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Nidderau nimmt zahlreiche Maßnahmen zu Klima und Verkehr in Angriff

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Von: Jan-Otto Weber

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Die Bilder gingen um die Welt: Sogar US-Zeitungen druckten im Februar 2021 Fotos der Niddertalbahn, die über den von Hochwasser umgebenen Damm bei Eichen fährt. Der Verkehrssektor ist nach Ansicht von Experten ein Schlüssel, um Folgen des Klimawandels zu mildern.
Die Bilder gingen um die Welt: Sogar US-Zeitungen druckten im Februar 2021 Fotos der Niddertalbahn, die über den von Hochwasser umgebenen Damm bei Eichen fährt. Der Verkehrssektor ist nach Ansicht von Experten ein Schlüssel, um Folgen des Klimawandels zu mildern. © Archivfoto: Mike Bender

Klima, Umwelt, Verkehr – diese Themen beschäftigen Politiker und andere Akteure sowohl auf internationalen Gipfeltreffen als auch vor Ort in den Kommunen. Denn dort müssen die Maßnahmen von Verwaltungen und Bürgern letztendlich umgesetzt werden. In Nidderau ist zu diesen Themenfeldern einiges im Gange.

Nidderau – Wir haben uns mit dem Ersten Stadtrat, Umwelt- und Verkehrsdezernent Rainer Vogel (Grüne) und der städtischen Klimaschutzmanagerin Dr. Carola Pritzkow getroffen, um einen Überblick zu den Projekten zu geben.

Klimaschutzkonzept: Die Klimaschutzmanagerin Carola Pritzkow, seit Januar 2022 im Amt, hat ein Klimaschutzkonzept für die Stadt erarbeitet, in dem die lokale CO2-Bilanz, mögliche Maßnahmen zur Reduzierung klimaschädlicher Gase und Potenziale zur Energiegewinnung aufgeführt werden. Eingeflossen sind Ergebnisse einer Bürgerumfrage mit 300 Teilnehmern, von Workshops, Stellungnahmen der Fachbereiche im Rathaus und bundesweite Praxisbeispiele. Nach Vorstellung im Ausschuss wird das Konzept derzeit in den Fraktionen beraten. Als Hauptemittenten von CO2 in der Stadt wurden private Haushalte (40 Prozent) und der Verkehrssektor (30 Prozent) identifiziert. Zudem gibt es ein hohes Potenzial der Stadt zur Stromerzeugung.

Nidderaus Klimaschutzmanagerin Dr. Carola Pritzkow
Nidderaus Klimaschutzmanagerin Dr. Carola Pritzkow. © PM

Verkehr: In diesem Sektor sehen Vogel und Pritzkow den größten Handlungsspielraum für die Stadt. „Es wird schwer, treibhausgasneutral zu werden, ohne da ranzugehen“, sagt Pritzkow. Sie selbst wohnt in Bad Vilbel im dritten Stock eines Mehrfamilienhauses und pendelt mit dem Fahrrad oder der Niddertalbahn nach Nidderau. Für ein E-Bike oder Lastenrad hätte sie keinen Stellplatz in Hof, Keller oder auf der Straße. Wer sich ein Auto anschafft, müsse sich hingegen kaum Gedanken um Parkmöglichkeiten im öffentlichen Raum machen. Deshalb wäre für sie ein nahe liegender Ansatz, über die Ausgestaltung der Stellplatzsatzung nachzudenken, um strukturell die Bedingungen für den Radverkehr zu verbessern. Auch bei der Planung neuer Wohnquartiere müsse dies berücksichtigt werden. Eine andere Möglichkeit wäre, die öffentlichen Parkflächen im Stadtgebiet auf ihre Nutzung hin zu überprüfen und über Umwidmungen oder Parkgebühren nachzudenken, wo es sinnvoll ist. Zur Förderung der Elektromobilität sind laut Vogel im Stadtgebiet bereits 29 Ladepunkte installiert. Positive Anreize, das Auto stehen zu lassen, sollen über den stetigen Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs sowie des Radwegenetzes (siehe weiter unten) gesetzt werden.

Private Haushalte: Hier sind vor allem die Eigentümer selbst gefragt, wenn es um energetische Sanierungen geht. Die Stadt unterstützt mit kostenlosen Energieberatungen über die Landesenergieagentur und Vorträgen zum Thema.

