Rodenbacher Anglerladen „Feed and Baits“ muss schließen

„Hätten wir uns vor einer Woche gesprochen, wäre ich noch sehr emotional gewesen“, sagt Sascha Lerch in einem Telefonat mit unserer Zeitung. Lerch ist Mitinhaber des Rodenbacher Anglerladens „Feed and Baits“. In einer Mitteilung über einen Social-Media-Kanal machte er auf die Schließung des Fachgeschäfts aufmerksam mit dem Kommentar: „Leider hat es auch uns getroffen.“
Rodenbach – Was genau dahinter steckt, erzählt der 39-Jährige bei einem Treffen in dem fast schon leer geräumten Ladenlokal an der Industriestraße.
Die Gründe für die Schließung sind vielfältig, haben aber gemein, dass sie auf externe Faktoren zurückgehen, so wie er sagt. „Wir haben alles richtig gemacht, haben richtig gewirtschaftet. Es sind schlichtweg die externen Einflüsse, eine Verkettung unglücklicher Umstände, die uns zu diesem Schritt zwingen.“
Dass ihm das nicht leicht fällt, ist nicht zu übersehen. Die Gründung des Ladens vor zehn Jahren geht auf eine sehr persönliche Geschichte zurück. „Ich hatte ein Loch im Auge und es hieß, nach der Operation hätte ich noch 15 Prozent meiner Sehkraft.“ Als Lerch im Krankenhaus lag, machte er sich Gedanken über seine Zukunft. „Ich bin hauptberuflich Verkaufsleiter und war damals im Außendienst tätig, da fragt man sich schon, wie es weitergehen soll.“ So reifte der Entschluss, sich ein zweites Standbein aufzubauen. „Und was liegt näher, als das Hobby zum Beruf zu machen. Ich lag schon als Baby auf der Krabbeldecke neben meinem Opa beim Angeln. Meine ganze Familie angelt.“
Am Auge ist alles gut verheilt, aber dennoch eröffnete er nebenberuflich den Online-Shop „Angelspaß24.de“, der im Prinzip aus einem Lagerraum im eigenen Keller auf drei mal vier Metern bestand. „Mit der Zeit kamen viele Kunden direkt zu mir, um die Ware abzuholen, der Keller reichte nicht mehr und ich stieß an meine Grenzen.“ Bei einem Angelausflug in Frankreich sagte sein Freund Nils Bohländer zu, mit ihm einen Laden zu eröffnen. In Oberrodenbach in der alten Druckerei mieteten die beiden Geschäftsführer eine Ebene von 50 Quadratmetern an und eröffneten vor sechs Jahren „Feed and Baits“. Spezialisiert war das Geschäft zunächst rein auf Futtermittel, die selbst hergestellt wurden. Doch die Nachfrage nach Ausrüstung nahm zu. Lerch und Bohländer überlegten sich eine Strategie, wie sie sich vergrößern wollten und könnten. „Wir wollten gesund wachsen, das heißt, dass wir alles, was wir verdient haben, reinvestierten.“ Lerch gab den Onlineshop auf und mietete mit Bohländer eine weitere Ebene an und baute das Angebot aus.
2021 meldete der Vermieter Eigenbedarf an, sodass die beiden leidenschaftlichen Angler in das 200 Quadratmeter große Geschäft an der Industriestraße zogen. „Während der Hochphase der Coronapandemie sind wir gut durchgekommen, auch wenn wir als Nebenberufler keinen Anspruch auf Hilfen hatten“, resümiert der zweifache Vater.
„Da habe ich über diverse Gruppen im Internet Leute beraten, bin proaktiv in die Kommunikation eingetreten und konnte so die Leute auch catchen und was verkaufen.“
Neuer Standort wurde zunächst gut angenommen
Nach dem Umzug, für den sie all ihr verdientes Geld investierten und „alles auf eine Karte“ setzten, verzeichnete das Fachgeschäft für Anglerbedarf trotz Winterzeit einen „hervorragenden Umsatz“ und sei sehr gut am neuen Standort angenommen worden. Lerch zückt sein Handy und wirft ein Blick auf die Zahlen: „Der Dezember war hervorragend, der Januar gut, der Februar der umsatzstärkste Monat und dann Ende Februar brach es ein.“ Im März seien es nur noch 50 Prozent der Einnahmen vom Februar gewesen, im April noch mal zehn Prozent weniger, der Mai habe zwischen dem Februar und dem März gelegen, „der Juni und Juli waren sehr verhalten und der August katastrophal“.
Als dann Ende August absehbar war, dass die Preise für Gas, Strom und Öl steigen und auch der Mietspiegel und weitere Nebenkosten angehoben wurden, zogen die Geschäftsinhaber die Reißleine. „Wir hätten ab November über 2000 Euro Miete für die 200 Quadratmeter zahlen müssen, Strom noch nicht eingerechnet“, nennt Lerch eine Zahl. Kein Abverkauf, keine Einnahmen – das Risiko, den Laden mit ihrem Privatvermögen weiterführen zu müssen, war für die beiden zu groß.
Keine Emotionskäufe
Die Gründe für den Einbruch der Pro-Kopf-Ausgaben im Angelladen gingen, so die Vermutung von Lerch, im Sommer darauf zurück, dass viele ihren langaufgeschobenen Urlaub nachholten und weniger dem Hobby nachgingen. Zudem vermutet er, dass mit Ausbruch des Krieges, der ungewissen wirtschaftlichen Lage und den steigenden Energiepreisen viele das Geld lieber beisammen halten und auch keine Emotionskäufe mehr tätigen. „Wir hatten 50 Kunden, die gezielt ein Päckchen Maden gekauft haben und nichts anderes. Früher kam immer noch das ein oder andere hinzu.“
Gerne hätten Lerch und sein Partner das Geschäft in neue Hände gegeben, damit das, was sie aufgebaut haben, weitergeführt wird. „Wenn jemand hauptberuflich das übernommen und das Onlineangebot weiter ausgebaut hätte, dann wäre es auch weitergegangen“, ist Lerch sich sicher.
Doch der einzige Interessent zog sich zurück und der Abverkauf begann. „Als der startete, hatte ich Tränen in den Augen“, gibt Lerch zu. Vor allem, dass nun Leute in den Laden kommen, die er vorher noch nie gesehen hat, nur um sich die Rabatte zu sichern und ihm teilweise „unmoralische Angebote“ für die Ware machen, würde ihn kränken. „Wir haben so viel Energie und Leidenschaft hier reingesteckt und großartiges Feedback bekommen von unseren Kunden.“
All die Jahre hätten sich die Geschäftsinhaber keinen Lohn ausgezahlt, nie einen Kredit aufgenommen, alle Rechnungen bezahlt und mit dem verdienten Geld sich stetig vergrößert, fasst Lerch zusammen. Ein Konzept, dass aus seiner Sicht erfolgreich war – nun aber in nebenberuflicher Tätigkeit nicht mehr fortgesetzt werden könnte.
Bis zum 4. November läuft noch der Abverkauf. Bis dahin, so hofft Lerch, ist der Laden leer. (Von Patricia Reich)