Schöneck debattiert drei Stunden über Rechenzentrum

Schwere Kost für die gut 300 Besucher der Bürgerversammlung am Montagabend im Bürgertreff in Kilianstädten, denn die Bürger wurden mit einer Fülle von Informationen und Meinungen zum vorgesehenen Rechenzentrum im geplanten Gewerbegebiet Kilianstädten Nord II geradezu überhäuft.
Schöneck – Klar war nach der über drei Stunden dauernden Diskussion um das umstrittene Projekt, dass sich bis auf das Thema „Abwärmenutzung“ die Standpunkte von Befürwortern und Gegnern keinen Millimeter angenähert haben. Auf dem Podium hatte die Verwaltung mit Bürgermeisterin Cornelia Rück an der Spitze eine Reihe von Fachleuten platziert, die ebenso wie die drei Mitarbeiter des Rechenzentrumsbetreibers Hetzner GmbH ihre Expertise zu dem umstrittenen Projekt abgeben sollten. Moderiert wurde die Veranstaltung von Karl-Christian Schelzke, Jurist, Ex-Bürgermeister und ehemaliger Chef des Hessischen Städte- und Gemeindebunds, der nicht immer die teils emotional geführten Debatten in geordnete Bahnen lenken konnte.
Die Mitglieder und Unterstützer der Bürgerinitiative „Bündnis lebenswertes Schöneck“ hatten es nämlich gut verstanden, das Frage- und Antwortspiel zu nutzen und ihre ablehnende Haltung durch zahlreiche Meinungsbeiträge zu unterstreichen. Obwohl Barbara Schöller vom Bündnis an diesem Abend ausreichend Zeit gehabt hatte, alle Gründe vorzubringen, weshalb das Rechenzentrum nicht gebaut werden sollte. Sie verwies auch ausdrücklich auf das bereits 2011 beschlossene Klimaschutzkonzept, das zum Ziel hat, dass Schöneck bis 2030 klimaneutral werden soll.
Bündnis: Rechenzentrum widerspricht Leitlinien
„Die Ansiedlung widerspricht den dort festgelegten Leitlinien zur verdichteten Bebauung und der Vermeidung betrieblicher Abwärme“, betonte Schöller. Die Firma Hetzner werde Schöneck mit dem Rechenzentrum über „Jahrzehnte prägen“, eine Risikostreuung sei nicht geplant. Schöller forderte Gemeindevorstand und Parlament deshalb eindringlich auf, von der Planung in der jetzigen Form „Abstand zu nehmen“.
Das Thema „Abwärme“ hatte zuvor das Publikum aufhorchen lassen, denn sowohl Bürgermeisterin Rück als auch Daniel Biller von der Firma Hetzner hatten angekündigt, dass das Unternehmen die Abwärme kostenlos zur Verfügung stellen werde. Der Gemeinde obliege es allerdings, ein Konzept zu entwickeln, wie und wo diese Abwärme genutzt werden könne. Die Rathauschefin räumte ein, man sei noch nicht so weit, jetzt schon eine Lösung vorlegen zu können, aber man befinde sich bei der Aufstellung des Bebauungsplans für Kilianstädten II auch erst auf halber Strecke.
Nächster Schritt ist Offenlegung des Bebauungsplans
Diese Aussage unterstrich Thomas Egel von der gleichnamigen beauftragten Planungsgruppe, der mehrfach darauf hinwies, dass es sich bei dem Prozess der Aufstellung des Bebauungsplans um ein ganz normales Gewerbegebiet handele und nicht um die Genehmigung des Baus eines Rechenzentrums. Der nächste Schritt sei nun die Offenlegung mit anschließender vierwöchiger öffentlicher Einsichtnahme und der Möglichkeit, Argumente gegen den Bebauungsplan zu äußern.
Zum Thema Wasser führte Diplom-Ingenieur Armin Uhrig aus, dass wegen der Bodenbeschaffenheit des vorgesehenen Areals für das Gewerbegebiet dieses Gelände „nicht an der Grundwasserbildung beteiligt ist“, was ein fachkundiger Bürger so nicht stehen lassen wollte, weil die Untersuchungen des Untergrunds schon Jahre zurück lägen. Uhrig verwies auf eigene Bohrungen, die genau das bestätigen würden, was von anderen Gutachtern bereits festgestellt worden sei. Trotzdem würden im Gewerbegebiet Versickerungsstellen vorgesehen.
