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Die Pandemie änderte auch die Arbeit der Kreis-Kulturbeauftragten Andrea Sandow

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Ist von der Kulturszene im Kreis begeistert: Andrea Sandow ist überzeugt, dass sich viele Kulturschaffende aus unserer Gegend mit den Großen messen können.
Ist von der Kulturszene im Kreis begeistert: Andrea Sandow ist überzeugt, dass sich viele Kulturschaffende aus unserer Gegend mit den Großen messen können. © PATRICIA REICH

Der Weg zu diesem Feriengespräch führt über die hessischen Grenzen hinaus in den beschaulichen Ort Geiselbach in Unterfranken. Was sich nach einer weiten Entfernung anhört, ist eigentlich nur knapp über zehn Kilometer von Gelnhausen entfernt. Den Weg in die Barbarossastadt kennt Andrea Sandow auswendig, denn beinahe täglich fährt sie diese Strecke – und das bereits seit Jahren.

Sandow ist seit 2019 die Kulturbeauftragte des Main-Kinzig-Kreises. Genauer die Fachbereichsleiterin Kultur beim Amt für Kultur, Sport, Ehrenamt und Regionalgeschichte. Doch bereits vor ihrem neuen Amt war sie für den Kreis tätig.

Auf der Terrasse ihres gemütlichen Reihenhauses, die mit sattem Grün umringt ist und hervorragend vor dem teils verregneten Sommerwetter schützt, erzählt die Diplom-Philosophin, warum sie unbedingt die Stelle als Kulturbeauftragte haben wollte, wie sie die Kulturszene des Kreises bewertet und was sich durch die Pandemie geändert hat.

Die 59-Jährige ist ein Profi in Pressearbeit

Dass die heute 59-Jährige ein echter Profi ist, was Pressearbeit angeht, steht außer Frage. Ab dem Jahr 2000 arbeitete Sandow als freie Mitarbeiterin für verschiedene Tageszeitungen. Die Kreispolitik war ihr Steckenpferd, doch auch später, als Redakteurin, genoss sie es, über die verschiedensten Themenbereiche zu berichten. 2008 übernahm Sandow elf Jahre lang die Pressearbeit für das Landratsamt des Main-Kinzig-Kreises. Und dann beschloss die Mutter zweier erwachsener Kinder, sich einer neuen Herausforderung zu stellen: „Als die Stelle zur Kulturbeauftragten ausgeschrieben war, wollte ich das unbedingt machen. Ich dachte mir nur, den Job musst du kriegen.“

In einem offiziellen Bewerbungsverfahren setzte sie sich gegenüber den anderen Bewerbern durch. „Ich hatte bereits durch meine Pressearbeit beim Landratsamt viele Kulturveranstaltungen begleitet und war mit der Kulturförderung vertraut. So hatte ich viel Erfahrung“, erzählt sie. Zudem ist sie leidenschaftlich gerne in ihrer Freizeit als Stadt- und Erlebnisführerin in Gelnhausen tätig, engagiert sich im Geschichtsverein und in vielen anderen kulturellen Bereichen.

„Am Anfang war ich überrascht, wie viel Administratives zu tun war als Kulturbeauftragte. Da musste ich mich erst einfinden. Doch ich hatte viel Hilfe von meinem Vorgänger Matthias Schmitt, der unser Amtsleiter ist, und somit eine super Einarbeitungszeit.“ Doch nach einem Jahr kam die Pandemie und brachte ganz neue Herausforderungen mit sich.

„Wir haben keinen Verein im Regen stehen lassen.“

„Seit eineinviertel Jahren ist es eine ganz andere Arbeit durch Corona. Zunächst habe ich teilweise die Pressestelle unterstützt, da der Bedarf an Pressemeldungen entsprechend hoch war. Und dann, im Sommer 2020, ging es mit den Corona-Hilfen los.“ Das sei für alle neu gewesen, Förderprogramme mussten herausgesucht und Lösungen gefunden werden, um den Kulturschaffenden zu helfen. „Viele Recherchen, viel Unsicherheit“, fasst Sandow diese Zeit zusammen. „Man ist ein ganzes Stück über sich selbst hinausgewachsen.“ Und im gleichen Atemzug zieht sich ein breites Lächeln über ihre Lippen, als sie hinzufügt: „Ich kann jetzt sagen, dass wir keinen Verein im Regen haben stehen lassen.“

Auch die Planungen für Kulturveranstaltungen seien eine komplett andere Arbeit gewesen. „Die Umsetzung der Hygieneauflagen, die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt. Das alles kam hinzu. Doch wir sind so weit gut durchgekommen.“ Für jeden Kulturschaffenden, der sich an sie gewandt hat, hatte sie stets ein offenes Ohr, initiierte Ausstellungen auf der Etage des Landratsamtes, vergab kleinere Aufträge und förderte, wo sie nur konnte.

„Gesamtbetrachtet ist die Vernetzungsarbeit im letzten Jahr verstärkt in den Vordergrund gerückt und die Vernetzung innerhalb Hessens besser geworden“, zieht Sandow auch etwas Positives aus der Ausnahmesituation. „Ich konnte dank Onlineschalte an den Meetings vom Land Hessen teilnehmen. Vorher war es nicht immer zeitlich möglich nach Wiesbaden zu fahren.“ So habe sie nun auch ein Gesicht von den Kulturbeauftragten der anderen Landkreise vor Augen.

