Musical Familie Nidderau präsentiert zweimal verschobene Inszenierung des „Bettelstudenten“

Einfach aufgeben war nie die Sache von Leonore Kleff, auch wenn eine schwere Zeit hinter ihr liegt. Die Operette „Der Bettelstudent“ sollte bereits im Frühjahr 2021 aufgeführt werden. Corona machte einen Strich durch die Rechnung. Der Termin wurde auf das Frühjahr 2022 geschoben. Doch auch dieser Zeitpunkt war nicht zu halten.
Schöneck/Nidderau – Nun, beim dritten Anlauf, feierte die Operette von Carl Millöcker am vergangenen Samstag Premiere im Bürger- treff Kilianstädten. „Wir haben immer nach Möglichkeiten gesucht, um zu üben, wie in Bushallen, der Kirche oder im Garten“, sagt Kleff nach einer vielgefeierten Aufführung und umjubelten Premiere mit stehenden Ovationen. Weitere Termine folgen.
30 Sänger wirken bei der aktuellen Produktion mit, 15 Mädchen im Ballett und 20 Musiker im Orchester. Bis die verspielte Komödie rund um einen Schwerenöter ihren Weg auf die Bühne fand, erlebte sie jedoch Wegbrüche im Chor, Änderungen in der Besetzung und Rollenwechsel.
TV-Moderatorin Michaele Scherenberg überarbeitete das Textbuch, gab jedoch aus Krankheitsgründen die Regie an Daniela Weber ab. Weber, Isabell Schäfer-Fricke, Martin Engel und Peter Steffan von der „Jungen Operette Frankfurt“ sind neu zum Ensemble hinzugekommen.
Kleff zeigt sich glücklich, empfindet große Dankbarkeit für ihr Team und das Publikum. „Ich liebe das, was ich tue. Ich liebe die Musik“, schwärmt sie auch noch nach 25 Jahren Musical- und Operetteninszenierungen im Main-Kinzig-Kreis, für die sie die Gesamtleitung übernommen hat.
Um ihrer im vergangenen Jahr verstorbenen Mutter Gisela zu huldigen, platzierte sie deren Foto auf dem Dirigentenpult, „weil sie so gerne den Bettelstudenten gesehen hätte“. Kleff übernahm das Dirigat im schwarzen Abendkleid und weißen Handschuhen, mit viel Körpereinsatz und großer Leidenschaft. Spritzige Dialoge wechseln in dem Stück mit bekannten Melodien wie „Ach, ich hab sie ja nur auf die Schulter ge-küsst“ oder „Soll ich reden, darf ich schweigen?“ ab. Einen besonderen Reiz vermitteln die Tänze des Balletts. Dessen Mitglieder haben bereits im Alter von neun Jahren begonnen. Die ehemalige Ballettgruppe von Anna Lenz findet sich immer wieder neu für die Produktionen von Kleff zusammen.

Lenz selbst steht seit einem Vierteljahrhundert an der Seite der Nidderauer Kulturpreisträgerin und trägt Verantwortung für die Kostüme und die Choreographie. Andreas Abendroth gestaltete die Kulissen, die bewusst dezent den Rahmen der Aufführung definieren, diesen aber nicht dominieren. Umso mehr kommen die prächtigen Kostüme zur Geltung.
Viel Raum in der Liebesintrige nehmen der Gesang und das Orchester ein. Zudem zeigt sich die Geschichte brandaktuell mit Aspekten der Debatte über sexuelle Übergriffe mitten in Beruf und Gesellschaft, die vor wenigen Jahren in den sozialen Medien aufgekommen ist und weltweit geführt wird. So etwa, als Oberst Ollendorf (Ralph-Peter Hahn) nach vor- angegangenen Handgreiflichkeiten von Laura (Isabell Schäfer-Fricke) spontan abgewiesen wird. Auch die „unsägliche Sparerei“ des verarmten Adels weist Parallelen zur aktuellen sozialen Lage auf.
Zum Publikumsliebling avancierte neben Schäfer-Fricke auch Mykolas Nechajus alias Symon in der Titelrolle als Bettelstudent. An schauspielerischem und gesanglichem Format gewonnen hat Romina Jungk, die sich als Bronislawa immer wieder „kleine Ausfälle aus der allgemeinen Contenance“ erlaubt.

Mit gefühlvoller Körpersprache vermittelt Martin Engel den polnischen Grafen Jan. Peter Steffan gefällt in der Doppelbesetzung Bogumil und Enterich, dem Korporal der Zitadellenwachmannschaft, der das Publikum mit gespielt sächsischem Dialekt erfreut. Andrea Einhoff schlüpft mit großer Spielfreude in die Rolle der Palmatica.
Trotz einer hervorragenden Darbietung blieben zur Premiere einige Zuschauerreihen unbesetzt. Diese Zurückhaltung, wohl nach wie vor bedingt durch Corona, stellt auch ein finanzielles Problem dar. Die Preise für die Eintrittskarten wurden erstmals von 19 auf 22 Euro erhöht. Besonders kostenintensiv ist die Technik. Der Verein beteiligte sich nicht nur an dem Kauf der Kostüme, sondern übernahm auch die Gebühren für die Benutzung der Hallen zu Proben und Aufführungen sowie die Kulissen.
Investitionen, die sich jedoch gelohnt haben. „Das ist es, was uns so lange gefehlt hat“, sagt Bürgermeisterin Conny Rück. „So eine wunderbare Veranstaltung, die gut für die Seele ist. Was hier von Laiendarstellern gezeigt wird, ist sensationell und sehenswert.“ Zuschauer Jürgen Großmann lobt die Darbietung der Solisten. „Die komplette Choreographie ist toll“, ergänzt Doris Pfeiffer aus Mittelbuchen. Ingrid Berg aus Dörnigheim findet Kleffs Leistung toll. Laien wüchsen über sich hinaus. Franz Kunz aus Oberdorfelden: „Das war die schönste Aufführung vom Bettelstudenten, die ich je gesehen habe. Herrlich. Eine grandiose schauspielerische Leistung und wunderbarer Gesang.“
Roswitha Neuffer aus Kilianstädten ist aus Begeisterung direkt in den Verein eingetreten. Sie plant, weitere Vorstellungen zu sehen. Dazu haben sie und alle, die das Premierenwochenende verpasst haben, im Oktober noch sechs zusätzliche Gelegenheiten.
Weitere Termine
Samstag und Sonntag, 1. und 2. Oktober, Willi-Salzmann-Halle Windecken; Samstag und Sonntag, 15. und 16. Oktober, Bürgerhaus Ostheim; Samstag und Sonntag, 22. und 23. Oktober, Kultur- und Sporthalle Heldenbergen. Die Samstagsvorstellungen beginnen jeweils um 19 Uhr, die Sonntagsvorstellungen bereits um 17 Uhr. Weitere Infos unter www.leonorekleff.de