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Louisa Fleiner bringt in Nordirland Gruppen unterschiedlicher Konfessionen ins Gespräch

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Von: Patricia Reich

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Glücklich in Nordirland: Louisa Fleiner bringt als Freiwillige in einem Versöhnungszentrum Menschen verschiedener Konfessionen zusammen.
Glücklich in Nordirland: Louisa Fleiner bringt als Freiwillige in einem Versöhnungszentrum Menschen verschiedener Konfessionen zusammen. © Privat

Vor knapp einem Jahr berichtete unsere Zeitung über Louisa Fleiner. Die damalige Abiturientin hatte sich beim Verein Eirene für ein Freiwilliges Soziales Jahr in dem wichtigsten und bekanntesten Versöhnungszentrum Corrymeela im nordirischen Ballycastle beworben, um dort Friedensarbeit zu leisten. Denn der Schwerpunkt des Zentrums, das für jeden seine Türen öffnet, liegt darin, das gespaltene Irland zu vereinen und den Nordirlandkonflikt aufzuarbeiten.

Rodenbach/Ballycastle – Damals war die Organisation des Vorhabens bereits in Gange. Die Läuferin beim SSC Rodenbach sammelte – wie vom Verein erwünscht – mit verschiedenen Aktionen Spenden, um sich das Auslandsjahr zu finanzieren. Dass dann zunächst nicht alles so lief wie geplant und was sie bisher erlebt hat, erzählt die Rodenbacherin unserer Zeitung am Telefon.

„Ja, ich bin wieder in Corrymeela“, bestätigte Fleiner die Anfangsfrage im Telefonat. Vor den Osterfeiertagen sei sie für fünf Tage in Deutschland gewesen, aber aus einem besonderen Grund: „Wir, also eine andere Freiwillige und ich, wurden vom ZDF für die Sendung ‘37 Grad’ gefilmt“, berichtet sie. Ein weiterer Dreh sei demnächst in Corrymeela geplant.

Durch England nach Belfast mit dem Fahrrad

„Ich bin sehr glücklich hier“, sagt Fleiner voller Inbrunst. Doch zunächst galt es, noch ein paar Hürden zu meistern. Denn nach der Zusage des Vereins Eirene erhielt sie Ende Mai doch eine Absage. „Es hatten sich 90 Leute beworben und es hieß, dass andere Bewerber noch mehr Qualifikationen vorweisen konnten und daher ausgewählt wurden.“ Kurzum bewarb Fleiner sich für ein Auslandsaufenthalt in den USA und erhielt auch zügig ihr Visum. „Anfang Juni haben sie dann noch mal angerufen. Jemand hatte abgesagt und ich konnte nachrücken.“ Danach sei sie sehr durcheinander gewesen. „Ich hatte die Wahl, aber auch ein schlechtes Gefühl und die Enttäuschung über die vorhergehende Ablehnung“, fasst sie ihre damalige Stimmung zusammen.

Da die Friedensarbeit in Nordirland aber genau das war, was sie tun wollte, nahm sie den Platz an. Wie bereits im April geplant, legte sie einen Teil der Anreise mit den Fahrrad zurück. „Zusammen mit einer weiteren Freiwilligen bin ich nach Amsterdam gefahren, von dort mit der Fähre nach Newcastle und mit dem Rad einmal durch England.“

Freiwillige aus der ganzen Welt

Die Fähre brachte sie dann von Chairnryan nach Larne, von wo aus sie ihre Gastfamilie in Belfast zum ersten Mal kennenlernte. „Wir Freiwilligen wohnen in einem Haus in Corrymeela, aber jeder hat auch noch eine Gastfamilie in Belfast“, erklärt Fleiner. Vor allem die Landschaft beeindruckte sie auf ihrer zehntägigen Fahrradtour. „Sie ist sehr abwechslungsreich und es hat mich überrascht, wie gut ausgebaut und beschildert der Radweg ist“, fasst sie ihre Eindrücke zusammen.

Die Gastfamilie habe sie herzlich aufgenommen. „Ich bin sehr gerne dort, leider aber nur selten, da die Verbindung von Corrymeela nach Belfast mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gut ist. Mit den anderen Freiwilligen sind wir dann manchmal über ein Wochenende dort, um mal Großstadtluft zu schnuppern“, erzählt sie lachend.

Insgesamt elf Freiwillige absolvieren gerade ein Soziales Jahr in dem Versöhnungszentrum. „Sie kommen aus den USA, Uganda, Kanada und zwei aus Deutschland. Demnächst kommt noch jemand aus Brasilien hinzu.“

Aus den Freiwilligen in Corrymeela ist eine starke Gemeinschaft gewachsen.
Aus den Freiwilligen in Corrymeela ist eine starke Gemeinschaft gewachsen. © Privat

Zwei bis vier Gruppen pro Woche besuchen das Versöhnungszentrum

Als sie sich in Deutschland auf das Jahr vorbereitete, sei sie davon ausgegangen, dass neben Gruppen auch Einzelpersonen betreut werden würden. „Ich dachte, es gibt dort ein Obdach für beispielsweise Obdachlose, doch das ist nur zeitweise im Sommer der Fall“, berichtet Fleiner.

