Nidderauer Parteien gratulieren Lennard Oehl zum Gewinn des Direktmandats

Nidderau ist eine Stadt mit politisch engagierten Menschen. Nicht nur, dass die Wahlbeteiligung wie schon 2017 mit 81,78 Prozent deutlich über dem Mittel im Wahlkreis Hanau (74,55) und im Bund (76,6) liegt. Die Stadt hat zu dieser Bundestagswahl immerhin auch drei der neun Direktkandidaten im Bezirk 180 gestellt.
Nidderau – Deren Ergebnis fiel jedoch sehr unterschiedlich aus. Für Dr. Ralph Haußels (Basisdemokratische Partei) stimmten 1931 Wähler (1,56 Prozent). Der parteilose Dr. Peter Rehbein vereint 0,64 Prozent der Stimmen (794 Stimmen) auf sich.
Gewinner der Stunde jedoch ist Jan Lennard Oehl. Der Nidderauer Stadtverordnete erobert bei seiner ersten Kandidatur gegen die CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Katja Leikert aus Bruchköbel das Direktmandat im Wahlkreis 180. Während Leikert 7,6 Prozent der Erststimmen im Vergleich zu 2017 verlor (von 35,3 auf 27,7), was in etwa den Verlusten der CDU insgesamt entspricht, kam Oehl aus dem Stand auf 31,22 Prozent der Erststimmen. Sein Vorgänger Dr. Sascha Raabe hatte vor vier Jahren 30,43 Prozent der Erststimmen geholt.
Oehl mit Zweitstärkstem Ergebnis in Nidderau
Dabei konnte sich der 27-jährige Ostheimer Oehl auf seine Wähler in Nidderau verlassen. Hier gewann er 35,6 Prozent der Erststimmen, nur in Niederdorfelden waren es mehr (38,2). Leikert hingegen verlor in Nidderau neun Prozent der Erststimmen, schnitt hier mit 26,2 Prozent aber immer noch besser ab als etwa in Erlensee, Langenselbold oder Niederdorfelden.
Die Verluste bei den Zweitstimmen belaufen sich in Nidderau für die CDU auf acht Prozent, was dem Bundestrend entspricht. Etwas unter der bundesweiten Entwicklung gewinnt die SPD in Nidderau drei Prozent gegenüber 2017. Die Grünen können in Nidderau 6,1 Punkte auf 15,6 Prozent zulegen.
„Für eine Bundestagswahl ist es damit das bisher beste Ergebnis überhaupt“, bilanzieren die Nidderauer Grünen in einer Stellungnahme. „Wir liegen damit parteiintern über dem Bundestrend und, zusammen mit Maintal und Schöneck, im Main-Kinzig-Kreis vorn“, erklärt die Ortsverbandsvorsitzende Tanja Seelbach.
Grüne hatten sich mehr erhofft
Natürlich habe man sich nach den Umfrageergebnissen im Frühjahr noch mehr erhofft. Beachtlich sei aber, dass der Abstand zu den früheren „Volksparteien“ auch auf Bundesebene erheblich verkürzt werden konnte. „Deshalb erwarten wir jetzt auch eine angemessene Repräsentanz unseres wichtigsten Anliegens, Deutschland sozial, gerecht, klimaneutral zu machen in der nächsten Regierung“, sagt Fraktionsvorsitzender Gerrit Rippen.
Zudem gratulieren die Grünen Lennard Oehl „von ganzem Herzen zu seinem großen Erfolg“. „Wir freuen uns für unsere Koalitionspartner vor Ort. Toll, dass wieder ein Nidderauer die Anliegen der Stadt direkt in Berlin vertritt“, so Seelbach.
