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„Mit jedem Baum starb ein Stück meiner Kindheit“: Anwohner traurig über gefällte Bäume

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Die Bäume entlang der Berliner Straße sind alle gefällt worden. An den Baumstümpfen ist zu erkennen, dass die meisten schon krank waren.
Die Bäume entlang der Berliner Straße sind alle gefällt worden. An den Baumstümpfen ist zu erkennen, dass die meisten schon krank waren. © Jürgen W. Niehoff

In Niederdorfelden (Main-Kinzig-Kreis) fallen zahlreiche Bäume Sägen zum Opfer. Aus der Gemeinde äußert sich Kritik – der Bürgermeister verteidigt die Aktion.

Niederdorfelden – Das Fällen der Bäume in der Berliner Straße war seit Längerem fällig. Und es gab gleich mehrere Gründe für die jetzt im Internet von einigen Bürgern heftig kritisierte Aktion in der vergangenen Woche.

„Ein Großteil der Bäume war krank und hatte keine Chance mehr zu überleben. Sie waren auch verantwortlich für Schäden an der Straße und an der Kanalisation. Und schließlich haben sich immer mehr Anwohner darüber beklagt, dass Harz auf ihre Autos tropfte“, zählt Bürgermeister Klaus Büttner (SPD) spontan drei Gründe für die Beseitigung der rund 40 Bäume in der Berliner Straße auf. Deshalb versteht er auch nicht die Kritik aus den Reihen der Gemeindevertretung, da das Fällen der Bäume in der Berliner Straße bereits vor zwei Jahren in der Gemeindevertretung einstimmig beschlossen wurde.

Viele der Bäume in Niederdorfelden (Main-Kinzig-Kreis) ohnehin schon krank

540 000 Euro nimmt die Gemeinde jetzt in die Hand, um die Berliner Straße wieder auf Vordermann zu bringen. „Den Betrag haben wir im vergangenen Jahr sogar noch einmal aufstocken müssen, weil zum einen die Schäden bereits zu groß waren, und andererseits wir gleichzeitig noch Maßnahmen für den Hochwasserschutz ergreifen wollten“, so Büttner.

Erst in der vergangenen Woche hatte deshalb Bauamtsleiter Carsten Breitbach auf Anfrage der Grünen in der Sitzung des Planungs-, Umwelt- und Kulturausschusses noch einmal umfassend Auskunft über die geplanten Maßnahmen gegeben. Ursprünglich seien die Pflanzgruben für die Bäume viel zu klein angelegt worden, sodass jetzt in den immer heißer werdenden Sommern die Bäume nicht ausreichend Wasser bekämen und die meisten von ihnen deshalb auch schon krank seien. Das hätten Baumsachverständige im Vorhinein bestätigt und das habe sich dann auch beim Fällen gezeigt.

Niederdorfelden: Baumfällaktion mehrfach in Sitzungen diskutiert

Ebenfalls Thema besagter Ausschusssitzung: Niederdorfelden hat nur ein sehr geringes Gefährdungspotenzial in Hinsicht auf Starkregenereignisse. Auf Antrag der SPD-Fraktion waren sogenannte Fließpfadkarten erstellt worden. Bei der Neuanlage der Pflanzgruben in der Berliner Straße fließen die Ergebnisse aus diesen Karten direkt ein: So werden in die Einfassungen der neuen sechs mal zwei Meter großen Pflanzgruben auch Abflüsse eingebaut, durch die das Wasser in den Gruben versickern kann. „Wir sind sehr zufrieden mit der Arbeit der Verwaltung“, so SPD-Fraktionsvorsitzende Juliane Frey in einer Mitteilung.

Anders als einige Bürger, die ihren Unmut in den sozialen Medien Luft machen. Büttner weist ausdrücklich die Kritik zurück, dass dies eine Art Nacht- und Nebelaktion des Rathauses gewesen sei, wie auf Internet-Plattformen behauptet wird. „Es wurde in den Ausschüssen und in der Gemeindevertretersitzung gleich mehrfach drüber diskutiert. Und alle Beschlüsse dazu sind einstimmig ergangen. Übrigens auch mit den Stimmen der Grünen“, so der Rathauschef.

Kritik von Grünen an Plänen in Niederdorfelden (Main-Kinzig-Kreis): Bürgermeister wehrt sich

Die stellen nun allerdings einen Dringlichkeitsantrag für die Sitzung der Gemeindevertretung, dass nämlich in der Berliner Straße keine Wiederbepflanzung mit Baumarten erfolgen soll, die für heimische Vogelarten und Insekten keinen Nutzen haben. Insbesondere soll die Gemeindevertretung ablehnen, dass in der Berliner Straße Ginkgo-Bäume angepflanzt werden sollen. Dazu schüttelt Büttner nur mit dem Kopf. „Darüber ist doch noch gar nicht entschieden worden. Wir holen uns jetzt erst einmal von Landschaftsgärtnern Vorschläge ein und diskutieren die dann im Ausschuss in aller Ruhe. Danach erfolgt eine Ausschreibung“, erklärt Büttner.

Das letzte Wort darüber wird die Gemeindevertretung haben. Bei Facebook hingegen wird dem Ärger freier Lauf gelassen. „Unfassbar, dort Ginkgos pflanzen zu wollen. Das hat doch keinerlei ökologischen Wert. Warum nicht gleich Plastikpalmen, umrahmt von Kirschlorbeer?“, textet beispielsweise ein Bürger.

Der ehemalige Gemeindevertreter Josef Mistetzky von den Grünen hält das für keine gute Idee. Er beklagt, dass die Arbeitsgemeinschaft kommunale Klimapolitik Anfang 2020 wegen der Corona-Pandemie eingestellt worden sei, denn mit ihr wäre die Entscheidung sicherlich anders ausgefallen. Aber auch er räumt ein, dass die bisherige Bewässerung der Bäume nicht ausgereicht habe. Allerdings zweifelt er die Aussage des Baumsachverständigen an. „Ich erkenne da jedenfalls keinen kranken Baum darunter“, so der Grünen-Politiker.

Traurige Anwohner wegen gefällter Bäume in Niederdorfelden: Gemeinde musste schnell handeln

Eine Anwohnerin, die nach eigenen Angaben ein richtiges Dorfelder Kind ist, das in der Berliner Straße groß geworden ist, beklagt den momentan traurigen Anblick der Straße ohne Bäume. „So schafft man Slums, weil es ist ein Wohnen ohne jegliche Atmosphäre. Mit jedem Baum, der gefällt wurde, starb ein Stück meiner Kindheit“.

Umbruchzeiten sind immer schwere Zeiten. Aber die Bäume im Abstand zu ersetzen, gehe auch nicht, weil die Straßen- und Kanalarbeiten keinen Aufschub mehr erlaubten und außerdem die bevorstehende Brut- und die Setzzeit den Zeitrahmen für die Fällarbeiten vorgebe, erklärt Bürgermeister Klaus Büttner. (Jürgen W. Niehoff)

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