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Nidderau: Historiker Bus befasst sich mit Wein als früherem Traditionsgetränk

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Von: Jan-Otto Weber

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„Die Naumburg bei Windecken“, gezeichnet vom Darmstädter Maler Carl Christian Köhler (1827 bis 1890) in einem Stahlstich von Louis Thümling, um 1850. Unterhalb des Schlosses erkennt man den Weinberg und davor ein Weinberghäuschen. Bis zum Dreißigjährigen Krieg war Traubenwein das Getränk Nummer eins in der Region. Der Aufstieg des Apfelweins begann erst später.
„Die Naumburg bei Windecken“, gezeichnet vom Darmstädter Maler Carl Christian Köhler (1827 bis 1890) in einem Stahlstich von Louis Thümling, um 1850. Unterhalb des Schlosses erkennt man den Weinberg und davor ein Weinberghäuschen. Bis zum Dreißigjährigen Krieg war Traubenwein das Getränk Nummer eins in der Region. Der Aufstieg des Apfelweins begann erst später. © Privat

Mehr als 550 Seiten umfasst der Teil des Manuskripts für die Windecker Chronik, die der Historiker Erhard Bus im Auftrag der Heimatfreunde Windecken verfasst hat. Immerhin 32 Seiten befassen sich mit der Agrarkultur und dem bäuerlichen Leben. Dabei, so vermutet Bus, dürfte nur einem kleineren Teil der Leserschaft bekannt sein, dass in der Windecker Gemarkung über viele Jahrhunderte großflächig Wein angebaut wurde.

Nidderau – In seinem Vortrag „Zur früheren Weinkultur in unserer Region“ am Freitag, 22. Juli, im Gemeindehaus Windecken wird der Autor einen unterhaltsamen Einblick in seine Forschungsergebnisse geben. Im Vorfeld gewährte der Windecker unserer Zeitung bereits einen exklusiven Einblick in seine Arbeit.

So sei entgegen der gängigen Meinung nicht der Apfelwein als das ursprüngliche Traditionsgetränk dieser Gegend anzusehen, sondern eben der Rebensaft. Schon Erasmus Alberus, Reformator, Dichter und Beobachter seiner Zeit, habe zur Mitte des 16. Jahrhunderts gewusst: „Viel guts Weins wechst im Hanauischen Land.“ Und mit den Worten „Die Grafschaft Hanau so eine der reichsten Grafschaften im Römischen Reich“, beginne Johann Hermann Dielhelm (1702 bis 1784), der Autor des Wetterauischen Geographus, im Jahr 1747 die Beschreibung unserer Heimat. „Dieses Land ist von einer ausnehmenden Fruchtbarkeit, indem darinnen nicht allein ein vortreflicher Weinwachs und Kornbau, sondern auch die edelsten Baum- und Garten-Früchte im Ueberfluß angetroffen werden.“

Region mit „schönem Garten“ vergleichbar

Georg Landau (1807 bis 1865), Archivar und Historiker aus Kassel, beschrieb laut Bus den Kreis Hanau im Jahr 1842 nahezu emphatisch mit den Worten: „Gottes reicher Segen ruht auf dem Boden des Kreises Hanau. Milder ist hier die Luft als in irgend einem andern Theile Kurhessens milder sogar als in weit südlichern Gegenden und die meisten Gemarkungen (…) sind mit einer seltenen Fruchtbarkeit ausgestattet. Der ganze Bezirk zwischen der Nidder und dem Main ist einem großen schönen Garten vergleichbar.“

Aus dem voluminösen Werk zur Geschichte der Stadt und Grafschaft Hanau zitiert Bus den Autor Ernst J. Zimmermann: „Das Getränk des Mittelalters war hierzulande der Wein und der Weintrunk gehörte zum Kaufabschluß, Dingen von Gesellen und Gesinde, wie auch zu den Ratsverhandlungen.“

Römer brachten Weinbau in die Region

Die lange Tradition des Weinbaus begann schon mit den Römern und wurde nach der Unterbrechung während der Völkerwanderungszeit nach der fränkischen Landnahme fortgesetzt. „In den nahen Orten Kaichen und Dortelweil fand man römische Gutshöfe, deren lange Kellerräume sich zur Weinlagerung eigneten“, so Bus. „Im Frühjahr 1994 sicherten Angehörige der Arbeitsgruppe Archäologie des Hanauer Geschichtsvereins zahlreiche Fundstücke. Dabei kamen in einer Abfallgrube in der mittlerweile bebauten Oberdorfelder Straße in Mittelbuchen unter anderem Abertausende Traubenkerne ans Licht. Dies lässt darauf schließen, dass sich eine Kelter oder etwas Ähnliches in der Nähe befand. Vermutlich stammen die Kerne aus dem 3. oder 4. Jahrhundert.“

Später dürften die Mönche in den östlich des Rheins neu gegründeten Klöstern, Abteien und Gemeinschaften maßgeblich zur Ausbreitung der Weinkultur beigetragen haben. „Wein war nicht zuletzt deswegen vonnöten, weil man zur Gestaltung des Abendmahlgottesdienstes selbstverständlich Messwein brauchte“, nennt Bus einen pragmatischen Grund.