Über Wählerzuwachs in Nidderau freut sich auch die FDP, die seit der Kommunalwahl im März mit dem Stadtverordneten David Marohn im Kommunalparlament vertreten ist. Die Liberalen konnten in der Stadt sowohl bei Erststimmen (10,8 Prozent nach 5,8 Prozent in 2017) wie auch bei Zweitstimmen (13 Prozent nach 9,2 Prozent in 2017) zulegen. „Besonders erfreulich ist der hohe Zuspruch bei jungen Wählern“, findet der Nidderauer Parteivorsitzende Dieter Tien. „Liberale Politik ist gefragter denn je.“ Zudem gratuliert die Nidderauer FDP Lennard Oehl zum Einzug in den Bundestag. „Es ist gut, wenn wir in Zukunft einen direkten Ansprechpartner in Berlin haben.“
Freie Wähler versprechen sich nicht viel
Die Freien Wähler in Nidderau hingegen versprechen sich von dieser Verbindung nicht allzu viel. „Dass ein Nidderauer jetzt im Bundestag sitzt, ist zu begrüßen, Auswirkungen auf die hiesige Kommunalpolitik ergeben sich dadurch kaum und sind auch nicht zu erwarten“, meint die stellvertretende Parteivorsitzende Anette Abel. Für sie habe die Wahl gezeigt, dass in der Bevölkerung der Wille zu einer Veränderung vorhanden ist. Beachtenswert sei daher auch der Anteil der Stimmen, der diesmal auf die „Sonstigen“ entfalle.
„Es zeigt, dass die Bürger nach Alternativlösungen suchen“, schlussfolgert Abel. „Insgesamt hat sich aber auch gezeigt, dass Umweltpolitik zwar wichtig ist, auch in allen Parteien verankert, dass aber auch andere Themen wie Sozialpolitik, Bildung, Wirtschaft und Finanzen und Europa eine Rolle spielen und nicht vergessen werden dürfen.“
Dass die CDU auch in Nidderau entgegen dem Kommunalwahlergebnis so deutlich verloren hat, lässt für den Stadtverbandsvorsitzenden Otmar Wörner nur einen Schluss zu: „Dieses ernüchternde Ergebnis hat sich die Bundespartei klar selbst zuzuschreiben. Ich kann nicht so viele Fehler im Wahlkampf machen und dann erwarten, dass der Wähler das nicht bestraft.“
CDU: Die Menschen wollen einen Wechsel im Bund
Als Kommunalpolitiker freue er sich darüber, dass die Wähler die Arbeit vor Ort vor den Ereignissen auf der bundesweiten Bühne unterscheiden könnten. „Die Menschen wollen einfach einen Wechsel“, stellt Wörner fest. Zum Nidderauer Stadtverordneten Lennard Oehl, der nun in den Bundestag einzieht, könne er nicht viel sagen, so Wörner. „Ich kenne ihn persönlich zu wenig. Aber ich gratuliere ihm und freue mich für ihn als so jungen Mann. Vielleicht kann er in Berlin etwas für Nidderau bewegen.“

Davon ist die örtliche SPD natürlich überzeugt. „Vor mehr als einem Jahr, am 24. Juni 2020, hat die Nidderauer SPD einstimmig Lennard Oehl für die Bewerbung um das Bundestagsmandat im Wahlkreis 180 nominiert“, blicken die Sozialdemokraten in einer ersten Stellungnahme zurück. „Wir wussten allesamt, dass der Weg viel harte Arbeit bedeutet und nur im Dauerlauf zu bewältigen sein würde. Umso erfreuter sind wir, dass sich harte Arbeit auszahlt.“
Souverän habe Oehl das Direktmandat erringen können, meint der SPD-Ortsverband. Damit stelle Nidderau wieder einen eigenen Bundestagsabgeordneten nach Bernd Reuter, der von 1980 bis 2002 die Nidderauer Interessen zunächst in Bonn und später auch in Berlin vertrat. „Wir bedanken uns sehr für das entgegengebrachte Vertrauen und fühlen uns weiter verpflichtet: Mit einer guten Sachpolitik und einem Gespür für den Puls der Zeit arbeiten wir weiter für Nidderau und die Region. Jetzt auch mit Lennard Oehl als starkem Repräsentant in Berlin.“
Oehl will zunächst Stadtverordneter bleiben
Nach dem Gewinn des Direktmandats im Wahlkreis 180 bei der Bundestagswahl am Sonntag will Oehl sein Mandat als Stadtverordneter zunächst weiter ausüben. Dies teilt der Nidderauer SPD-Fraktions- und Parteivorsitzende Vinzenz Bailey am Dienstag mit.
„Wir wissen, dass die Berliner Sitzungswochen durchaus mit ortspolitischen Terminen im Konflikt stehen können“, schreibt Bailey. „Dennoch sind Lennard Oehl und ich als örtlicher Fraktionsvorsitzender uns einig, dass wir zunächst abwarten wollen, wie sich die Vereinbarung der beiden Mandate entwickelt, das gebietet auch der Respekt vor den Wählern bei der Kommunalwahl.“ (Jan-Otto Weber)