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Versuchter Mord mit Auto: Bruchköbeler bestreitet Tötungsabsicht

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Macht eine umfassende Aussage: Ferdinand E. bestreitet am ersten Verhandlungstag, nach der Party in Heldenbergen einen 20-Jährigen absichtlich angefahren und überrollt zu haben. Foto: Thorsten Becker
Macht eine umfassende Aussage: Ferdinand E. bestreitet am ersten Verhandlungstag, nach der Party in Heldenbergen einen 20-Jährigen absichtlich angefahren und überrollt zu haben. Foto: Thorsten Becker

Nidderau/Hanau. Der 18. Geburtstag sollte eine fröhliche Party werden. Doch zehn Minuten nach Mitternacht kommt es zu einem folgenschweren Vorfall. Ein Mann wird dreimal von einem Auto der Marke Toyota überrollt – zum Glück aber nur vergleichsweise leicht verletzt.

Von Thorsten Becker Seit Dienstag sitzt nun Ferdinand E. auf der Anklagebank. Er lächelt immer wieder und knetet permanent seine Hände – wohl eher aus Unsicherheit. Denn zusammen mit seinem Verteidiger sitzt er vor der 1. Schwurgerichtskammer am Hanauer Landgericht. Angeklagt wegen versuchten Mordes. Das dürfte der Grund für die Unsicherheit sein.

Staatsanwältin Laura Pohlmann wirft ihm am ersten Verhandlungstag vor, vorsätzlich versucht zu haben, einen der Kontrahenten zu töten.

Es begann mit einer Party

Der Reihe nach: Am 26. Mai treffen sich junge Leute zur Party in Heldenbergen. E. ist mit dabei. Irgendwie muss sich die Situation hochgeschaukelt haben. „Es ist zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen“, so die Anklägerin. Gegen 0.10 Uhr soll E. dann die Party verlassen haben. Offenbar im Zorn. Einige der Gäste hätten jedoch versucht, ihn davon abzuhalten. Angeblich hat E. zu viel getrunken. Dann soll der 23-Jährige „unvermittelt Vollgas gegeben“ und rückwärts in eine Gruppe gerast sein. Während sich die meisten mit einem Sprung in Sicherheit bringen konnten, erwischte es den 20-jährigen S., der zu Boden ging und überrollt wurde.

„Der Angeklagte legte den Vorwärtsgang ein und hat ihn erneut überrollt. Dann hat er den Rückwärtsgang eingelegt und ihn zum zweiten Mal überfahren.“ Pohlmann wertet das als einen versuchten Mord. Nur weil einige Zeugen die Seitenscheiben eingeschlagen hätten, sei E. gestoppt worden. Der 20-jährige St. habe Prellungen, Schürfwunden und eine Platzwunde davongetragen.

Der Angeklagte präsentiert der Kammer unter dem Vorsitz von Landgerichtspräsidentin Susanne Wetzel eine ganz andere Version: Auf der Party trifft er eine Ex-Freundin, um die es vor allem bei den jungen Männern viel „Diskussionsstoff“ gibt. Es kommt zu verbalen „Hahnenkämpfen“ sowie zu einem kurzen „Zickenkrieg“. Er habe das alles mitbekommen, getrunken habe er an diesem Abend jedoch „wenig“.

Er sei keineswegs im Zorn gegangen, betont E.: „Wir sind rausgeworfen worden.“ Zusammen mit seiner Ex will er weg und in den Toyota einsteigen.

Attackiert von jungen Männern

Doch beim Gehen attackierten ihn junge Männer. „Die haben die Scheiben eingeschlagen, wollten mich aus dem Auto holen und haben mir ins Gesicht geschlagen.“

Schließlich habe er nur versucht, seine Ex-Freundin „zu retten“. Beim Versuch, sich aus der Umzingelung zu befreien, habe er einen der Beteiligten mit der linken Fahrzeugseite angefahren.

Sehr umfassend gibt er am ersten Verhandlungstag Auskunft über seine Sicht der Dinge, beteiligt sich am Richtertisch sogar detailliert an der Rekonstruktion des möglichen Ablaufs.

E. wirkt dabei kaum noch unsicher, beantwortet alle Fragen. „Aber Sie wissen schon, dass es auch andere Zeugenaussagen gibt?“, will die Vorsitzende wissen. „Ja“, antwortet E. – und er bleibt bei seiner Version.

„Jetzt liegen mehrere Versionen vor“, gibt die Vorsitzende mit Blick auf die Aktenlage die Richtung für die kommenden Verhandlungstage vor: „Wir haben sehr unterschiedliche Aussagen.“ Allerdings scheint die Beweislage recht dünn zu sein: „Ich fürchte, dass es ein schweres Versäumnis war, das Auto nicht unfalltechnisch untersuchen zu lassen“, so Wetzel.

Kuriose Aktion der Polizei

Eher kurios ist die Tatsache, dass die Polizei E. noch in der Nacht auf Alkohol überprüft, ihn jedoch gehen lässt mit dem Hinweis, er könne eine Aussage „später machen“.

Und nach dem ersten Verhandlungstag gibt es einige Indizien und Beweise, die nicht so ganz ins Bild zu passen scheinen. Denn statt zu fliehen, ruft E., der zuletzt in Bruchköbel wohnte, umgehend seinen Chef an – der demolierte Toyota ist ein Firmenwagen.

Der Chef beordert ihn nach Hanau – beide gehen später zur Polizei. Dort muss E. in Röhrchen „pusten“ und sich einer Blutprobe unterziehen. Es sind in den frühen Morgenstunden nur noch 0,2 Promille Alkohol im Blut, heißt es im rechtsmedizinischen Gutachten. Von einem sturzbesoffenen Mann, der von umsichtigen Partygästen an der Autofahrt gehindert werden soll, kann also kaum noch die Rede sein. E.s Aussage, er habe wenig getrunken, wird dagegen von den Analysen untermauert.

Kurios: Es ist bereits der zweite Fall aus Nidderau, in dem binnen eines halben Jahres ein Auto als „Tatwerkzeug“ eingesetzt wurde. Allerdings handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche Fälle. In Win‧decken hatte ein 22-Jähriger einen Kontrahenten auf „die Motorhaube genommen“, um Drogenschulden einzutreiben.

Er wurde im August wegen gefährlicher Körperverletzung und schweren gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.

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