Wenig Bewusstsein für Kreispolitik

Main-Kinzig-Kreis – Statt Glückwünsche entgegenzunehmen, gratulierte Wahlsieger Thorsten Stolz lieber selbst – und zwar dem Oberissigheimer Schreinermeister Heinrich Schäfer zu dessen 100. Geburtstag (siehe auch Seite 18). Keine 24 Stunden nach seinem überzeugenden Erfolg bei der Landratswahl war der Sozialdemokrat somit wieder zurück im alltäglichen Geschäft.
Und auch seine Herausforderin Gabriele Stenger (CDU) gönnte sich nach dem aufreibenden Wahlkampf keine Pause und saß am Morgen wieder am Schreibtisch ihrer Kanzlei.
Die Aufarbeitung des Wahlsonntags ist nun die Aufgabe der beiden Parteien. In beiden Lagern wird man bereits in den Tagen vor der Wahl damit begonnen haben. Denn wenn man in die Parteien hineinhört, hatten sowohl Christdemokraten als auch Sozialdemokraten ein solches Ergebnis erwartet: 67,5 Prozent für Stolz, immerhin 32,5 Prozent für die bis zu ihrer Nominierung weitestgehend unbekannte Kandidatin Gabriele Stenger.
„Dass es gut läuft, das haben wir bereits im Wahlkampf sehr deutlich wahrgenommen“, meint Andreas Hofmann, der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Main-Kinzig. Da sei an den Ständen ein sehr großer Zuspruch für den Landrat zu spüren gewesen.
Omnipräsenter Amtsinhaber
Weniger euphorisch, aber keineswegs enttäuscht äußerte sich Max Schad, der Kreisvorsitzende der CDU. Man sei einverstanden mit dem Ergebnis und eigentlich sogar „recht zufrieden“. Da klingt deutlich heraus, dass selbst die Optimisten bei den Christdemokraten an einen Erfolg der krassen Außenseiterin nicht wirklich geglaubt haben dürften. Gegen einen omnipräsenten Amtsinhaber in einem riesigen Flächenkreis in so kurzer Zeit Augenhöhe zu erreichen, sei eine kaum zu bewältigende Aufgabe, meint Schad. Nicht ohne seine Parteibasis für die Mühen und den engagierten Wahlkampf zu loben.
Und dennoch bleiben einige Fragen, mit denen sich nun sowohl CDU als auch SPD auseinandersetzen wollen: Zum Beispiel die, warum die Wahl offenbar nur wenige Menschen interessiert hat. Mit knapp 27 Prozent liegt dem Urnengang die zweitschlechteste Beteiligung in der Geschichte von Landratswahlen im Main-Kinzig-Kreis zugrunde. Nur bei der Stichwahl zwischen Günter Frenz und Erich Pipa waren es 2011 mit 21 Prozent noch weniger. „Ich glaube wir müssen den Leuten noch einmal klar machen, dass der Kreis ein enorm wichtiger Dienstleister für die Kommunen ist, und dass es nicht egal ist, von wem dieser regiert wird“, lautet ein Ansatz von Andreas Hofmann. Ein zweiter klingt aus Sicht der SPD optimistischer: „Bei vielen hat auch eine Zufriedenheit mit dem Status quo dazu geführt, dass sie nicht zur Wahl gegangen sind.“ Ein Wechselwille sei nicht zu spüren gewesen.
Max Schad zieht aus der schwachen Wahlbeteiligung den Schluss, dass man die Themen, die den Kreis betreffen, in Zukunft noch stärker zuspitzen müsse, um sie ins Bewusstsein der Menschen zu bekommen. Er hat festgestellt, dass es bei Veranstaltungen und an den Wahlkampfständen in Hanau besonders schwierig gewesen sei, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Mit gerade einmal 17 Prozent verzeichnete die Grimm-Stadt die niedrigste Wahlbeteiligung aller 29 Kommunen.
Zumindest bei den an der Kreispolitik interessierten Hanauern mag auch die bevorstehende Auskreisung die Motivation gedämpft haben. Denn ab dem 31. Dezember 2025 wird Hanau in die Selbstständigkeit entlassen und somit aus dem direkten Einflussgebiet des gewählten Landrats ausscheiden.
Hanauer weniger Bezug zum Restkreis
Andreas Hofmann glaubt, dass die Hanauer durch die große Präsenz ihres Oberbürgermeisters und die jetzt schon starken Strukturen einer Sonderstatusstadt das Gefühl haben, dass die Entscheidungen ohnehin Rathaus getroffen werden und nicht etwa in der Kreisverwaltung.
Dass der Gelnhäuser Stolz vor allem im Ostkreis gepunktet hat, ist für beide Vorsitzenden keine Überraschung. Von Hanau bis nach Brachttal sei es dann doch „sehr weit“, meint Schad. (Von Holger Weber-stoppacher)