Erläuterungen zu Grundwasser und Hamsterschutz
Dr. Richard Raskin erläuterte eingehend die Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen für Feldhamster, obwohl auf dem in Frage kommenden Areal kein Bau nachgewiesen werden konnte. Lediglich ein Bau sei etwas außerhalb des zukünftigen Gewerbegebiets gefunden worden. Deshalb plane man auch „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“ in der Größenordnung von knapp zehn Hektar auf verschiedenen Flächen mit hamstergerechter landwirtschaftlicher Bewirtschaftung einzurichten, wovon 50 Prozent freiwillige Maßnahmen seien.

Zum Thema Gewerbesteuereinnahmen stellte Dr. David Rauber verschiedene Rechenmodelle vor, die darauf hinausliefen, dass rund 15 Prozent der Einnahmen bei der Gemeinde verbleiben würden. Der Experte vom Hessischen Städte- und Gemeindebund verwies allerdings darauf, dass durch die Umlagen an den Main-Kinzig-Kreis auch Infrastruktur in Schöneck wie Schulen, Öffentlicher Personennahverkehr oder Straßenverbindungen profitieren würden.
Ein großes Thema war der Flächenverbrauch von etwa 13 Hektar „besten Ackerlands“, wie das Bündnis betonte. Hier wurde das Beispiel Massenheim angeführt, wo ein mehrstöckiges Rechenzentrum mit geringerem Landschaftsverbrauch gebaut würde. „Eine andere Bauweise würde viele Probleme lösen“, gab Ex-Bürgermeister Ludger Stüve zu bedenken. Ihm antwortete Daniel Biller von der Firma Hetzner, das bisherige Konzept fuße auf der zur Verfügung stehenden Fläche. Rathauschefin Rück fügte hinzu, der Bau des Rechenzentrums würde frühestens im Herbst 2024 starten mit Endausbau im Jahr 2035. Bis dahin stünden die noch freien Flächen der Landwirtschaft weiterhin zur Verfügung.
Strom aus 100 Prozent erneuerbaren Energien
„Wir planen eine standardisierte Bebauung nach eigenem architektonischen Konzept mit energieeffizienter Frischluftkühlung. Unseren Energiebedarf decken wir mit 100 Prozent Strom aus Wasserkraft und Photovoltaikanlagen auf dem Dach. Zunächst sollen zwei Rechenzentren gebaut werden, letztlich planen wir Investitionen im dreistelligen Millionenbereich. Im Endausbau werden etwa 100 Beschäftigte in Schöneck arbeiten – gerne aus dem Ort und der Umgebung“, stellte Biller kurz die Pläne und weitere Infos zur inhabergeführten Firma Hetzner GmbH mit einem Jahresumsatz von 350 Millionen Euro und 450 Mitarbeitern an verschiedenen Standorten in Deutschland und Europa vor.
Biller räumte ein, dass jede Einheit des Rechenzentrums mit Dieselgeneratoren ausgestattet sei, um Stromausfälle sofort überbrücken zu können. Diese müssten auch, wie ein Fragesteller anmerkte, gewartet und regelmäßig in Betrieb genommen werden. „Immissionen und Emissionen, die vom Rechenzentrum ausgehen, wurden bislang nicht berücksichtigt“, postulierte der Bürger.
Rück: Bestmögliches Ergebnis für Gemeinde
Bürgermeisterin Rück ist weiterhin der Überzeugung, dass durch die Ansiedlung der Firma Hetzner „ein deutlicher Beitrag zur Finanzkraft der Gemeinde Schöneck“ geleistet werde, man bei der Ausweisung des geplanten Gewerbegebiets den Leitlinien „größtenteils gefolgt“ sei, alle Abstimmungen im Parlament mit großer Mehrheit pro Gewerbegebiet und Rechenzentrum ausgefallen seien und der laufende Prozess „ein bestmögliches Ergebnis für die Gemeinde Schöneck“ bringen werde. Sie kündigte an, dass alle Präsentationen des Abends auf die Homepage der Gemeinde zur Einsicht gestellt würden. (Von Thomas Seifert)