Industrietaucher reinigen die Kläranlage Ronneburg

„Der steigt ja ins Odl“, würde man in Oberbayern beim Anblick des Mannes sagen, der kürzlich ein recht ungewöhnliches „Bad“ nahm. Ort des Geschehens ist das so genannte Belebungsbecken der Kläranlage in Hüttengesäß, die zum „Abwasserverband Oberer Fallbach“ gehört und in der neben den Ronneburger Abwässern auch die der Orte Diebach am Haag und Vonhausen, die im Büdinger Beritt liegen, gereinigt werden.
Ronneburg – Die dunkelbraune und nicht gerade appetitlich duftende Brühe ist für gut zweieinhalb Stunden der Aufenthaltsort von Steffen Schorsch, der in vier Meter Tiefe eine anstrengende Arbeit zu verrichten hat. „Wir reinigen die Lochplatten der Luftversorgung von den so genannten Verzopfungen“, sagt Michael Böhrer, der die Sicherung des Abgetauchten übernommen hat.

Tauchausrüstung wiegt 70 Kilogramm
Um überhaupt am Boden des runden Klärkanals bleiben zu könnten, musste der Taucher eine ziemlich schwere Montur anlegen. Etwa 70 Kilo beträgt das Gesamtgewicht von Gummianzug, Helm, Sauerstoffflasche und Bleigewichten am Gürtel und an den Knöcheln. „Allein der Helm wiegt schon 17 Kilo“, erklärt Riaan van der Merwe, der das Dreier-Team der Hanauer Firma Kerlen-Taucher leitet.
Der Südafrikaner und seine beiden Kollegen sind begeisterte Taucher und haben ihr Hobby zum Beruf gemacht. Als Industrietaucher kommen sie überall dort zum Einsatz, wo handwerkliche Arbeit unter Wasser ausgeführt werden muss, wie etwa in Schleusen oder großen Baugruben. „Was wir heute in der Kläranlage machen, ist eigentlich recht einfach“, meint Michael Böhrer, der den Luftversorgungsschlauch zum Taucher hin immer im Auge hat und auch per Funk mit dem Mann in der Tiefe verbunden ist. Der kommt gelegentlich an die Oberfläche des während der Arbeitszeit unbelüfteten Beckens und reicht einen gefüllten Eimer weiter. Darin befinden sich „Zöpfe“, die aus Fasern, losen Gewebeteilen und vor allem menschlichen Kopfhaaren bestehen und eine fest verwobene Masse bilden.
„Das Abwasser aus den Kanalrohren läuft zunächst durch einen groben Rechen, der größere Gegenstände wie Holz oder Plastikteile auffängt“, erklärt Jürgen Lückhardt als Chef der ganzen Anlage.
„Anschließend werden Sand und Fett herausgefiltert und erst dann gelangt das vorgereinigte Abwasser in die Klärbecken.“ Hier nun sorgen Bakterien unter Sauerstoffzufuhr für die Reinigung der trüben Brühe, die sich auf diese natürliche Weise in klares Wasser verwandelt und zum Schluss wieder dem Fallbach zugeführt wird.

Die Sicht ist gleich Null
„Nach dem Eintauchen ist die Sicht gleich Null“, beschreibt Böhrer die Situation für den Mann am Ende der Sicherungsleine. „Man ist mit den Händen unterwegs und ertastet alles, was sich im unmittelbaren Umkreis befindet.“ Steffen Schorsch ist bei seinem Tauchgang auf ein ungewöhnliches Fundstück gestoßen – einen unterarmlangen Schraubenschlüssel, der vermutlich bei Arbeiten versehentlich ins Becken fiel und in der Tiefe verschwand. Es sei in solchen Anlagen eigentlich ungewöhnlich, auf Gegenstände zu stoßen, die dort nicht hineingehören – wie es etwa in Schleusenkammern öfters der Fall ist.
Gegen Mittag ist Schorsch mit seiner Arbeit fertig und taucht wohlbehalten wieder auf. Um über eine schmale Leiter wieder aus dem Becken herauszukommen, bedarf es schon einiger Anstrengung und Unterstützung durch die beiden Sicherungsleute. Draußen wartet jetzt das Prozedere der Reinigung auf ihn; die gesamte Ausrüstung wird von Böhrer mit einem stammen Wasserstrahl penibelst gereinigt und anschließend desinfiziert, wodurch auch das kleinste Schmutzteilchen entfernt wird. „Von jeder Hausfrau würden wir für das Saubermachen den Daumen hoch bekommen“, lacht der Mann an Schlauch.

Team verlässt sich aufeinander
Nach einer Viertelstunde Wasserstrahl darf Schorsch seinen schweren Helm ablegen und aus dem Anzug steigen. Es sei heute nicht allzu anstrengend gewesen, meint er; auch die Tiefe hätte für ihn kein Problem bedeutet. Die Arbeit in den etwa 30 Meter hohen Faultürmen sei eine ganz andere Geschichte, bei der man wegen der schweren Montur mit einem Kran hinein gehoben wird und es am Grund bis zu 40 Grad warm ist. „Aber auch bei solchen Arbeiten muss man einfach nur ruhig bleiben“, meint der Einsatzleiter, der sich in solchen Situationen auf seine Erfahrung und Professionalität und die seiner Teamkollegen verlässt.
15 bis 20 Kilo an Haaren und Gewebe entfernt
Das Ergebnis des Arbeitstages in der Ronneburger Kläranlage kann sich sehen lassen – der große Haar- und Gewebeknäuel wiegt wohl 15 bis 20 Kilo. Die Anlage wird nur bei Bedarf gereinigt; in der Regel ist das einmal im Jahr. Der Betriebsleiter schaltet die Luftversorgung wieder ein und schon blubbert es an allen Stellen des kreisrunden Außenbeckens. Wer jetzt. etwa als total irrsinnige Mutprobe. hineinspringen würde, wäre des sicheren Todes. „Durch die aufsteigenden Luftbläschen wird die Oberflächenspannung des Wassers aufgehoben“, warnt Böhrer eindringlich vor einem solchen Vorhaben. „Man versinkt in der Tiefe und hat keine Überlebenschance!“ (Von Ingbert Zacharias)