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Nidderau: Der neue Grünen-Fraktionsvorsitzende Tim Koczkowiak erläutert seine Positionen

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Von: Jan-Otto Weber

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Ein Neuling an der Fraktionsspitze: Tim Koczkowiak (21) hat vor wenigen Wochen Gerrit Rippen bei den Grünen in der Stadtverordnetenversammlung abgelöst.
Ein Neuling an der Fraktionsspitze: Tim Koczkowiak (21) hat vor wenigen Wochen Gerrit Rippen bei den Grünen in der Stadtverordnetenversammlung abgelöst. © PM

Tim Koczkowiak ist Neuling in der Stadtverordnetenversammlung. Seit der Kommunalwahl im März 2021 gehört er der Fraktion der Grünen Nidderau an. Doch in diesen gut eineinhalb Jahren hat er bereits für Aufsehen gesorgt.

Nidderau – Nicht nur, dass er kürzlich den Fraktionsvorsitz von Gerrit Rippen übernommen hat, der aus persönlichen Gründen sein Mandat als Stadtverordneter niederlegte. Auch Koczkowiaks Vorschlag, auf dem historischen Marktplatz in Windecken nach dessen Sanierung ein Fontänenfeld anstelle eines Brunnens nach „klassischem“ Vorbild zu installieren, sorgte in den vergangenen Wochen für Aufregung.

Dass eine Online-Befragung der Verwaltung nun ein Bürgervotum für einen traditionellen Brunnen ergab, ist für ihn in Ordnung. „Im Endeffekt soll die Umgestaltung vor allem die Barrierefreiheit verbessern und die Attraktivität des Marktplatzes erhöhen“, erklärt der 21-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung. „Das Fontänenfeld sollte einen Beitrag zur Verbesserung des Mikroklimas auf dem Platz leisten, denn leider können aus Denkmalschutzgründen ja keine großen Bäume gepflanzt werden. Nun wird es eben ein Brunnen. Ich selbst habe als Kind am Marktplatzbrunnen Eis gegessen und mit Wasser gespritzt.“

Klimapolitik sozial gerecht gestalten

Nachhaltige Stadtentwicklung – wie diese gelingen kann, ist Gegenstand des Studiums der Humangeografie, das Koczkowiak im kommenden Jahr an der Frankfurter Goethe-Universität mit dem Bachelor abschließen will. Themen wie Klimaschutz und Gentrifizierung sind es auch, die ihn zur Bundestagswahl 2017 bewogen haben, Mitglied bei den Grünen zu werden. „Die Grünen waren damals noch die einzige Partei, die sich mit diesen Fragen ernsthaft befasst hat. Mittlerweile sind Klima- und Umweltschutz zu Querschnittsthemen geworden.“ Weil diese Themen alle Lebensbereiche betreffen, sieht Koczkowiak es als Aufgabe der Politik, diese „sozial-ökologische Transformation“, wie er es nennt, auch sozial gerecht zu gestalten. „Wir müssen die Bürger mitnehmen. Für die Kommunalpolitik bedeutet das konkret, dass beispielsweise erneuerbare Energien vor Ort weiter vorangetrieben werden müssen. Denn durch die Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen sinken die Nebenkosten, wodurch Wohnen für die Menschen günstiger wird.“

Nicht nur Solarenergie, die in Nidderau auf öffentlichen Gebäuden oder mit der geplanten Modul-Überdachung des Parkplatzes an Kino und Nidderbad gefördert wird, spielt in der oft zitierten „sonnenreichsten Kommune Hessens“ eine Rolle. Auch die Nahwärmeversorgung von Haushalten über die Ostheimer Biogasanlage, die Nutzung von Klärgas und Klärschlamm aus der Windecker Kläranlage als Brennstoff oder die Gewinnung von Erdwärme in Neubaugebieten sind für Koczkowiak mögliche Komponenten eines lokalen Energienetzes. Für Kommunen ab 20.000 Einwohnern sei ein solcher Wärmeplan ohnehin mittelfristig verpflichtend.

Weitere Stellen in Stadtverwaltung

Zusätzlich zur bereits bestehenden Stelle der Klimaschutzmanagerin sieht der neue Doppelhaushalt einen Energiemanager, der städtische Liegenschaften in den Blick nimmt, und einen Klimaanpassungsmanager vor, der sich darum kümmern soll, den Auswirkungen des Klimawandels vor Ort mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen. Also etwa die Folgen von Starkregenereignissen oder Hitzeperioden abzufedern. Sowohl die Personalstellen als auch die Maßnahmen würden größtenteils gefördert, erläutert Koczkowiak.

