Hamsterschützer und Bauern protestieren in Kilianstädten gegen Grundstücksverkauf an Rechenzentrums-Betreiber

Nach nur 15 Minuten müssen Gäste und Presse den Bürgertreff Kilianstädten wieder verlassen. Der Tagesordnungspunkt „Veräußerung eines Grundstücks im künftigen Gewerbepark Kilianstädten Nord II“ wird nicht-öffentlich behandelt. Über den Ausgang machen sich die Landwirte und Hamsterschützer, die sich zum Protest am Abend mit Traktoren und Plakaten vor dem Sitzungsgebäude versammelt haben, keine Illusionen. Sie werden Recht behalten. Wie der Vorsitzende der Gemeindevertretung Klaus Ditzel (SPD) am Freitag unserer Zeitung berichtet, stimmte eine große Mehrheit für den Verkauf der Flächen an einen Rechenzentrums-Betreiber.
Schöneck – Zwar hatten die Grünen wie angekündigt der nicht-öffentlichen Beratung widersprochen (wir berichteten). Doch die Mehrheit ist ihnen dabei nicht gefolgt. „Laut Hessischer Gemeindeordnung ist es üblich, dass Grundstücksangelegenheiten nicht-öffentlich verhandelt werden“, erklärt Ditzel. Schließlich ginge es es dabei auch um datenschutzrechtliche Belange. Nicht alle Flächen sind in Besitz der Gemeinde.
Auch für ihren Änderungsantrag, in dem die Grünen dem IT-Unternehmen Vorgaben zum Beispiel zur Nutzung der Abwärme machen wollten, gibt es keine Mehrheit. Ebenso der Vorschlag, den Beschluss noch einmal im Ausschuss zu diskutieren, fällt durch. „Ich halte es für völlig unangemessen, dass so eine wichtige Entscheidung noch nicht mal im Ausschuss diskutiert wurde“, betont der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Seifried im Gespräch mit unserer Zeitung. Seine Fraktion enthielt sich oder stimmte gegen den Verkauf des Grundstücks.
Landwirte sprechen von „Landverschwendung“
Die Landwirte und Hamsterschützer wollten den Gemeindevertretern vor Beginn der Sitzung noch einmal vor Augen führen, was eine Versiegelung der Ackerflächen bedeutet. „Für mich ist das Landverschwendung“, erklärte Landwirt Matthias Wacker. Einige Politiker nahmen sich tatsächlich die Zeit, um mit den Protestlern zu sprechen. Ihre Entscheidung beeinflusste das jedoch nicht.
Manfred Sattler, Gebietsbetreuer in Sachen Feldhamsterschutz, war am Donnerstagabend dabei und kommentiert den Beschluss so: „Jeder, der dafür gestimmt hat, trägt somit eine Mitverantwortung zum Aussterben dieser Art. Aus vielen anderen Bauvorhaben mit eingreifendem Charakter hat sich herauskristallisiert, dass bei den meisten Bauvorhaben die Feldhamsterbestände unwiederbringlich zusammengebrochen sind. Seit dem Bau der Südumgehung NidderauWindecken und einer damit einhergehenden Flurbereinigung ist diese Gemarkung als fast hamsterfrei zu bezeichnen“, sagt er.
CDU-Fraktion spricht von „Meilenstein“ für Schöneck
Carina Wacker, Fraktionsvorsitzende der CDU, nimmt in einer Mitteilung zu der Entscheidung Stellung. „Den Protest einiger Landwirte und Hamsterschützer vor dem Bürgertreff haben wir natürlich zur Kenntnis genommen. Der enorme Flächenverbrauch und die damit einhergehende Vernichtung von wertvollen Naturflächen und Ackerböden ist nicht wegzudiskutieren. Gleichwohl ist für unsere Gemeinde, nicht zuletzt zur Steigerung der Gewerbesteuereinnahmen durch Ansiedlung neuer Unternehmen sowie die Schaffung qualifizierter Arbeits- und Ausbildungsplätze, eine Ausweisung von Gewerbeflächen wichtig. Es gilt hier also wie so oft, verschiedene Interessen abzuwägen.“ Weiteren Beratungsbedarf habe sie nicht gesehen. „Die Unternehmensführung stellte sich persönlich in einer gemeinsamen Sitzung des Präsidiums und des Gemeindevorstands vor, informierte über ihr Unternehmenskonzept, das geplante Projekt in Schöneck sowie vergleichbare Projekte an anderen Standorten und stand für Fragen zur Verfügung“, sagt sie. Ihrer Meinung nach „wurde ein wichtiger Meilenstein gesetzt, um ein solides Unternehmen in Schöneck anzusiedeln“.
Und so geht es jetzt weiter: Derzeit laufen noch verschiedene Genehmigungsverfahren. Zudem können die Vertragsverhandlungen mit den Grundstücksverkäufern beginnen. Die Hamsterschützer kündigten indes an, weiter für den Erhalt der Flächen für den Artenschutz zu kämpfen.
Der Bericht über den eingebrachten Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 folgt in einer der nächsten Ausgaben. Wegen der anhaltend hohen Infektionszahlen hat Bürgermeisterin Conny Rück (SPD) ihre Haushaltsrede nicht wie üblich vorgetragen. Ziel war es, die Sitzung kurz zu halten. Das Papier wurde im Nachgang verschickt. (Mirjam Fritzsche)