Schöneck: Geologe kristisiert Gutachten zur Trinkwasserversorgung

Am heutigen Donnerstag, 24. November, endet das Offenlegungsverfahren für den Bebauungsplan der Gemeinde Schöneck zur Erweiterung des Gewerbegebiets Kilianstädten Nord II. Dort ist der Bau des viel diskutierten Rechenzentrums geplant (wir berichteten). In den Antragsunterlagen gibt es auch ein Gutachten zum Thema Grundwasser und Trinkwasserversorgung von Kilianstädten.
Schöneck – Denn das geplante Gewerbegebiet liegt im Wasserschutzgebiet des Brunnens Hellerborn. Dieser Brunnen ist 2021 aufgrund der wiederholten Trockenperioden der letzten Jahre reaktiviert worden, um die Trinkwasserversorgung in Kilianstädten sicherzustellen (wir berichteten).
„Schlecht recherchiert und fehlerhaft“
Dem Thema Grundwasser hat sich der Geologe Guido Vero angenommen, der selbst in Kilianstädten wohnt und sich mit den Grundwasserverhältnissen im Raum Schöneck beschäftigt. Er sieht das Gutachten des Bebauungsplans zum Grundwasser im Hinblick auf die Versorgungssicherheit Kilianstädtens kritisch: „Aus fachlicher Sicht ist dieses Gutachten schlecht recherchiert und fachlich fehlerhaft“, so der Geologe in einer Mitteilung des Bündnisses lebenswertes Schöneck.
In dem Gutachten werde einleitend erklärt, dass von Seiten des Kreisausschusses des Main-Kinzig-Kreises „Bedenken bestehen“, dass die geplante Versiegelung der Fläche des neuen Gewerbegebiets zu einer „erheblichen nachhaltigen Beeinträchtigung der Grundwasserneubildung“ führen wird. Weiter heißt es: „Vor diesem Hintergrund wurde das Fachbüro gebeten, eine Sichtung der kurzfristig verfügbaren Unterlagen sowie der Einschätzung der Verhältnisse vor Ort vorzunehmen und eine erste Stellungnahme zu erarbeiten“.
Thema Grundwasser komme bei Planung oft zu kurz
Aus langjähriger Erfahrung wisse Vero, dass bei der Planung vieler Gewerbegebiete das Thema Grundwasser oft zu kurz komme, so die Mitteilung des Bündnisses. Um sicherzustellen, dass das Gewerbegebiet genehmigt werden kann, versuche die Gemeinde durch ein weiteres Gutachten zu widerlegen, dass das geplante Rechenzentrum im Wasserschutzgebiet des Brunnens Hellerborn liegt. Anhand mehrerer Bohrungen auf der Fläche des künftigen Rechenzentrums sei nun in einer Tiefe von zirka drei bis fünf Metern eine dichte Lehmschicht nachgewiesen worden, die kein Regenwasser in tiefere Schichten sickern lasse, erklärte ein Vertreter des Gutachterbüros auf der Informationsveranstaltung der Gemeinde Schöneck. Daher seien die von der künftigen Versiegelung betroffenen Flächen ohne Relevanz für das Wasserschutzgebiet und könnten ausgeschlossen werden. Außerdem sei ein Versickerungsbecken für anfallende Niederschläge geplant.
Dies sei nur Augenwischerei, entgegnet Vero. Denn in der Versickerungsfläche lande nur Niederschlagswasser, das bei Starkregenereignissen nicht rechtzeitig in die Kanalisation eingeleitet werden könne. Der Rest werde über die Kanalisation in die Kläranlage nach Niederdorfelden geleitet und gehe damit für die Grundwasserneubildung des Brunnens verloren.
Bohrungen zeigten „Scheinrealität“
Dass sich im Untergrund eine dichte Lehmschicht befinde, sei schon richtig, bestätigt Vero. Eines hätten die Experten aber übersehen: „Das Gebiet ist während und nach der letzten Eiszeit oberhalb der erbohrten drei bis fünf Meter durch Wind, Flüsse und Bäche überprägt worden.“ Es hätten sich Rinnen gebildet, in denen sich feine Sande ablagerten, bevor der wertvolle Löss sie überdeckte und der heutige Ackerboden entstand, so Vero. Und genau das sei das Problem. Diese grundwassergefüllten Rinnen durchzögen die für den Bau des Rechenzentrums geplanten Flächen und schlängelten sich talwärts in Richtung des Brunnens Hellerborn, wie in Satellitenbildern zu erkennen sei, erklärt der Geologe.
Da diese Rinnen durch Bohrungen schwer zu erfassen seien, würden die im Rahmen des durch die Gemeinde beauftragten Gutachtens durchgeführten Bohrungen eine Scheinrealität wiedergeben, die keine Rückschlüsse darauf zulasse, ob das geplante Rechenzentrum aus dem Wasserschutzgebiet und damit aus dem Wassereinzugsgebiet des Brunnens Hellerborn ausgeschlossen werden könne.
Geologe fordert, dass der Betreiber einen neuen Brunnen baut
Zudem seien in Kilianstädten geologische Bruchzonen im Gestein zu finden, in denen das Wasser dieser Rinnen versickern könne. „Um den gesicherten Nachweis zu führen, müsste man die Anzahl der Bohrungen auf der Fläche des künftigen Rechenzentrums deutlich erhöhen, besser wäre ein Schurf über die gesamte Fläche. Das wäre aber nicht wirtschaftlich umsetzbar“, so Vero.
Außerdem rät er zu Grundwassermarkierungsversuchen, die Rückschlüsse auf den Anteil des Gewerbegebietes an der Grundwasserneubildung des Brunnens zulassen. Berücksichtige man die Tatsache, dass immer mehr Niederschläge stark lokal begrenzt niedergehen, sei jeder Quadratmeter eines Wassereinzugsgebiets wichtig.
Ob nun Gewerbegebiet mit oder ohne Rechenzentrum – der Geologe sieht den gesamten Bebauungsplan kritisch, weil das Thema Grundwasser nur mangelhaft untersucht sei. Vero schlägt deshalb vor, den künftigen Betreiber des Rechenzentrums zum Bau eines neuen Brunnens für die Sicherung der Wasserversorgung Kilianstädten zu verpflichten oder zumindest zu motivieren. fmi