Energieerzeugung: Im Rahmen des Klimaschutzkonzepts hat Pritzkow Potenziale für PV-Anlagen ermittelt. Die städtischen Liegenschaften sind weitgehend nachgerüstet. PV-Anlagen für das Rathaus und die Kita Eichen sind bestellt. Allein über Freiflächenphotovoltaik könnten rein rechnerisch 300 Prozent des Strombedarfs der Stadt in Nidderau selbst erzeugt werden. „Wir könnten dadurch einen wirtschaftlichen Mehrwert für die Stadt schaffen und eine unabhängige Stromversorgung sichern“, so Pritzkow. Eine geförderte Machbarkeitsstudie könnte Flächen hinsichtlich der Anschlussmöglichkeiten an das Stromnetz, der topografischen Eignung und Finanzierungsmodellen priorisieren. Der Regionale Flächennutzungsplan müsste dafür angepasst werden. Eine Option wären zum Beispiel Anlagen auf ökologisch und landwirtschaftlich weniger wertvollen Flächen entlang der Bahntrassen im Stadtgebiet.

Zur Effizienz erklärt Vogel: „Auf der Hälfte der Fläche, die für den Maisanbau für den Betrieb der Biogasanlage in Ostheim genutzt wird, könnte man über PV-Anlagen rechnerisch die gleiche Energie erzeugen.“ Hoffnungen setzt die Stadtverwaltung auch in die geplante Geothermieanlage für den Neubau der Kita Heldenbergen, die auch die bereits bestehende Kita Allee Mitte mitversorgen soll. Als Kommune mit mehr als 20.000 Einwohnern müsse Nidderau ohnehin eine kommunale Wärmeplanung entwickeln, so Erster Stadtrat Vogel. Die Geothermieanlage an der Kita Heldenbergen soll zum Pilotprojekt werden, um Erfahrungen über Abläufe und Daten zu sammeln. Dieses Know-how könnte auch privaten Hauseigentümern die Entscheidung für diese Energieform erleichtern. Für das geplante Baugebiet Mühlweide in Ostheim werde ebenfalls Geothermie geprüft.

Zusätzliche Stellen: Zur Ergänzung der Arbeit von Klimaschutzmanagerin Pritzkow und zur konkreten Umsetzung von Maßnahmen, hat die Stadt die Förderung (80 bis 90 Prozent der Kosten) zusätzlicher Stellen beantragt.

Klimaanpassungsmanager: Hitzesommer und Überschwemmungen sind nur zwei Beispiele des Klimawandels, auf die Kommunen reagieren müssen. Ein Klimaanpassungsmanager soll Gefahren durch Hitze auf städtischen Plätzen und in engen Lagen wie der Windecker Altstadt sowie durch Nidder-Hochwasser oder Starkregenereignisse identifizieren und entsprechende Maßnahmen dagegen entwickeln und umsetzen. Dazu gehört etwa die Berücksichtigung von Kaltluftschneisen bei der Stadtentwicklung oder der Erosionsschutz. Gemeinsam mit der Stadt Maintal und der Gemeinde Schöneck hat Nidderau bereits die Förderung einer Stadtklimaanalyse beantragt.

Energiemanager: Ziel des kommunalen Energiemanagements ist es, den Energieverbrauch in kommunalen Liegenschaften mit nicht-investiven und investiven Maßnahmen zu senken. Grundlage dafür ist die kontinuierliche Erfassung und Auswertung des Verbrauchs von Wärme, Strom und Wasser. Energiemanager bewerten Gebäude, Maschinen und Anlagen hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und beurteilen energietechnische Prozesse, um notwendige Investitionen abschätzen zu können. Sie schätzen den künftigen Energieverbrauch und schließen Verträge mit Energieversorgungsunternehmen ab.

Nidderaus Erster Stadtrat Rainer Vogel (Grüne)
Nidderaus Erster Stadtrat Rainer Vogel (Grüne) © PM

