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Nidderau: Führung durch Altstadt in Windecken lockt 80 Interessierte an

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Historiker Erhard Bus konnte am Tag des offenen Denkmals zu seiner Altstadtführung in Windecken rund 80 Teilnehmer auf der Nidderbrücke begrüßen.
Historiker Erhard Bus konnte am Tag des offenen Denkmals zu seiner Altstadtführung in Windecken rund 80 Teilnehmer auf der Nidderbrücke begrüßen. © Jürgen W. Niehoff

Lag es am schönen Wetter oder am neuen Altstadtführer, dem Historiker Erhard Bus? Jedenfalls ist die Altstadtführung durch Windecken am Sonntag offensichtlich eine große Attraktion gewesen.

Nidderau – Mit so vielen Interessierten hat der Windecker Bus an diesem Nachmittag wohl selbst nicht gerechnet, denn angesichts von knapp 80 Personen verändert er kurzerhand die Rundgangstrecke. „Mit so vielen Leuten kommen wir doch gar nicht durch die engen Gassen“, begründet er die Abänderung.

Bus beginnt seine Führung auf der Nidderbrücke und weist sogleich darauf hin, dass dieses kleine Flüsschen schon beim Aufstieg zum Sitz der Herren von Hanau im 13. Jahrhundert aus strategischer Sicht von großer Bedeutung war und Windecken deswegen auch schon früh die Stadtrechte zugeteilt bekam. Den ersten Halt macht Bus am sogenannten Hexenturm am Schlossberg. Und schon ist er bei seiner an diesem Nachmittag immer wieder gestellten Frage nach dem „Sein und Schein“.

Windecken im Mittelalter mit strategisch bedeutender Lage

Dieses Motto des diesjährigen Tags des offenen Denkmals bezieht Bus auf Windecken – etwa angesichts der Reste des Windecker Schlosses und der engen Abhängigkeit einer ländlichen Gemeinschaft von einer Herrscherfamilie wie in diesem Falle der Herren von Hanau. Diese Adelsfamilie hatte um 1260 mit dem Bau der Burg begonnen und ihren Wohnsitz nach Windecken verlegt.

Der Ort lag an einem bedeutenden Handelsweg, zudem besaß er einen Berg direkt neben einem Flussübergang, auf dem das Schloss errichtet werden konnte. Bis zum Dreißigjährigen Krieg kletterte Windeckens Einwohnerzahl auf rund 900, was für damalige Verhältnisse recht respektabel war.

Zurück zum Hexenturm. Seine ursprüngliche Verwendung lässt sich heute nicht mehr klären. Sicher ist, dass hier etwa das eigentliche Burg- oder Schlossgelände begann. Seine Aufbauten hingegen können als Gefängniszelle oder aber auch als Teil der Burgkapelle gesehen werden. Für beides gibt es Hinweise.

200 Jahre lang Stammsitz der Grafen von Hanau

Mehr als 200 Jahre hat das Schloss der Grafenfamilie als Stammsitz gedient, deren Besitztümer sich von Schlüchtern bis Frankfurt-Bockenheim erstreckten. Ende des 15. Jahrhunderts zog sich die Grafenfamilie nach Hanau zurück. Im Dreißigjährigen Krieg zweimal zerstört, wurde die Anlage nach ihrem Wiederaufbau 1740 schließlich als Amtsgebäude genutzt.

Auf dem Weg zum jüdischen Viertel weist Bus immer wieder auf Besonderheiten hin. „Die enge Bauweise zeigt, dass schon damals in dem Ort keine Bauern, sondern vor allem Handwerker lebten.“ Waren es vor dem Dreißigjährigen Krieg hauptsächlich Stoffhändler, Metallverarbeiter und Berufe der Textilherstellung, so bestand nach dem Krieg kein Bedarf mehr für solche vermeintlichen Luxusgüter. Gefragt waren aufgrund der Lebensumstände mehr bauhandwerkliche Fähigkeiten, und so änderten sich auch die Berufe im Ort.

Von besonderer Bedeutung seien zu dieser Zeit auch die Standesrechte gewesen. Inhaber dieser Rechte waren zum einen männliche Bürger, die über Ansehen und finanzielle Mittel verfügten. Zum anderen Bürgerfrauen, die aber aufgrund ihres Geschlechts deutlich weniger Rechte beanspruchen durften. Und als dritte Kategorie der „Beisatz“. Das waren Zugezogene, die noch keine Bürgerechte besaßen und auch nicht genug Geld hatten, die Bürgerechte zu kaufen.

Jüdisches Viertel das älteste in der Grafschaft

Als vierte Kategorie gab es dann noch die Juden. Waren es in Windecken im Jahr 1429 gerade einmal sieben bis acht Familien, so wurden im Jahr 1632 bereits 28 Haushalte als jüdisch beschrieben. „Damit war fast jeder achte Einwohner Windeckens Jude“, rechnet Bus vor. Trotzdem treten auch im Windecker jüdischen Ghetto, dem ältesten in der Grafschaft Hanau, die Probleme des christlich-jüdischen Nebeneinanderlebens schon zu dieser Zeit zu Tage, denn das Miteinander war alles andere als harmonisch.

Da Juden keinen Immobilienbesitz erwerben durften und aufgrund ihres Glaubens auch nicht alle Berufe ausüben durften, lebten sie abgetrennt in einem kleinen Viertel, dessen Häuser sich alle im Besitz der Stadt Windecken befanden. Wie unbeliebt die Juden damals waren, zeigt im Jahr 1835 der Aufstand großer Teile der Bevölkerung, als den jüdischen Familien Holzdeputate zugeteilt werden sollten.

Weiterer Vortrag am 24. September

Auf das christlich-jüdische Zusammenleben will Historiker Bus am 24. September um 19 Uhr im evangelischen Gemeindehaus in Windecken näher eingehen. Im Rahmen des bundesweiten Programms „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ berichtet Bus dann auch über die ehemaligen israelitischen Gemeinden in Heldenbergen und Windecken.

Dem Motto des Denkmaltags „Sein und Schein“ entsprechend, hebt Bus an der Ostheimer Straße, am Fuß der eindrucksvollen Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung, hervor, dass diese Mauern der Kleinstadt während der schrecklichsten Phase im Dreißigjährigen Krieg nur eine geringe und scheinbare Sicherheit geboten hatten.

Der Altstadtrundgang endete nach eineinhalb Stunden vorzeitig aus Zeitgründen am Marktplatz, denn an diesem Nachmittag stand noch eine weitere Führung durch das gut 500 Jahre alte Windecker Rathaus an. (Von Jürgen W. Niehoff)

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