Zwei bis vier Gruppen kommen pro Woche nach Corrymeela und bleiben im Schnitt zwei bis drei Tage. Laut Fleiner waren es vor Corona insgesamt 8000 Menschen pro Jahr, 2023 zählte das Zentrum 5800 Besucher, doch will man an die Zahlen von vor der Pandemie wieder anschließen.

„Es gibt Gruppen mit Menschen, die von der Gesellschaft marginalisiert werden wie Flüchtlinge, Abhängige oder aus dem LGBTQI+-Spektrum und Gruppen mit direkt vom Nordirlandkonflikt Betroffenen oder solchen, die wir über den Konflikt aufklären.“

Schulen und Jugendclub sind noch immer nach Konfessionen getrennt

Fleiner hat ihren Schwerpunkt auf die Betreuung von Jugendgruppen gelegt. „Nur sieben Prozent der Schüler sind in gemischten Schulen mit beiden Konfessionen. In Belfast gibt es beispielsweise nur einen Jugendclub, der für alle Konfessionen offen ist. Die anderen sind alle getrennt“, zeichnet sie die aktuelle Situation nach.

In Corrymeela geht es darum, dass Protestanten und Katholiken miteinander ins Gespräch kommen. So auch in den Jugendgruppen. „Viele Jugendliche sind radikalisiert. Ich bin manchmal schockiert, wie weit sie diese Radikalisierung in sich tragen. Das ist deshalb keinesfalls kleinzureden“, erzählt die Rodenbacherin aus ihren Erfahrungen.

Teambuildings-Spiele als Teil der Friedensarbeit

Die Trennung und auch, dass es gerade keine Regierung gebe, mache die Situation schwierig. Daher seien die Teambuilding-Spiele, die sie mit ihren Gruppen unternimmt sehr wichtig und gehören zur Friedensarbeit dazu. „So kommen die Kinder und Jugendlichen mit anderen Konfessionen zusammen. Der Austausch hilft.“

Seit Januar hat die Rodenbacherin, teilweise mit weiteren Freiwilligen, sechs Gruppen geleitet, die zwischen zehn und 95 Personen groß sind. „Wir fangen mit Kennenlernspielen an, dann folgen Outdoor-Spiele, bei denen die Gruppe als Team ihre Aufgabe erfüllen muss. Am Ende geht es um die historische Aufklärung des Nordirlandkonfliktes und darum, was sie aktiv tun können, um etwas zu verändern. Meist sind die Gruppenmitglieder zunächst schüchtern und wollen sich auch nicht zu politischen Themen äußern. Aber wir lassen sie ihre Ideen auf Zettel schreiben und lesen sie dann vor. Dann kommen immer ganz gute Ideen zusammen“, gibt Fleiner einen Einblick.

In der Cròi hält Fleiner ihre Gottesdienste. Einen Regenbogen sieht sie in Nordirland fast jeden Tag.
In der Cròi hält Fleiner ihre Gottesdienste. Einen Regenbogen sieht sie in Nordirland fast jeden Tag. © Privat

Berufliche Ziele ins Auge gefasst

Besondere Freude bereite ihr das Halten von Gottesdiensten. „Ich arbeite mich in Themen ein und versuche auch andere Sichtweisen hineinzubringen. So habe ich bei dem Gottesdienst zum Weltfrauentag auch über Intersexualität gesprochen. Ich freue mich besonders, wenn Menschen danach zu mir kommen, sich bedanken und sagen, dass meine Worte zum Nachdenken angeregt haben und inspirierend waren.“

Durch ihren Aufenthalt sei sie gewachsen, selbstbewusster geworden, sie konnte viele Dinge ausprobieren. „Vor einem Jahr wusste ich nicht, wie mein Weg wird. Jetzt weiß ich, dass ich mich für ein Studium der evangelischen Theologie bewerben möchte, mit dem Weg zur Pastorin.“ Doch vorher hat sie noch einiges vor, bis ihr Soziales Jahr mit dem Schwerpunkt Friedensarbeit im August endet. Am 30. April will sie einen Marathon laufen mit dem Ziel, unter vier Stunden zu kommen. Und sie plant eine Fundraising-Aktion für Corrymeela im Juni, bei der sie mit einer Gruppe etwa vier Kilometer durch das Meer zur Insel Rathlin schwimmen möchte.

Und wer noch mehr erfahren will, kann sie die Sendung „37 Grad“ im ZDF ansehen, die am Montag nach dem Kirchentag ausgestrahlt werden soll. (Von Patricia Reich)

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