Nidderauer diskutieren bei Ortstermin über Umgestaltung des Marktplatzes Windecken

Die letzten Sonnenstrahlen fallen am Montagabend von der Eugen-Kaiser-Straße her auf den Windecker Marktplatz. Kinder spielen Rundlauf am abgedeckten Brunnen vor dem Alten Rathaus. Am Eiscafé herrscht für einen Märzabend reger Betrieb. Alle 18 Parkplätze auf dem historischen Platz sind belegt. Allein die durchfahrenden Autos stören die Abendstimmung.
Nidderau – Doch das wird sich bald ändern. Denn im Zuge der dringend notwendigen Sanierung des Abwasserkanals, der sich unterirdisch von der Friedrich-Ebert-Straße quer über den Marktplatz bis zur Eugen-Kaiser-Straße erstreckt, soll auch die Oberfläche neu geordnet und gestaltet werden. Um sich ein Bild zu machen, haben sich an diesem Abend die Mitglieder des Ausschusses für Stadtentwicklung, Infrastruktur und Klimaschutz und des Ortsbeirats Windecken sowie interessierter Bürger zum Ortstermin eingefunden.
Als erstes Thema drängt sich der künftige Pflasterbelag auf. Schließlich sind die Felder mit den ausgestellten Beton-Steinen an der Südseite nicht zu übersehen. Automatisch haben sich die insgesamt etwa 60 Teilnehmer an diesem Abend um die Musterflächen versammelt. Vorsorglich markiert die Leiterin der Stadtwerke Daniela Wißner mit weißer Kreide die Sorten, die bereits ausgeschlossen wurden. „Das anthrazit-farbene Pflaster wird im Sommer zu warm, das graue war dem Denkmalschutz zu trist“, erläutert Wißner.
Viele Argumente für und gegen Beton-Pflaster
In der folgenden Diskussion, an der sich mehrere Bürger beteiligen, werden zahlreiche Argumente ausgetauscht. Etwa, dass das aktuelle Natursteinpflaster keine 30 Jahre gehalten habe und auch nicht als historisch gelten könne. Zudem sei es teuer in der Anschaffung und Pflege. Beton-Pflaster könne unbegrenzt nachbestellt werden. Das neue Pflaster soll in einem möglichst einfachen Verband verlegt werden, damit es auch künftig nach Aufbrüchen durch Versorger einfach wieder geschlossen werden kann. Darüber hinaus muss es der Belastung des Lieferverkehrs, der Müllentsorger und von Rettungsfahrzeugen standhalten, soll barrierefrei und zu allen Jahreszeiten gut begehbar sein.