Doch auch persönlich hat die gebürtige Genthinerin die Kulturveranstaltungen während des Lockdowns sehr vermisst: „Die Lesungen, Konzerte und auch das Kino“, zählt sie auf. „Die Zeit war für mich sehr niederdrückend. Die Streaming-Dienste konnten das Kino für mich zwar ganz gut ersetzen, aber eine Museumsausstellung habe ich online nicht besucht“, erzählt Sandow und begründet: „Es ist nicht das kulturelle Erleben, was ich mir wünsche.“

Online-Format könnte als Zusatz zum Live-Event weiter laufen

Zwar sei es auch zwangsläufig nötig, den Kultursommer Main-Kinzig-Fulda ins Internet zu verlegen, aber das könne „die Begegnung mit den Menschen nicht ersetzen“. Gleichwohl sieht sie aber in der Bereitstellung von beispielsweise Konzertvideos im Internet eine gute Möglichkeit, um Menschen, die solche aufgrund eingeschränkter Mobilität oder gesundheitlicher Schwächen nicht besuchen können, an diesen teilhaben zu lassen. „Die Mitschnitte vom Kultursommer hatten und haben einen guten Zulauf. Auch die Vorstellung der Kulturpreisträger 2020 kamen auf eine enorme Reichweite mit über 20 000 Klicks. Da hat der Künstler am Ende auch was von und kann seinen Bekanntheitsgrad erhöhen. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Online-Format als Zusatz zum Live-Event weiter angeboten wird. Bewegte Bilder sind die Zukunft, da müssen wir am Ball bleiben.“

Dass Sandow mit der Zeit geht, spiegelt sich auch in der Organisation des Kultursommers Main-Kinzig-Fulda wider. So gibt es kein Veranstaltungsheft mehr. „Die Veranstaltungen nur noch online anzukündigen war Corona geschuldet, da wir flexibel sein mussten. Es hat aber auch ökologische Gründe“, erklärt sie. Außerdem hat seit Kurzem der Kultursommer eine eigene Facebook-Seite.

Ihr persönliches Highlight im Veranstaltungskalender ist allerdings nicht der Kultursommer, sondern der Kulturpreis. „Da macht die Vorbereitung schon so viel Spaß und der Abend ist die schönste Veranstaltung überhaupt“, kommt sie ins Schwärmen. „Menschen aus dem gesamten Kreis und aus dem gesamten Kulturbereich kommen hier zusammen und auch ehemalige Kulturpreisträger sind stets dabei. Es ist so wunderschön und feierlich.“

Und wie bewertet die Kulturbeauftragte generell die Kulturszene der Region? „Ich finde unsere Szene sehr gut, es gibt viele kleine Schätze zu finden, die sich mit den Großen messen können. Wir müssen uns nicht verstecken“, ist sie sich sicher.

Ausbaubedarf sehe sie noch in der Literatur. „Ich würde gerne noch mehr Autoren höheren Ranges hier begrüßen. Doch dafür ist Raumkapazität nötig, die die meisten Buchhandlungen nicht bieten können. Hierfür eine Lösung zu finden steht auf meiner To-do-Liste.“ Als eingefleischte Leseratte, die vor ihrer Presselaufbahn in einer Buchhandlung gearbeitet hat, ist das quasi ihr Fachgebiet. „Ich lese sehr gerne und sehr viel“, sagt Sandow, die seit März 2020 zudem ehrenamtlich für das Bürgerforum im Geiselbacher Gemeinderat sitzt, und deutet mit einem Kopfnicken auf das große, bis zum Anschlag gefüllte Bücherregal im Wohnzimmer, das eine komplette Wand vereinnahmt. „Das sind nicht alle Bücher“, fügt sie lachend hinzu. „Im Keller sind noch einige mehr.“

John Irving ist ihr großes Vorbild

Ihr großes literarisches Vorbild ist John Irving, der einen großen Eindruck bei ihr hinterlassen hat. „Ich habe ihn mal auf der Buchmesse erlebt und er ist mein Lieblingsautor, da er versteht, was in unserer Zeit wichtig ist. Er hat mich durch seine Bücher dazu bewegt, den Menschen selbst zu entdecken und nicht nur oberflächliche Urteile zu fällen.“

Wenn sie die Wahl zwischen dem Besuch einer Lesung oder einer anderen Veranstaltung hätte, würde sie auf jeden Fall die Lesung bevorzugen. Und wenn sie dafür den perfekten Veranstaltungsort auswählen müsste, wäre die Lesung auf Schloss Ramholz. Aber auch die Kaiserpfalz in Gelnhausen und Schwarzenfeld in Sinntal wären ihrer Meinung nach perfekte Kulissen für Veranstaltungen.

Und wenn die viel beschäftigte Powerfrau einmal ausspannen möchte, genießt Sandow die Abendstimmung und die Sonnenuntergänge auf dem Halbmond in Gelnhausen. „Dort hat man einen guten Blick über das Kinzigtal und kann bis nach Frankfurt schauen.“ Aber auch der Schlüchterner Raum mit dem Bergwinkel hat es ihr angetan. „In der Saline in Bad Orb hole ich mir meine Heimat in den Main-Kinzig-Kreis“, verrät die Kulturbeauftragte, die in Greifswald an der Ostsee studiert, gearbeitet und viele Jahre dort gelebt hat. „Ich liebe die Spaziergänge an der Ostsee. Die Luft in der Saline erinnert mich daran.“ Um mal aufzutanken, schlendert Sandow auch gerne durch den Kurpark in Bad Soden-Salmünster.

Für die Zukunft hat sie auch noch eine weitere „Baustelle“, der sie sich widmen möchte: „Die Förderung junger kreativer Erwachsener sollte weiter ausgebaut werden. Ich möchte nicht nur unterstützen und umsetzen, sondern auch etwas anschieben.“ (Patricia Reich)

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