Weinberge in Windecken und Ostheim urkundlich erwähnt

Auf kontinuierlichen Weinanbau während des gesamten Mittelalters in Windecken lasse der Inhalt einer Urkunde vom Oktober 1344 schließen, wie Bus in der Windecker Chronik festhält. In dem auf Latein verfassten Schriftstück schenkt Graf Ulrich II. von Hanau (1280 bis 1346) dem Kloster Arnsburg Weinberge in Windecken und Ostheim.

Alberus zählt die Besitzungen der unterschiedlichen Landesherren auf und erwähnt einige Orte in der Grafschaft Hanau-Münzenberg. In seiner Fabel „Von einem Müller und einem Esel“ geißelt der lutherische Pfarrer nicht nur die Völlerei der Mönche auf der Naumburg. Nebenbei gibt er noch einige aufschlussreiche Informationen zur Umgebung Erbstadts. Es heißt dort unter anderem: „Winnecken liegt zur rechten Hand / in einem feinen, fruchtbar’n Land.“

Weinsteuer war wichtige Einnahmequelle

Wichtige Quellen waren für Bus die Bürgermeister- und Weinmeisterrechnungen. Der älteste Beleg für den in Windecken ausgeschenkten und versteuerten Wein findet sich demnach in der Bürgermeisterrechnung des Jahres 1465/1466 unter den Ausgaben für die Burgmannen, denen die Stadt für ihre Dienste unter anderem einen Gulden Entlohnung aus dem eingenommenen Weinungeld, einer mittelalterlichen Umsatz- oder Verbrauchssteuer, zahlte. Gelagert und ausgegeben wurde der Wein zumeist in den städtischen Wirtshäusern „Zum Mohren“ und hauptsächlich „Zum rothen Löwen“ am Marktplatz, wobei Ersteres wegen Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg nahezu 100 Jahre außer Betrieb war. Die Stadt Windecken hatte das Vorkaufsrecht für den auf ihrem Gebiet erzeugten Wein.

Die mit dem Weinkonsum verbundenen Abgaben waren laut Bus ein wichtiger Bestandteil der Gemeindeeinnahmen. Der Weinausschank wurde in Windecken wie in anderen Orten der Grafschaft entweder ganz oder zum Teil in Eigenregie betrieben und vom Weinmeister überwacht. So erwirtschaftete die Stadt beispielsweise 1614 aus dem Weinausschank und -vertrieb einen Überschuss von etwas mehr als 635 Gulden. Zur Einordnung: Im Jahr 1624 betrugen die gesamten Einnahmen der Kommune 1004 Reichstaler, also gut 1500 Gulden. Ausgeschenkt wurden in diesem Jahr in den beiden Wirtshäusern mehr als 28 Fuder zwei Ohm 15 Viertel. „Das waren mehr als 25 500 Liter!“, hebt der Historiker hervor.

Bis zu den Verwüstungen der Landstriche im Dreißigjährigen Krieg war der zu Wein ausgebaute Rebensaft ein tägliches und gern auch in größeren Mengen genossenes Getränk aller Bevölkerungsschichten, denn er enthielt weniger Alkohol als heute und war hygienischer als das oft mit Bakterien und Keimen verseuchte Brunnenwasser, das öfter Krankheiten verursachte.

Verordnung gegen „unmäßigen Konsum“

Bier wurde natürlich ebenfalls gezecht, spielte aber – obwohl hin und wieder große Mengen davon konsumiert wurden – im Verhältnis zum Wein eher eine untergeordnete Rolle. Das Wort „Apfelwein“ ist dagegen in den Hochstädter Gemeinderechnungen des 16. und 17. Jahrhunderts nicht zu finden.

Dass aber auch der Wein mit Vorsicht zu genießen war, verschweigt Historiker Bus nicht. So habe schon Landgraf Philipp von Hessen (1504 bis 1567) Verordnungen gegen den unmäßigen Konsum von Alkohol erlassen. I

n seiner Polizeiverordnung von 1543 werden seine schlimmen Folgen plastisch beschrieben: „Nachdem man auch leyder vor Augen siehet daß die schendtliche Sünde und groß Laster des Vollsauffens so gar hat uberhandt genommen, auch man täglichs mit Sünde Schande und Schaden befindet, was Böses und Arges volgt als nemlich das die so sich sonst wol mit vertragen uneynig werden eynander schlagen und ermorden.“

Vortrag zum Weinbau

Historiker Erhard Bus hält am Freitag, 22. Juli, um 19 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus Windecken, Eugen-Kaiser-Straße 35, einen Powerpoint-Vortrag mit dem Titel „Zur früheren Weinkultur in unserer Region“, angereichert mit zahlreichen Abbildungen und Zitaten. (Von Jan-Otto Weber)

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