Nahverkehrsplan: Die Verkehrsbedürfnisse zu ermitteln und die jeweils passenden Verkehrsmittel auf Straße und Schiene miteinander zu verknüpfen, ist das Ziel des neuen Nahverkehrsplans (NVP), der von der Kreisverkehrsgesellschaft (KVG) Main-Kinzig mit ihren Partnern entwickelt wurde. Die Ergebnisse der Beteiligung von Bürgern (aus Nidderau haben über 60 Bürger teilgenommen) und Kommunen sind in den Entwurf eingeflossen, der nun wiederum den Städten und Gemeinden zur Stellungnahme vorliegt. Für Nidderau ergeben sich dadurch einige Verbesserungen, vor allem im  Busverkehr . Es soll eine Direktbuslinie zwischen dem Bahnhof Nidderau und Hammersbach- Langen-Bergheim eingerichtet werden, die zum Teil bis ins Gewerbegebiet Limes reicht, was für Berufspendler in beiden Richtungen interessant ist. Zudem soll die Einrichtung einer neuen Linie von Nidderau zur U-Bahn nach Frankfurt-Enkheim über Kilianstädten und Niederdorfelden geprüft werden. Ebenso geprüft werden soll eine bessere Anbindung von Erbstadt über Niddatal nach Friedberg. Die Stadt Nidderau regt weitere Verbesserungen an, etwa beim Service, der Beförderung der Grundschüler, der Verzahnung mit dem Stadtbusverkehr oder der Taktung der Nachtbusse. Die Stadtverordneten sollen in der Sitzung am 1. Juni die Stellungnahme beschließen.

Schienenverkehr: In unmittelbarer Verbindung zum Nahverkehrsplan steht die Entwicklung des Schienenverkehrs. Nidderau ist mit der Niddertalbahn und der Linie Hanau–Friedberg betroffen.

Niddertalbahn: Inzwischen liegt ein konkreter Plan für die Ausbaumaßnahmen vor. Ab 2028 sollen elektrifizierte Züge zwischen Bad Vilbel und Stockheim fahren, mit kürzeren Taktzeiten, höheren Geschwindigkeiten und einer um zehn Minuten verkürzten Fahrzeit zwischen Stockheim und Frankfurt.

Strecke Hanau–Friedberg (RB 49): Eine groß angelegte Studie bescheinigt der Strecke großes Potenzial. Auf der Teilstrecke Nidderau–Hanau sei in der Hauptverkehrszeit grundsätzlich ein 15-Minuten-Takt realisierbar. Eine Reaktivierung des stillgelegten Haltepunkts Erbstadt–Kaichen wird in Erwägung gezogen. Der Bau der Nordmainischen S-Bahn biete die Möglichkeit, sie über Hanau bis nach Nidderau fahren zu lassen. Eine Umsetzung wird allerdings viele Jahre dauern.

Bahnhof Heldenbergen: Wie Verkehrsdezernent Vogel berichtet, hat die Deutsche Bahn eine Machbarkeitsstudie beauftragt für den barrierefreien Umbau des Kreuzungsbahnhofs. Der letzte Anschub dazu sei der Ausbau der Niddertalbahn gewesen.

Bahnhof Ostheim: Hier ist man einen Schritt weiter. Nachdem die Stadt und der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) mit einer Studie in Vorleistung getreten waren, plant die Bahn nun eine Unterführung der Gleise und zwei barrierefreie Außenbahnsteige. Auf einen wartungsanfälligen Aufzug könnte damit verzichtet werden. Nach Haushaltsgenehmigung und Ausschreibung könnten die Arbeiten vonseiten der Stadt mit Förderung von Hessen Mobil im Herbst 2023 beginnen.

Radverkehr: Das Frankfurter Büro RV-K hat ein Radverkehrskonzept für den Main-Kinzig-Kreis entwickelt, das eine bessere regionale Vernetzung zwischen den Städten und Gemeinden zum Ziel hat. Die örtliche Umsetzung dieser Maßnahmen ist vonseiten der Stadt Nidderau im aktuellen Haushaltsplan budgetiert. Daran anknüpfend hat das Büro ein Nidderauer Radverkehrskonzept entworfen. Neben Ortsmitten und Bahnhöfen werden alle weiteren für den Radverkehr relevanten Ziele berücksichtigt. Dazu gehören auch Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeitstätten und touristische Ziele. Bei einem gemeinsamen Workshop Ende April hatten Bürger die Möglichkeit, den Entwurf zu diskutieren und weiter zu verbessern. Am Ende des Prozesses soll das Radverkehrskonzept beschlossen und die konkreten Maßnahmen und Empfehlungen zur weiteren Entwicklung des Radverkehrs in und um Nidderau umgesetzt werden. Aus Sicht der Verwaltung wäre auch die umstrittene „Nidder-Querung“ in Form einer Fuß- und Radwegbrücke ein wichtiger Baustein. Begleitend sollen die Bahnhöfe mit Abstellmöglichkeiten wie Fahrradboxen ausgestattet werden. (Von Jan-Otto Weber)

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