Arzneimittelfirma Engelhard in Niederdorfelden existiert seit 150 Jahren

Unter den großen und kleineren Unternehmen im Niederdorfelder Gewerbegebiet sticht eines besonders heraus: die Engelhard Arzneimittel GmbH & Co. KG. Und das nicht nur mit zwei Neubauten für Produktion und Verwaltung. Im Oktober kann das Pharmaunternehmen auf seine Gründung vor genau 150 Jahren zurückblicken.
Niederdorfelden – Engelhard? Die Firma ist in der hiesigen Bevölkerung bekannt, das Unternehmen ist schließlich auch im gesellschaftlichen Leben der Kommune präsent. Doch wer weiß schon, dass sich mit diesem Namen auch ein Weltmarktführer bei einem der dort hergestellten Produkte verbindet?
Mit Halspastillen fing es an
Wie auch immer. In der Gemeinde ist das traditionelle Familienunternehmen ein sehr bedeutender Gewerbesteuerzahler und gilt als verlässlicher Arbeitgeber. Einmal mehr in der jüngsten Coronapandemie. Die hat zwar auch hier mit Kurzarbeit und Umsatzverlust ihren Tribut gefordert, doch niemand wurde entlassen. Fachkräfte für die verschiedenen Produktionsbereiche sowie Pharmakanten werden händeringend gesucht.
Die längste Zeit der Firmengeschichte wurde freilich in Frankfurt-Bornheim geschrieben, dort, wo alles mit selbst hergestellten Atem-wegsmitteln im Hinterzimmer der Rosen-Apotheke des Firmengründers Georg Heinrich Engelhard begann. Die Nachfrage nach den dort gefertigten Halspastillen „Isländisch-Moos-Pasta“ muss damals bereits riesig gewesen sein, sodass 1872 die „Fabrik pharmazeutischer Präparate“ gegründet wurde. Eine Erfolgsgeschichte nahm ihren Lauf. Die Produktion wurde umfangreicher und damit auch der Platzbedarf.
Umsatz ist nach Einbruch durch Coronapandemie wieder gestiegen
Doch der war in den 1990er Jahren am Frankfurter Standort nicht mehr zu befriedigen. Die Stadt schien in ihrer Ansiedlungspolitik wohl längst andere Prioritäten gesetzt und sich mehr für Banken und Versicherungen als für Produktionsbetriebe interessiert zu haben, wie Spötter damals glaubten. 1997 zog das Unternehmen jedenfalls nach Niederdorfelden.
Hier wurde Engelhard willkommen geheißen, bekam ein Gewerbeareal, das groß genug ist, um auf die Firmenentwicklung auch perspektivisch flexibel reagieren zu können. Die Rechnung ging auf. 2015 zählte der Betrieb 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 85 „im Feld“, also im Außendienst. Jetzt sind es bereits 450 Beschäftigte, und auch der Umsatz, der während der Coronaviruspandemie gesunken ist, klettert wieder auf „vorpandemisches“ Niveau. Überdies wurden 2020 und 2021 die Neubauten der Produktionshalle und des Verwaltungsgebäudes in Betrieb genommen (wir berichteten).

Was die Niederdorfelder an Pharmazeutika herstellen, stammt überwiegend aus eigener Forschung und Entwicklung, die hier am Standort betrieben wird. Das Familienunternehmen ordnet sich im Pharmamarkt selbst als ein „klassischer Mittelständler“ ein, der in seinem Segment unter den Top 15 rangiert, seine Produkte in über 100 Ländern weltweit anbietet und mit einem Hustensaft sogar als Weltmarktführer gilt.
Klein, aber fein – mit dieser Strategie einer sehr über-sichtlichen Produktpalette ist Engelhard gut gefahren. Doch Geschäftsführer Richard Engelhard will das nicht als Stillstand missverstanden wissen: „Mit dem Neubau unserer Produktionshalle haben wir jetzt auch die Voraussetzung dafür geschaffen, in der freigewordenen Halle unter anderem unsere Labore neu einzurichten.“ Auf die eigene Produktforschung als Grundlage für eine auch in der Zukunft tragfähige Produktpalette wird hier großer Wert gelegt: „Unser Ausblick war und ist insgesamt positiv, auch wenn der Fachkräftemangel Jahr für Jahr spürbarer wird. Da müssen wir in Deutschland jetzt dringend etwas tun, und zwar schon bei den Schulabsolventen, die wir für einen Weg in die handwerkliche Zukunft gewinnen wollen.“
Eigene Lagerhaltung gewinnt an Bedeutung
Richard Engelhard teilt sich mit seinem Bruder Oliver die Leitung des Familienbetriebs, ist selbst im Unternehmensverband der Chemischen Industrie engagiert und kennt auch von daher vergleichbare Sorgen vieler anderer Unternehmen.
Sorgen bereiten ihm indes auch die anhaltenden Turbulenzen auf den Weltmärkten und mit ihnen der Zugang zum Nachschub von Vorprodukten für die eigene Produktion. Eine Konsequenz hat das Unternehmen bereits gezogen: Die eigene Lagerhaltung wird erheblich ausgeweitet, um unabhängiger von Störungen bei den Lieferketten zu werden. „Jedenfalls muss die Just-in-time-Planung, die ja viele Betriebe in Deutschland leben, umgestellt werden, weil die Lieferketten immer häufiger unterbrochen und deswegen nicht mehr so zuverlässig sind“, heißt es.

Steigende Energiekosten und die Inflation gelten als zwei weitere gewichtige Störfaktoren in der Unternehmensplanung. Beim Gas habe man eine erste und deutliche Preissteigerung schon im vergangenen Jahr gehabt. Die jetzigen Lieferverträge liefen im Frühjahr aus „und dann wird es sicher auch noch einmal einen größeren Sprung geben“, prognostiziert der Geschäftsführer des Pharmaunternehmens.
Doch seinem Optimismus tut all das offenbar keinen Abbruch: „Auf das Firmenjubiläum blicken wir mit Stolz und Dankbarkeit zurück. Mein Bruder und ich werden alles dafür tun, dass das Unternehmen auch in weiteren 150 Jahren erfolgreich hier am Standort forschen, entwickeln und produzieren kann.“
Von Reinhold Schlitt