Es wird eng für die Nachbarschaftshilfe

Schöneck – Der Hilferuf ist eindringlich und unüberhörbar: Sollte bei der Jahreshauptversammlung am Dienstag, 28. Juni, im Bürgertreff in Kilianstädten kein neuer Vorstand gefunden und etabliert werden, dann droht der Nachbarschaftshilfe Schöneck nach 21 Jahren die Auflösung. Sollte sich dann auch bei einer weiteren Versammlung keines der Mitglieder bereit erklären, Verantwortung zu übernehmen, wäre das das endgültige Aus.
„Sollte dieser Fall eintreten, wäre das ein schwerer Verlust für hilfebedürftige Mitbürger“, betont Vorsitzender Heino Bultmann im Gespräch mit unserer Zeitung
Ehrenamtliche, die in ihrer Freizeit helfen
Ein Rückblick: Nach einem Aufruf fanden sich 2001 etwa 30 Frauen und Männer aus allen drei Ortsteilen zusammen, um die Nachbarschaftshilfe Schöneck zu gründen. Ziel war, Freiwillige zu finden, die in ihrer Freizeit bei hilfsbedürftigen Schönecker Bürgern Besuchsdienste, Begleitungen, Entlastung pflegender Angehöriger, Betreuung bei Abwesenheit oder Krankheit, Haushalts- und Einkaufshilfen, Reparaturhilfen, Garten- und Grabpflege, Kinderbetreuung bei Verhinderung der Eltern oder Beratungen und spezielle Dienste übernehmen sollten.
Die Helfer arbeiteten und arbeiten ehrenamtlich, können sich aber ihre Dienst auf einem Konto gutschreiben lassen, falls sie selbst in die Situation kommen, in der sie Hilfe benötigen. Lediglich die Fahrer bekommen 40 Cent pro zurückgelegtem Kilometer im eigenen Fahrzeug. Neben dem niedrigen Jahresbeitrag finanziert sich die Nachbarschaftshilfe über geringe Verwaltungs- und Einsatzgebühren für Hilfsdienste und finanzielle Zuwendungen aus einem Fonds der Sparkasse Hanau, von der Gemeinde fließt kein Geld.
Erste Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe Schöneck war Elisabeth Stüve, Ehefrau des ehemaligen Bürgermeisters Ludger Stüve, die acht Jahre dieses Amt bekleidete, gefolgt von Silvia Braun, die sieben Jahre Vorsitzende war. Heino Bultmann hat den Vorsitz seit nunmehr sechs Jahren, unter anderem unterstützt von seiner Ehefrau Maria, die Schriftführerin ist und Bürodienste leistet. „Da wir während der Pandemie alle Aktivitäten auf Sparflamme fahren mussten, waren auch keine Mitgliederversammlungen möglich, um den Vorstand neu aufzustellen“, blickt Heino Bultmann auf eine für den Verein und seine rund 60 aktiv gemeldeten Mitglieder zurück. Insgesamt beläuft sich die Mitgliederzahl auf rund 230.
„Unser Problem ist nicht nur, dass aufgrund des Alters der Helfer schon mehrere Hilfsdienste nicht mehr angeboten werden können, es fehlt uns auch in diesem Bereich an Mitmenschen, die bereit sind, sich kurz vor oder nach dem Eintritt in die Rente zur Verfügung zu stellen. Ein Großteil unserer Dienste wie begleitete Fahrten zu Fachärzten, um Besorgungen oder einen Friseurbesuch zu machen, finden in der Regel zwischen 8.30 und 16 Uhr statt, wenn berufstätige Helfer noch nicht einsatzbereit sind“, beschreibt Bultmann die Lage.
Vorstandsmitglieder sind in die Jahre gekommen
Hinzu komme, dass die Vorstandsmitglieder auch in die Jahre gekommen sind – der Vorsitzende ist 79, seine Gattin 70 Jahre alt. „Einige, wie mein Mann, haben massive gesundheitliche Probleme und können die Arbeit nicht mehr leisten“, fügt Maria Bultmann hinzu.
„Trotz vielfacher direkter Ansprache von geeigneten Kandidaten aus unserem Mitgliederkreis ist es dem Vorstand nicht gelungen, Nachfolger für die zu besetzenden Ämter zu finden“, bedauert Heino Bultmann, der klar ausspricht, um was es bei der kommenden Mitgliederversammlung geht: die Existenz der Nachbarschaftshilfe Schöneck.
Bürgermeisterin Conny Rück ist als Revisorin im Verein tätig, hat aber bislang auch niemanden überzeugen können, die Nachfolge der Bultmanns und den anderen Vorstandsmitgliedern anzutreten. „Sollte wirklich der Fall eintreten – und es sieht leider bislang so aus – dass der Verein aufgelöst werden muss, dann wäre das ein extrem herber Verlust für die Gemeinde. Und das in einer Zeit, in der die Zahl der hilfsbedürftigen Mitbürger wächst und es immer mehr Schönecker gibt, die niemanden mehr auf der Welt haben“, schildert Maria Bultmann die schwierige Situation.
Schon früher wurden Krisen überwunden
Dabei hatte der Verein schon früher Krisen zu überwinden. So zum Beispiel im Jahr 2018, als durch die Verschärfung des Datenschutzgesetzes eine große Aufgabe auf den Vorstand zukam, die durch eine Spende der Sparkasse für den Kauf eines aktuellen PC und eines abschließbaren Schranks für das Büro in der Südlichen Hauptstraße 12 in Büdesheim gemeistert werden konnte. „Wir standen schon einmal kurzfristig ohne Vorstand da, als am Abend der Versammlung ein zuvor besprochener Plan obsolet wurde“, erinnert sich Heino Bultmann.
Damals habe der Verein die Kurve bekommen und die weitere Existenz gesichert, derzeit ist der scheidende Vorsitzende ehe skeptisch, ob dies wieder gelingt. Deshalb appelliert er nochmals an die Mitglieder und alle Schönecker Bürger: „Verschreiben Sie sich der guten Sache Nachbarschaftshilfe, denn wer weiß, wann Sie diese Hilfen einmal selbst in Anspruch nehmen müssen und es dann womöglich keine Nachbarschaftshilfe mehr gibt“.
(Von Thomas Seifert)