschwemmungsgebiet beziehungsweise zu einer mageren ‘Insektenwiese’ in höherliegenden, randlichen Flächen“ entwickelt werden.

Das Grobkonzept sieht vor, die Rundwege (grün) um die Aue von der Feuerwehrhalle in Heldenbergen (oberer Bildrand) bis zur Willi-Salzmann-Halle in Windecken (unten) zu befestigen, um so die Spaziergänger um die Aue zu leiten. Die Brücke ist blau eingezeichnet. Sie würde vom Weg hinter der Bertha-von-Suttner-Schule über die Nidder und das Landschaftsschutzgebiet zum Breulweg führen. Grafiken: Planungsbüro „pronatour“
Das Grobkonzept sieht vor, die Rundwege (grün) um die Aue von der Feuerwehrhalle in Heldenbergen (oberer Bildrand) bis zur Willi-Salzmann-Halle in Windecken (unten) zu befestigen, um so die Spaziergänger um die Aue zu leiten. Die Brücke ist blau eingezeichnet. Sie würde vom Weg hinter der Bertha-von-Suttner-Schule über die Nidder und das Landschaftsschutzgebiet zum Breulweg führen. © Planungsbüro „pronatour“

Was soll die Nidder-Querung kosten?

Die im Ausschuss vorgestellte Kostenschätzung der Verwaltung geht von 4,35 Millionen Euro Gesamtkosten aus. Die „Schlangenbrücke“ allein liegt demnach bei 1,8 bis 2,5 Millionen Euro. Laut Kämmerer Rainer Vogel (Grüne) prüft die Verwaltung gerade die Fördersätze, die bei 70 Prozent liegen könnten.

Welche Kritikpunkte gibt es?

Für die CDU ist die Nidder-Querung ein „Prestige-Projekt“. Sie geht nach jetzigem Stand von Kosten von mindestens 4,5 Millionen Euro aus. Nach Ansicht der CDU verstärkt das Projekt noch den Besucherdruck im Landschaftsschutzgebiet, führt zu Lichtverschmutzung durch die Brückenbeleuchtung und zu mehr Müll entlang der Brücke und in der Aue. Im Ausschuss hat sich die CDU enthalten.

Die Freien Wähler haben im Umweltausschuss zwar dem Verwaltungsauftrag zugestimmt, „das Konzept wie vorgestellt weiter zu verfolgen und bezüglich der Fördermöglichkeiten und Zuschusshöhen weiter zu konkretisieren“, teilen jedoch die grundsätzlichen Bedenken der CDU. „Der Nutzen für alle Bürger muss in einem gesunden Verhältnis zu den Kosten und dem Eingriff in die Natur stehen“, so die FWG in einer Mitteilung (siehe Infokasten).

Was sind die nächsten Schritte?

Zurzeit prüft die Untere Naturschutzbehörde das Vorhaben. Das Thema soll nach der Sommerpause wieder im Ausschuss aufgegriffen werden, wenn nähere Informationen, zum Beispiel zu Kosten und Fördermöglichkeiten vorliegen. Wie Erster Stadtrat Rainer Vogel unserer Zeitung sagte, würde er – die Genehmigung durch die Behörden vorausgesetzt – einen Beschluss noch in diesem Jahr begrüßen, um das Projekt noch in den nächsten Doppelhaushalt 2023/24 aufnehmen zu können.

FWG: „Querung ökologisch nicht vertretbar“

Die Freien Wähler begrüßen in einer Mitteilung ausdrücklich die Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie und die Renaturierung des Altarms oder die Uferrandstreifen im Grobkonzept zur Nidder-Querung. Zudem stehen sie zum Flurbereinigungsbeschluss aus dem Jahr 2018. Eine Querung der Nidderauen durch den Bau einer Fuß- und Radwegbrücke sehen sie jedoch als „ökologisch nicht vertretbar“ an.

Dem Beschluss im Umweltausschuss, dass die Verwaltung das Konzept wie vorgestellt weiter verfolgen und bezüglich der Fördermöglichkeiten und Zuschusshöhen konkretisieren soll, hatten sich die Freien Wähler angeschlossen. Aber: „Man realisiert sicherlich ein solches Projekt nicht nur, weil es bezuschusst wird, sondern der Nutzen für alle Bürger muss in einem gesunden Verhältnis zu den Kosten und dem Eingriff in die Natur stehen.“ Zudem sei es „schlicht nicht zulässig, baulich in ein Landschaftsschutzgebiet einzugreifen“, so die FWG mit Verweis auf die laufende Prüfung durch die Untere Naturschutzbehörde.

„Statt vereinzelten Gassigängern auf den Auenwiesen werden wir auf dem asphaltierten Rundweg eine Vielzahl von Radfahrern und Spaziergängern sehen“, vermuten die Freien Wähler. „Die angedachten umweltpädagogischen Maßnahmen werden sich als erhebliche Lärmquellen für die sie umgebende Natur erweisen.“ Das „Gassigänger-Problem“ werde mit einer Hundewiese weiterhin im Auengebiet und zudem mitten im ausgewiesenen Überschwemmungsgebiet lediglich verlagert.

„Kritisch zu sehen ist insbesondere die Fuß- und Radfahrerbrücke, deren ökologischer Nutzen für den öffentlichen Personennahverkehr überhaupt noch nicht untersucht wurde“, kritisieren die Freien Wähler. „Werden wirklich so viele Berufspendler auf den ÖPNV umsteigen, weil sie 700 Meter Fußweg sparen? Ohnehin sind die meisten mit dem Bus zum Bahnhof gekommen. Dazu kommt die Störung der Fauna bei Nacht durch die erforderliche Beleuchtung zur Verkehrssicherung“, so die FWG. Die Abwägung der Kosten und Nutzen für den Bürger und die Natur gelte es mit der nächsten Beratung im Ausschuss zu analysieren. (jow)

Von Jan-Otto Weber

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