Zu den Kritikern der Pläne gehört an diesem Abend Professor Dr. Rüdiger Storost, der als Ingenieur in vergangenen Jahren öfter von der Stadtverwaltung zu Rate gezogen worden war. „In Siena hält das Natursteinpflaster seit Jahrhunderten. In Windecken wurde es seinerzeit fehlerhaft eingebaut und jahrelang nicht gepflegt“, so Storost. „Das passiert auch bei Beton-Pflaster, wie das Beispiel am Bahnhof zeigt. So ein Belag reflektiert zudem den Wert, den man dem Ensemble beimisst. Im Schönecker Schloss käme auch niemand auf die Idee, bei der Sanierung Laminat anstatt Parkett zu verlegen.“
Um ein Meinungsbild einzuholen, ruft Ausschussvorsitzender Helmut Brück (SPD) die Anwesenden schließlich zur „nicht rechtsverbindlichen“ Abstimmung über die ausgestellten Pflastersorten auf. Die überwiegende Mehrheit votiert dabei für den großformatigen und quadratischen Stein „frieda“ in der Farbe „Bernstein“.
Kritik an Verlegung des Brunnens
Kritik äußert Storost am Montagabend zudem daran, den Brunnen in die Mitte des Platzes zu versetzen – laut Planung im Übrigen etwa an die Stelle, wo derzeit die Pflastersteine ausgestellt sind. Aus Sicht der Verwaltung ist dies nötig, um eine sogenannte Schleppkurve für den Lkw-Verkehr um das Alte Rathaus herum zu ermöglichen. „Das Rathaus wird so durch eine sieben Meter breite Schneise vom Marktplatz abgeschnitten“, befindet der Ingenieur. „Feuerwehr, Müllabfuhr und Lieferverkehr kommen bisher auch am Brunnen vorbei.“ Eine andere Bürgerin meint, der Brunnen werde insbesondere von Kindern gern zum Spielen und als Sitzgelegenheit genutzt.
Dagegen betont Ortsvorsteher Heinz Homeyer (SPD), dass der Brunnen aus dem Jahr 1987 stamme und nicht historisch sei. Gemäß einem Gutachten sei er vor Ort in Beton gegossen und mit Sandsteinplatten in Mörtel verkleidet worden. „Viele Platten haben Risse und die Kanten sind abgebrochen. Man sollte überlegen, ob man sich die Kosten für den Versuch, den Brunnen zu versetzen, sparen sollte und gleich etwas Neues baut, das dem Ambiente des Platzes näher kommt.“ Für diese „persönliche Meinung“ erhält Homeyer nicht nur Applaus einiger Teilnehmer, sondern auch die Zustimmung von Stadtwerke-Leiterin Wißner.
Brunnen kann in seiner jetzigen Form wohl nicht erhalten bleiben
Homeyer spreche ihr „aus der Seele“, sagt sie bei der anschließenden Ausschuss-Sitzung in der Willi-Salzmann-Halle. Ob der Brunnen es heil überstehen würde, ihn durch Anheben mit einem Schwerlastkran in einem Stück zu versetzen, sei äußerst fraglich. „Schon durch den Versuch mit vorheriger Statikberechnung entstehen Kosten in fünfstelliger Höhe.“ Wie Erster Stadtrat Rainer Vogel (Grüne) ergänzt, sei der Brunnen sogar aus Sicht der Denkmalpfleger nicht unbedingt erhaltenswert.
Zur grundsätzlichen Frage, ob zusätzlich oder statt eines Brunnens ein Fontänenfeld mit Wasserspiel – ähnlich dem auf dem Stadtplatz in der Neuen Mitte – installiert werden soll, sind sich die Gremienmitglieder weitgehend einig: Die Möblierung solle minimal gehalten werden, um den Platz in seiner historischen Wirkung und in der Nutzung für Feste nicht zu sehr zu beeinträchtigen. Ein Brunnen reiche an dieser Stelle aus. Allein Grünen-Vertreter Tim Koczkowiak plädiert am Montagabend für ein Fontänenfeld, das sich in zunehmend heißen Sommern positiv auf das Mikroklima auswirke und den Platz kühle. „Denn leider fehlen ja Bäume.“

Tatsächlich ist eine Bepflanzung auf dem Marktplatz nur noch in Kübeln vorgesehen, wie Stadtwerke-Leiterin Wißner erklärt. Denn aufgrund der Vielzahl der unterirdischen Kanal- und Versorgungsleitungen, wären Baumstandorte nur in Sichtachse des Rathauses möglich gewesen, wo sie nicht nur dem Denkmalschutz, sondern auch dem künftigen Einbahnstraßenverkehr – vermutlich in Richtung Friedrich-Ebert-Straße – in die Quere gekommen wären.
Keine Bäume, Poller sehr aufwändig
Wie der Verkehr künftig gesteuert werden soll, sei eine politische Entscheidung, wie Bürgermeister Andreas Bär (SPD) betont. Zu beachten sei das Durchfahrtsrecht der Anwohner der Hausnummern 11 bis 13. „Versenkbare Poller sind eine charmante Idee“, so Wißner. „Aber sie erfordern erhebliche technische Voraussetzungen und sind wartungsanfällig.“
Eine Entscheidung fällt an diesem Abend noch nicht. Gremien und Verwaltung nehmen die „Meinungsbilder“ mit. Nun steht zunächst die Ausschreibung für den Kanalbau an, der ab Ende Mai von der Eugen-Kaiser-Straße her in insgesamt vier Bauabschnitten starten soll. Nachfolgend werden sukzessive Wasser-, Strom- und Internetleitungen verlegt. Allein die Gasleitung bleibt unangetastet. Wenn alles gut läuft, soll die Umgestaltung des Marktplatzes bis Mai 2023 abgeschlossen sein. Wobei Ausschussvorsitzender Brück am Montag feststellt: „Das ist sicher ein optimistischer Zeitplan.“ (Von Jan-Otto Weber)