20 Jahre Kindertagespflege: Drei Tagesmütter haben das Projekt von Anfang begleitet

Regelmäßig trifft sich Nicole Gräser von der Servicestelle Kinderbetreuung und Kindertagespflege mit den Tagesmüttern der Gemeinde, tauscht sich aus und hat stets ein offenes Ohr. Die Vorfreude auf den runden Geburtstag „20 Jahre Kindertagespflege in Rodenbach“ ist ihr ins Gesicht geschrieben, als sie sich mit unserer Zeitung trifft und zugleich drei Tagesmütter vorstellt, die von Anfang an mit dabei sind.
Rodenbach – Renate Laubach, Marion Täufer und Nicole Könitzer haben in den 20 Jahren schon viele Windeln gewechselt, viele tapsige erste Schritte erlebt und zuckersüße erste Worte vernommen. Dass sie alle mit viel Herz und Engagement bei der Sache sind, steht außer Frage. Und sie können sich noch gut an die Anfangszeit des Projekts erinnern.
Vorher bereits private Betreuung angeboten
Im September 2001 erscheint eine Pressemitteilung, dass ab 2002 die Tagespflege in Rodenbach starten soll. Federführend war damals Multiplikatorin Iris Dörr. Renate Laubach war eine der Frauen, die auf die Anzeige aufmerksam wurde. Die heute 63-Jährige hat selbst drei eigene Kinder und war ursprünglich Verkäuferin. „Bereits als Jugendliche habe ich nach der Schule auf Kinder aufgepasst. Als meine Kinder dann kamen, war ich zu Hause.“ Schon damals betreute sie privat andere Kinder. „Ohne Urlaub, ohne Krankengeld und ohne Verträge“, erinnert sie sich. Momentan hat sie vier Tageskinder, die sie in ihrem „kleinen Tierpark“, wie Laubach es nennt, betreut. Zwischen einem Hund, Ziegen und Pferde können die Kinder sich ausprobieren und entwickeln. „Ich mag kleine Kinder, sie sind so spontan und die Entwicklung zwischen dem ersten und dritten Lebensjahr ist der Wahnsinn.“ Generell lege sie sehr viel Wert darauf, dass die Kinder sich wohl und geborgen fühlen und dass die Familien von Anfang an integriert sind. Doch die vielen Jahren in der Kinderbetreuung machen sich bei Laubach bemerkbar. „Spätestens im nächsten Jahr werde ich in Rente gehen“, ist sie sich sicher.
Projekt drohte für manche Tagesmutter kurz nach dem Start zu scheitern
Marion Täufer entdeckte im Kindergarten einen Aushang, in dem Tagespflegepersonen gesucht wurden. „Das passt“, dachte sie damals. Auch sie ist seit 20 Jahren beim Projekt dabei. Als Schwimmmeistergehilfin hatte sie schon immer mit Kindern zu tun gehabt. Die 51-Jährige hat zwei eigene Kinder und betreut aktuell fünf Tageskinder. „Als das Projekt startete, dachte ich, ich muss wieder aufhören, weil kein Kind zum betreuen da war“, erzählt sie. Neun Tagesmütter waren es im Jahr 2002, die sich gemeldet hatten. „Einige sind dann wieder abgesprungen. Eine Tagesmutter hat sich damals auch wieder eine andere Arbeit gesucht und ihr Kind dann mir gegeben. So konnte ich weitermachen.“

Kindertagespflege wurde kräftig beworben
Damals, so Täufer und Laubach, sei der Bedarf einfach nicht da gewesen. „Die Mütter waren länger zu Hause und es war einfach nicht so bekannt, dass es die Kindertagespflege gibt.“ Um das zu ändern, wurden Feste veranstaltet. „Das Indianerfest oder das Hexenfest, aber es gab auch Infostände auf anderen Festen in der Gemeinde“, erzählt Gräser. Die Werbung lohnte sich. Ab 2003 habe es dann richtig angefangen, sagt Täufer.
Selbstständig, aber dann doch nicht wirklich
„Damals haben wir die Verträge noch alle selbst geschrieben. Jeder hatte einen anderen Stundensatz und die Eltern mussten alles komplett selbst bezahlen.“ Damit sie durchgängig Geld verdienten und das Geld beispielsweise in den Ferien nicht ausblieb, wurden Pauschalverträge aufgesetzt. „Niedriger Stundensatz, dafür aber durchgängig“, fasst Täufer zusammen. Erst ab September 2007 mit der Tagespflegesatzung der Gemeinde, die auch eine Bezuschussung der Tagespflegepersonen enthielt, wurden die Verträge einheitlich. Ein Jahr später erarbeitete der Main-Kinzig-Kreis eine Satzung, die im Mai 2009 verabschiedet wurde und am 1. Juli in Kraft trat. „Wir sind eigentlich selbstständig, aber bekommen alles vorgeschrieben“, fasst Laubach die Entwicklung zusammen. Es habe Vor- und Nachteile. So gebe es viele Vorgaben, dafür seien sie aber unter anderem renten- und krankenversichert.
Dynamisches Feld mit Luft nach oben
„Es hat sich vieles verändert, nicht immer zum Guten“, sagt Nicole Könitzer und bezieht sich auf die vielen Dinge, die mittlerweile beachtet werden müssen. Auch sie ist seit 20 Jahren dabei, hat zwei eigene Kinder und ist gelernte Konditorin und Bürokauffrau. Die 53-Jährige betreut zwei Tageskinder. „Damals mussten wir 40 Stunden für die Qualifizierung absolvieren und sechs Stunden Erste-Hilfe-Kurs, um Tagesmutter zu werden.“ Heute, so ergänzt Gräser, die seit 2011 für die Kindertagespflege zuständig ist, müssen 300 Stunden für eine Qualifizierung vorgewiesen werden und jedes Jahr 20 Stunden Fortbildung. „Von der Qualität her ist alles sehr aufgestockt worden.“ Wer die Fortbildung nicht vorweisen könne, erhalte keine Landesförderung. Allerdings sei die Kindertagespflege noch immer ein dynamisches Feld mit Luft nach oben.
