Laternenfest: HA begleitet den FC 66 Büdesheim auf seinem Wagen

Gemächlich fährt der Wagen durch die Straßen von Büdesheim. Von allen Seiten jubeln fröhliche Menschen. Manche von ihnen sind verkleidet. Nein, es ist nicht Fasching. Sie alle sind gekommen, um den Festzug des Büdesheimer Laternenfests zu sehen. Mittendrin: Der HA, auf dem ersten Wagen des FC 66 Büdesheim.
Von Sebastian Zeh
„Zieh am besten ein olivgrünes T-Shirt an“, hatte mir der erste Vorsitzende Christian Eichhorn im Vorfeld gesagt. Den Grund dafür hatte er nicht genannt. Als ich dann vor den beiden Hängern der Fußballer stehe, wird der Grund schnell klar: Der Wagen, auf dem ich mitfahren soll, ist ein Geschützturm aus DDR-Zeiten. Davor eine Schaufensterpuppe mit Militäruniform.
Für das diesjährige Motto „Einfach mal träumen“ haben sich die Mitglieder des FC 66 Büdesheim mal eben so den Weltfrieden ausgesucht. Frei nach dem Motto „klotzen, nicht kleckern“ haben sie gleich zwei Wagen vorbereitet. Hinter dem Geschützturm fährt nämlich noch ein zweiter Hänger mit. Darauf zu sehen: die eingerissene Berliner Mauer, umsäumt von Landesflaggen aus sämtlichen Kontinenten, und Vereinsmitglieder, die sich ebenso international verkleidet haben. Grenzen sprengen für den Weltfrieden – beinahe schon ein poetisches Bild, das die Sportler da gewählt haben.
„Der Turm wurde vom TÜV abgenommen, eigentlich sollte er uns drei aushalten“, versichern mir meine beiden Begleiter Adam Rust und der Bruder des Vorsitzenden Andreas Eichhorn. Zwei echte Beusemer Jungs und langjährige Mitglieder des Vereins. Ich vertraue einfach darauf, dass die 13 Helfer, die sich seit 8. Juni dreimal pro Woche zum Bauen, Basteln, Verschrauben und Lackieren getroffen haben, ihre Arbeit gewissenhaft erledigt haben. Und tatsächlich: Die Konstruktion wackelt zwar ein bisschen, ist ansonsten aber erstaunlich stabil gebaut.
Ein Traktor zieht uns kurze Zeit später aus dem Hof, um uns zum Treffpunkt zu bringen. Aber woher weiß unser Chauffeur eigentlich, an welcher Stelle er anhalten muss? „Schau mal an den Straßenrand“, sagt Andreas Eichhorn, als wir entlang der Straße Wiesenau in Richtung Neubaugebiet fahren. Mit großen weißen Zahlen sind dort alle 48 Wagennummern vermerkt.
An Position 21 und 22 halten beide Wagen an, vor uns steht zudem eine Fußgruppe der Jugendfußballer. Schnell noch ein Gruppenfoto, dann ertönt auch schon der Kanonenschlag, der uns bedeutet, dass es losgeht. Andreas Eichhorn schaltet den Generator ein, der unseren Wagen mit Strom und somit auch Licht und Musik versorgt. Für letztere hat er direkt noch eine Halterung für sein Smartphone im Turm angebracht, von dem aus er immer wieder hin und her wechselt zwischen Partymusik und einer Sirene, die voll zu unserem Wachtürmchen passt.
An den Seiten sind zwei bunte Suchscheinwerfer angebracht, die wir in das Publikum richten können. Außerdem sind wir – wie es sich für einen Geschützturm gehört – bewaffnet. Allerdings nicht etwa mit Gewehren und Platzpatronen. „Die sind hier auf dem Umzug sowieso verboten“, erklärt Andreas. Statt dessen haben wir Seifenblasen-Pistolen dabei. Immerhin wollen wir ja den Frieden bringen.
Dann rollen wir los. Aus den beiden großen Boxen unter unserem Turm dröhnt laute Ballermann-Musik. Zugegebenermaßen ist das nicht ganz mein Fall – allerdings kommt das umso besser bei den Menschen an, die an den Straßenrändern stehen und uns zuwinken.
Direkt merkt man auch, dass meine Begleiter Andreas und Adam seit jeher in Büdesheim wohnen. Immer wieder sehen sie unten Freunde und Bekannte stehen, rufen ein fröhliches „Gude“ runter, erhalten hier und da sogar ein Freigetränk.
Ich hingegen bin weder Ortsbürger noch Vereinsmitglied, trotzdem stehe ich genauso im Mittelpunkt des Geschehens wie die beiden Beusemer. Glücklicherweise werde ich von den Schöneckern ebenso freundlich aufgenommen: Von überall schenkt man mir ein freundliches Winken und Lächeln. Das steckt an. Schnell habe ich das Gefühl, dazuzugehören.
Die Sirene, die Andreas immer mal wieder einschaltet, kündigt uns bereits Meter im Voraus bedrohlich an. „Meinst du nicht, dass das die Leute irritiert?“, fragt Adam. „Das soll es doch“, kontert Andreas. Außerdem kommt ja nur Bruchteile später wieder fröhliche Partymusik aus der Anlage, da verzeihen die Leute den vorherigen Lärm schnell.
Besonders gut kommen unsere Seifenblasen an. Nicht nur die Kinder versuchen, hier und da eine zu fangen oder zu zerschlagen. Auch der ein oder andere Erwachsene lässt sich anstecken und hüpft in Richtung unserer „Geschosse“. Und obwohl wir vier Seifenblasen-Pistolen zur Verfügung haben, müssen wir ständig nachladen. Am Ende verfeuern wir über einen Liter Seifenlauge.
Nach etwas über einer Stunde fahren wir am Ziel ein – an der südlichen Hauptstraße. Dort, wo ich mich einige Stunden zuvor mit den Fußballern getroffen habe und wo sie ihre Wagen in einer Scheune zusammengebaut haben. Und es scheint, als habe ich mich in meiner Gastrolle gar nicht so schlecht angestellt. „Wenn du willst, kannst du nächstes Jahr gerne wieder mitfahren“, lautet das Angebot von Christian Eichhorn.