„Zwischen 1972 und 2012 hat sich der Wohnraumbedarf verdoppelt“, erklärt der 21-Jährige, der mit seiner jüngeren Schwester noch bei seinen Eltern in der Allee Süd wohnt. „Wir brauchen Wohnungen, die zum Lebensabschnitt passen. Mit den seniorengerechten Mehrfamilienhäusern in der Neuen Mitte ist das gut gelungen. Mit weniger Geschossen und kombiniert mit Gewerbe im Erdgeschoss für die Nahversorgung des Quartiers, ist dies auch in Neubaugebieten in den Stadtteilen denkbar, natürlich mit einem entsprechenden Anteil an bezahlbarem Wohnraum.“

Überrascht von Widerstand gegen Nidder-Querung

Klimaschutz mit Rücksicht auf soziale und ökonomische Faktoren, die Bürger mitnehmen – das hört sich gut an. Doch wie passt das mit den grünen Positionen bei aktuellen lokalen Themen wie der Nidder-Querung oder dem Bau von Kunstrasenplätzen zusammen?

Dass es beim Auenkonzept offenbar nicht gelungen sei, die ökologischen Vorteile der Brücke und deren Unabdingbarkeit für das Gesamtprojekt herauszustellen, sei bedauerlich, räumt Koczkowiak ein. Denn zurzeit gleiche das Landschaftsschutzgebiet zwischen Windecken und Heldenbergen einer großen Hundewiese.

„Das Konzept hat uns Grüne von Anfang an so überzeugt, dass wir nicht geglaubt haben, dass man dafür überhaupt noch groß werben muss.“ Der Widerstand aus der Bürgerschaft, ausgerechnet von Umweltaktivisten, kam deshalb überraschend.

Gegen Bürgerentscheid zu Brücke über Aue

Er selbst wisse als Gründungsmitglied der Hanauer Gruppe von Fridays for future und durch sein Engagement als Sprecher der Grünen Jugend Main-Kinzig, wie frustrierend es sein kann, wenn Projekte trotz Protests und berechtigter Einwände durchgezogen werden. Dass der Koalition nun aber vorgeworfen wird, das Projekt gegen den Bürgerwillen durchzudrücken, findet der neue Fraktionsvorsitzende unangemessen. „Die Initiatoren der Online-Petition hatten in den Gremien Rederecht, weitere Gesprächsangebote wurden aber abgelehnt. Mir fehlt das Konkrete, was wir hätten anders machen sollen. Man muss nicht bei jeder Frage einen Bürgerentscheid durchführen und die Entscheidung als gewählter Mandatsträger abgeben. Das ist das Wesen der parlamentarischen Demokratie.“

Bei der Frage der Kunstrasenplätze hingegen, herrscht zwischen Koalition und Opposition nach der jahrelangen Debatte um eine zentrale Sportanlage nun offenbar Übereinstimmung. Doch auch hier gibt es kritische Stimmen aus der Bürgerschaft, sogar vereinzelt aus den Reihen der Fußballvereine, die ja in erster Linie von neuen Kunstrasenplätzen in den Stadtteilen profitieren würden. Aber ist es angesichts der demografischen Entwicklung wirklich vertretbar, Millionen Euro überwiegend für eine einzelne Sportart zu investieren? Wann werden zum Beispiel die maroden Bürgerhäuser saniert, die von anderen Sport- und Kulturvereinen dringend benötigt werden?

Kein Freibrief für Bau von Kunstrasenplätzen

Der Antrag der Koalition unterscheide sich von den Anträgen der Opposition darin, dass kein Beschluss über einen sofortigen Bau gefasst worden sei, antwortet Koczkowiak. Vielmehr würden mit dem Verfahren die Notwendigkeit von Kunstrasenplätzen, die Priorisierung und die Rahmenbedingungen zur Nachhaltigkeit und zu Fördermitteln geprüft.

„Für ein solches Vorhaben erachte ich es als wichtig, dass nicht morgen die Bagger anrollen und anfangen, Kunstrasenplätze zu bauen, sondern dass das ‘Ob’ und ‘Wie’ der Sportplatzentwicklung mit Unterstützung unabhängiger Dritter geprüft wird“, erläutert der neue Grünen-Fraktionschef. „Dementsprechend muss ein Dialog stattfinden, in dem die Vereine auch die Gelegenheit haben werden, zu begründen, warum diese Weiterentwicklung der Sportstätten notwendig ist. Sollte dies glaubhaft geschehen, ist die Umsetzung der Projekte nur verständlich.“

Also doch kein Freibrief zum Bau von Kunstrasenplätzen. Ob die Oppositionsparteien den Koalitionsantrag ebenfalls so verstanden haben, dem sie in der Stadtverordnetensitzung am 1. Dezember zugestimmt haben, wird sich zeigen. Heute Abend in der Stadtverordnetenversammlung findet um 19.30 Uhr in der Willi-Salzmann-Halle Windecken die Abstimmung über den neuen Doppelhaushalt statt. (Von Jan-Otto Weber)

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