Nidderauer Stadtverordnete stimmen für Bürgerbegehren zum Auenkonzept am 2. Juli

Am 2. Juli können die Bürger Nidderaus über das Konzept für die Nidderaue abstimmen. Die Hauptfrage: Soll eine Brücke über das Landschaftsschutzgebiet zwischen Heldenbergen und Windecken gebaut werden oder nicht? Die aktuellen Schätzkosten dazu liegen noch nicht vor.
Nidderau – Zu Beginn der Sitzung am Donnerstagabend hat Stadtverordnetenvorsteher Jan Jakobi (SPD) an das Ermächtigungsgesetz erinnert, das auf den Tag genau vor 90 Jahren vom Deutschen Reichstag beschlossen wurde und de facto den Weg für Adolf Hitlers Regime frei machte. Jakobi mahnte zum fortwährenden Einsatz für Demokratie und dankte den Stadtverordneten für ihr ehrenamtliches Engagement. Doch auch diesmal erlebten die Zuschauer in der Mehrzweckhalle Erbstadt kein Glanzstück an Parlamentarismus (hier geht‘s zum Kommentar).
So gab es gleich mehrfach Anträge zur Geschäftsordnung, um Debatten abzubrechen und abzustimmen, zum Teil ohne dass alle Fraktionen die Chance hatten, sich zu äußern. Immerhin wurde ein Antrag zurückgezogen, für einen anderen gab es nachträglich eine Entschuldigung des Antragstellers. Doch neben den vielen persönlichen Scharmützeln zwischen den Fraktionen sowie Opposition und hauptamtlichem Magistrat, die dazu beitrugen, dass die Tagesordnung auch bis Sitzungsende nach 22.30 Uhr nicht abschließend behandelt werden konnte, gab es auch einige Sachdebatten.
Debatte um Abstimmung mit der Landtagswahl
So stimmten die Stadtverordneten für die Zulassung des Bürgerbegehrens „Rettet unsere Nidderaue! in Nidderau – Wir möchten die Wahl haben!“, das sich im Wesentlichen gegen die geplante Fuß- und Radwegbrücke über das Landschaftsschutzgebiet zwischen Heldenbergen und Windecken sowie die Asphaltierung der umliegenden Wirtschaftswege richtet. Der Text der im Bürgerbegehren zu entscheidenden Frage wurde wie folgt bestimmt: „Sind Sie dafür, dass der Beschluss zur ‘Umsetzung des Auenkonzepts’ Aktenzeichen AT82/2022 der Stadtverordnetenversammlung, Stadt Nidderau vom 1.12.2022 aufgehoben wird und stattdessen ausschließlich eine Beschilderung und die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie durchgeführt werden?“
Der Termin wurde nach einstimmiger Empfehlung im Haupt- und Finanzausschuss auf den 2. Juli festgelegt. Allerdings gab es dazu am Donnerstag zuvor eine Debatte. Um eine höhere Wahlbeteiligung zu erzielen und Kosten zu sparen, schlug die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Lucia Wörner-Böning eine Zusammenlegung mit der Landtagswahl am 8. Oktober vor. Deshalb beantragte sie, die Beschlussfassung dazu auf die Stadtverordnetensitzung am 1. Juni zu verschieben, damit die gesetzliche Vorgabe eingehalten werden könne, das Begehren innerhalb von drei bis sechs Monaten nach Beschluss durchzuführen.
Erneut aktualisierte Schätzkosten gefordert
FDP-Vertreter Dieter Tien unterstützte den neuen Terminvorschlag, um nach Willy Brandt „mehr Demokratie“ zu wagen. Entgegen der CDU allerdings sieht er die Nidder-Querung grundsätzlich als „positives Projekt“. FW-Fraktionschefin Anette Abel zeigte sich „begeistert“ vom Terminvorschlag der CDU. Zumal niemand garantieren könne, dass die in der Februar-Sitzung vom Parlament geforderte Aktualisierung der Kostenschätzung für das Projekt bis zum 2. Juli vorliege. „Ohne Schätzung kann niemand ehrlich auf die Bürger zugehen“, so Abel, die zudem auf ein entsprechendes Gerichtsurteil aus Nordrhein-Westfalen hinwies.
Helmut Brück erwiderte für die SPD-Fraktion, dass jedes Bundesland eigene Kommunalverfassungen habe. Die Stadt müsse vielmehr mit einer Untätigkeitsklage rechnen, wenn sie das Bürgerbegehren auf Oktober verschiebe. Auch Vorsteher Jakobi äußerte Bedenken, dass Begehren könnte wegen „schuldhaften Verzögerns“ angreifbar sein. Abel und Wörner-Böning erwiderten, es gebe mit der ausstehenden Kostenschätzung und einer höheren Aufmerksamkeit belastbare Gründe.
Termin am 2. Juli bleibt
Die Koalitions-Fraktionsführer Vinzenz Bailey (SPD) und Tim Koczkowiak (Grüne) argumentierten, beim Juli-Termin würde der Entscheid nicht vom Landtagswahlkampf überdeckt. Noch in der letzten Sitzung habe es nicht schnell genug gehen können. Nun lägen alle Rechtseinschätzungen und die Stellungnahme des Magistrats vor, die Sache sei „entscheidungsreif“.
Die Terminverschiebung wurde abgelehnt, ebenso ein Änderungsantrag Abels, die Stadtverordneten sollten nicht die Stellungnahme des Magistrats zum Begehren übernehmen, sondern eine eigene distanziertere Haltung „im Konjunktiv“ formulieren. Die Ursprungsvorlage mit Abstimmungstermin am 2. Juli wurde schließlich einstimmig bei fünf Enthaltungen angenommen.
Debatte um Klage des Main-Kinzig-Kreises
Einstimmig verabschiedet – wenngleich ebenfalls nach langer Debatte – wurde auch die Unterstützung des Normenkontrollantrags des Main-Kinzig-Kreises gegen das Land Hessen, um die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten fair zu regeln, da der Main-Kinzig-Kreis „hessenweit faktisch die höchste Aufnahmequote zu erfüllen“ habe. Die CDU-Fraktion sah in der Kritik am Land einen Vorboten des Landtagswahlkampfs und wollte deshalb zwei Unterpunkte hinzufügen, um auch die Verantwortung des Bundes in der Flüchtlingspolitik, namentlich der Innenministerin und hessischen SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser, stärker zu benennen.
SPD-Fraktionschef Bailey wies darauf hin, dass der Normenkontrollantrag von der rot-schwarzen Kreiskoalition, also auch unter Beteiligung der CDU, auf den Weg gebracht worden sei. Auch wenn er die Kritik am Bund teile, gehe es im konkreten Fall um den Verteilungsschlüssel auf Landesebene. „Ich halte es für hochproblematisch das jetzt auszuweiten, wenn wir die Diskussion seriös führen wollen.“ (Von Jan-Otto Weber)