„Es ist jetzt kein Mindestlohn, den wir verdienen“, sagt Laubach. „Man muss schon mehrere Kinder, ungefähr vier, haben, damit es sich finanziell richtig lohnt. In der Anfangszeit betreuten Täufer und Laubach auch Schulkinder. Heute sei das prinzipiell auch möglich, würde sich finanziell aber nicht lohnen. Laubach erinnert sich an Arbeitszeiten von 7 bis 20.30 Uhr. Heute sind 50 Stunden der Höchstsatz.
Betreuungsplätze teilweise für 2024 bereits vergeben
In der Gemeinde arbeiten aktuell 14 Tagesmütter. „Ich musste selten Kinder anwerben. Meist kommen dann die Geschwister früherer Tageskinder zu mir und die Eltern sind dankbar und froh, dass sie einen Platz haben“, fasst Laubach die aktuelle Situation zusammen. „Es gab Phasen, in denen nicht alle Tagesmütter voll ausgelastet waren. Doch seit dem Rechtsanspruch auf Betreuung ab einem Jahr, durch die Zuzüge in der Gemeinde und dadurch, dass es immer üblicher wird, die Kinder in jungen Jahren betreuen zu lassen, gibt es deutlich mehr Nachfrage“, berichtet Gräser. „Früher habe ich Schwangere weggeschickt, heute empfehle ich, sich schon bei mir zu melden, sobald die Schwangerschaft feststeht.“ Die Plätze für 2024 werden bereits vergeben. „Wir haben in den letzten Jahren nicht aktiv für Tagesmütter geworben, doch das wird sich wohl ändern, da manche bald auch aufhören.“
Gräser würde sich wünschen, dass die Ausbildung zur Tagesmutter besser berufsbegleitend gestaltet und den Eltern mehr Wunsch- und Wahlrecht eingeräumt werden würde.
Und was motiviert Laubach, Könitzer und Täufer, seit 20 Jahren für die Rodenbacher Kinder da zu sein? „Weil wir sie lieben“, kommt prompt die Antwort von Laubach, der die zwei anderen nickend zustimmen. „Es ist die Liebe zu den kleinen Kinder. Es ist zwar anstrengend, aber was man zurückbekommt, bekommt man so woanders nicht“, sagt Täufer. Eine Arbeit im Kindergarten wäre nichts für die Drei. Keine eigene Zeiteinteilung, nicht persönlich genug. Für Gräser persönlich ist die Kindertagesbetreuung „für die U3 der schönste Start“.
20 Jahre Kindertagespflege in Rodenbach
Insgesamt betreuen die 14 Tagesmütter aktuell 50 Kinder im Alter zwischen einem und drei Jahren und leisten 1200 Betreuungsstunden pro Woche. Das Rodenbacher Tagespflegeprojekt startete am 11. Juni 2002. Den runden Geburtstag feiern die Tagesmütter mit ihren Tageskindern und deren Familien exakt 20 Jahre später am 11. Juni 2022 in der Rodenbachhalle. Im Juli ist ein gemeinsamer Ausflug aller Tagesmütter mit Nicole Gräser von der Servicestelle für Kinderbetreuung und Kindertagespflege nach Bamberg geplant. (Von Patricia Reich)
Chronologie, Zahlen und Ausblick der Rodenbacher Kindertagespflege
4. September 2001: Presseartikel verkündet Einführung der Kindertagespflege ab 2002
16. Februar 2002: Neun Personen nehmen am Orientierungskurs teil. Anschließend folgt ein Grundkurs mit der Überreichung der Zertifizierung im April
11. Juni 2002: Start des Tagespflegeprojekts
2003-2007: Verschiedenen Feste, Feiern und Infoveranstaltungen
1. September 2007: Tagespflegesatzung der Gemeinde Rodenbach mit Bezuschussung der Tagespflegepersonen
Mai 2009: Satzung des Main-Kinzig-Kreises verabschiedet, tritt am 1. Juli in Kraft
1. November 2009: Neue Tagespflegerichtlinien der Gemeinde
30. September 2011: Multiplikatorin Iris Dörr wechselt in die Zentralstelle für Kinderbetreuung des Main-Kinzig-Kreises
1. Oktober 2011: Nicole Gräser übernimmt die Kindertagespflege der Gemeinde
2014: Verabschiedung eines neuen Vertretungskonzepts mit Bereitstellung der dazu nötigen finanziellen Mittel
1. Oktober 2019: Einzug in das Büro in der Interims-Kita Kinzigwichtel. Entwicklung und ausgestaltung der Servicestelle für Kinderbetreuung und Kindertagespflege
1. August 2020: Start der Servicestelle und Little Bird, das digitale Anmeldeverfahren
Einmal wöchentlich findet eine Tobestunde in der Bulauhalle statt. In beiden Ortsteilen stehen Räumlichkeiten für die Kindertagespflege zur Verfügung.
Geplant ist die Gewinnung neuer Kindertagespflegepersonen sowie ein Umzug in die „Robbe“ mit eigenen Räumlichkeiten und Anbindung an die Servicestelle und Kita Buchbergstraße.