Nidderau: Sechstklässler lernen in einem Training, sich selbst zu behaupten

Sie geht aggressiv auf die Kinder zu, schreit sie an, kommt ihnen bewusst nahe und provoziert. Fragesätze wie „Hey Bitch, was hast du für einen Scheißpulli an?“ oder „Willst du Schaf sein oder Löwe?“ hört man oft in ihren Kursen. Doch um eines richtigzustellen: Annika Schmidt ist keine Provokateurin. Ihr Verhalten ist Teil ihrer Kursinhalte. Die gelernte Erzieherin ist selbst Mutter von zwei Kindern und bietet Kurse für Selbstbehauptung und Resilienz, gegen Mobbing und Konflikte sowie Beratung für Eltern, Lehrer und Pädagogen an. Plattformen sind Kindertagesstätten, Grundschulen und weiterführende Schulen.
Nidderau – Schmidt ist auch Kooperationspartner der Kurt-Schumacher-Schule in Windecken. Sie gibt offene Kurse für Kinder und Jugendliche und ist im Coaching-Bereich tätig. An diesem Tag gibt sie einen Kurs im Jugendzentrum Blauhaus in Windecken für die Schüler der Klasse 6d der Bertha-von-Suttner-Schule.
Die richtige Strategie gegen verletzende Worte
Die zwölfjährige Sarah erklärt, dass sie Schwachstellen an sich wahrgenommen habe, wie die, „dass ich empfindlich wirke, wenn jemand mich beleidigt“. Sie habe gelernt, wie sie sich abschirmen könne, damit sie nicht mehr emotional belastet oder traurig werde. Leon bestätigt, dass er ein sehr ruhiger und mutiger Mensch ist. Er sei nach dem Kurs bemüht, nun anders mit Konflikten umzugehen. Eysan hat der Kurs Spaß gemacht. Ob sie das Erlernte in Zukunft umsetzen kann, weiß sie nicht. Tom sagt, dass er sehr viele wichtige Dinge gelernt hat, wie etwa das Verhalten bei Beleidigungen. „Man sollte darauf nicht mit Gewalt antworten oder weggehen“, sagt er.
Aber was sollen die Kinder dann sonst tun? „Kinder bekommen vom Elternhaus oft die Strategie mit, dass sie sich mit Worten zur Wehr setzen und sich nichts gefallen lassen sollten“, sagt Annika Schmidt. Sie hingegen setze auf Ruhe und Entspannung. „Kinder, die geärgert werden, werden zunächst getestet, ob sie mutig oder schüchtern sind. Sie verlieren den Test, wenn sie auf die Wortspiele eingehen. Worte können verletzen, müssen es aber nicht, wenn ich es nicht zulasse“, sagt Schmidt. „Mobbing hört in dem Moment auf zu existieren, wenn man sich nicht mehr gemobbt fühlt.“
Mit mutiger Stimme und hoher Energie
Die Widerstandsfähigkeit bei einem Menschen sei der entscheidende Punkt, ob derjenige unter Mobbing leide oder nicht. Die Kurse seien so aufgebaut, dass sie Beleidigungen und Anpacken mit entsprechenden Strategien berücksichtigten. „Sage ganz klar, was du nicht willst, mit einer mutigen Stimme und hoher Energie“, rät Schmidt.
Worte wie „Bitch“ gehörten zum täglichen Jargon schon ab der Grundschule. Sie selbst nutzt diese Worte in ihren Kursen, um die Kinder zu erreichen und in deren Erlebniswelt so authentisch wie möglich einzutauchen. Sie sammelt die Begriffe mit den Kindern vorab. Diese sollen sich selbst offenbaren können. „Die Kinder möchten mit diesen Worten trainieren, reagieren aber sehr unterschiedlich darauf, auch mit Tränen in den Augen.“
Trainerin will Selbstbewusstein stärken
In diesen Momenten unterstützt Schmidt diese Kinder als Annika und nicht mehr in ihrer gespielten Rolle als Angreiferin Jessie. Schmidt möchte die Kinder in ihrem Selbstwertgefühl und in ihrem Selbstbewusstsein stärken. „Der allerwichtigste Mensch in deinem Leben bist du selbst. An sich selbst zu denken und gut für sich selbst zu sorgen wird in unserer Gesellschaft oft mit Egoismus verwechselt“, sagt Schmidt. Es sei wichtig, was man selbst über sich denke.
Kinder seien stark, gütig und wollten kooperieren, hätten nur oft keine guten Vorbilder, die ihre Gefühle ernst nähmen. Erwachsene sollten den Kindern ihre Gefühle nicht absprechen. Kinder spürten genau, ob man auf Augenhöhe auf sie zugehe und ob man sie ernst nehme. Es sei sinnvoll, mit Offenheit und Unvoreingenommenheit auf Kinder zuzugehen.

Alexander Frei, Jugendarbeiter der Kinder- und Jugendförderung der Stadt Nidderau, weiß wie wichtig solche Kurse für die Jugendlichen sind. „Gewaltbereitschaft ist bei den Jugendlichen an der Tagesordnung. Die Verrohung der Gesellschaft nimmt zu. Deswegen wird dieser Kurs in Kooperation mit der Schulsozialarbeit der Bertha-von-Suttner-Schule angeboten“, sagt Frei. Solche Kooperationen gebe es in letzter Zeit häufiger. „Es ist wichtig, sich zu vernetzen und zusammen ein Konzept für das große Ganze zu entwickeln.“
Dabei sollen die Kinder immer im Fokus stehen. „Es ist keine Schwäche, sich Hilfe zu holen, denn es gibt Experten für jeden Bereich“, betont Annika Schmidt. In ihre Arbeit lasse sie viel Persönlichkeitsentwicklung mit einfließen. Körperliche Gewalt allerdings falle nicht mehr in den Bereich Mobbing, sondern zähle als Körperverletzung. Auch hier ist spezielle Hilfe erforderlich.
„Mir liegt es am Herzen, Kinder stark zu machen“, bringt Schmidt ihre Motivation auf den Punkt. „Denn sie sind unsere Zukunft und sie brauchen uns.“ (Georgia Lori)