Schöneck: Gehhilfe aus der Nidder geholt: Senior sucht unbekannten Helfer

Der Schreck ist groß. Panik erfasst Wolfgang Beck. Entsetzt starrt der 86-Jährige auf die Nidder. Dort ist gerade mit lautem Platschen eine seiner beiden Gehhilfen im Wasser versunken. Wie soll er jetzt wieder zurück in seine Wohnung im Martin-Luther-Stift kommen?
Schöneck – Ohne seine Gehhilfen oder einen Rollator kann er die Strecke zwischen der Nidderbrücke und dem Altenhilfezentrum in Büdesheim nach einem Beinbruch nicht mehr bewältigen. „Ich bin auf einem Auge blind, und die Sehfähigkeit auf dem anderen beträgt nur noch 20 Prozent“, berichtet er. Den Weg entlang der Nidder zur nahe gelegenen Brücke nimmt er oft.
„Ich füttere mit altem Brot die Enten.“ Auf der Brücke macht er meist in der Mitte halt, stellt seine Gehhilfen ans Geländer, holt die Brottüte heraus und beginnt mit seiner Fütterung. Die Enten kennen ihn schon und warten meist am Uferrand darauf, dass es losgeht. „Das ist mengenmäßig nicht viel, aber ich komme regelmäßig.“
Junger Mann steigt ohne zu zögern in die Nidder
Bisher verlief alles immer problemlos. Und nun das. Was soll er nur machen? Plötzlich nimmt er auf der linken Uferböschung eine Bewegung wahr. Und sieht, wie ein junger Mann durch das hohe, zu diesem Zeitpunkt noch vom Regen nasse Gras vorsichtig nach unten geht. „In der Nähe standen drei junge Männer und haben sich unterhalten. Ich hatte sie zwar auf meinem Weg zur Brückenmitte gesehen, aber vollkommen vergessen.“
Zielstrebig geht der junge Mann zum Wasser, steigt hinein, watet bis zur Stelle in der Flussmitte, wo die Gehhilfe wieder aufgetaucht ist. Er holt sie, geht zurück und übergibt sie an Wolfgang Beck. Der ist sprachlos.
„Der junge Mann war bis zum Bauchnabel pitschnass.“ Bis Wolfgang Beck sich von seinem Schrecken erholt hat, sind die drei jungen Männer weitergegangen. Für sie war die Angelegenheit mit Rückgabe der Gehhilfe an den Senior am vorletzten Wochenende erledigt.
Senior: „Jugend ist besser als ihr Ruf“
Doch für Wolfgang Beck ist sie es nicht. „Ich bin durch mein Elternhaus christlich geprägt. Ich möchte mich unbedingt bei dem jungen Mann für seine Hilfe bedanken. Ohne ihn wäre ich nicht mehr in meine Wohnung gekommen. Er hat mir spontan geholfen, ohne dass ich ihn darum gebeten habe. Das zeigt, dass die Jugend von heute viel, viel besser als ihr Ruf ist.“ Wolfgang Beck hofft, dass der junge Mann sich bei ihm meldet, damit er ihm Dankeschön für seine große und selbstlose Hilfe sagen kann.
Der gebürtige Rendeler lebt seit zehn Jahren im Altenhilfezentrum in Büdesheim. Damals war er mit seiner vor drei Jahren verstorbenen Frau in die Einrichtung gezogen. „Uns hat es von Anfang an sehr gut gefallen. Die Betreuung ist optimal und die Pflege sehr gut.“ In Büdesheim wohnt er gern.
Rentner war früher Jagdpächter in Erbstadt und Eichen
„Ich war Jäger, hatte jahrelang als Alleinpächter die Jagd in Erbstadt und Eichen. Dadurch kenne ich viele Leute in Schöneck und Umgebung.“ Ein großes Anliegen des selbstständigen Großhandelskaufmanns war es immer, im Einklang mit der Natur zu leben.
„Ich habe schon Wildblumenwiesen angelegt, als das noch nicht modern war. Ich hatte früh erkannt, wie schädlich die Spritz- und Düngemittel für die Wildtiere sind. Mit meinen Wiesen und Blühstreifen habe ich ihnen unbelastete Areale zum Äsen angeboten.“
In den Tag startet der Senior am frühen Morgen stets mit der Zeitungslektüre. „Ich lese erst die Politik und dann den Sport“, sagt der langjährige Mittelfeld- und Abwehrspieler des KSV Klein-Karben. Jetzt hofft er darauf, dass der hilfreiche junge Mann ebenfalls ein Zeitungsleser ist oder einen kennt, der ihn von seiner Bitte unterrichtet, sich bei ihm im Büdesheimer Altenhilfezentrum zu melden.
Kontakt
Das Altenhilfezentrum in Büdesheim ist unter der Nummer 06187 9051-0 erreichbar.
(Von Christine Fauerbach)