Weniger Aussteller in Wächtersbach

Wächtersbach – „Endlich mal wieder Messe.“ Mit diesen Worten spricht Bürgermeister Andreas Weiher (SPD) den Anwesenden der Eröffnungsveranstaltung zur 72. Messe Wächtersbach ganz offenkundig aus dem Herzen. Zwei Jahre fand keine Messe statt - in diesem Jahr ist es wieder so weit. Der Dank für die Organisation richtet sich ein ums andere Mal an Ute Metzler und ihr Team, die – so Weiher – „allergrößten Respekt und Applaus“ verdient haben.
In der gut gefüllten Heinrich-Heldmann-Halle sammeln sich Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um eingestimmt zu werden auf neun Tage Messe.
Das bestimmende Thema: Digitalisierung. Nach langen Jahren steht genau dazu endlich wieder einmal eine Frau als Festrednerin auf der Bühne: Prof. Dr. Kristina Sinemus (CDU), die Hessische Digitalministerin, die zudem einen Förderbescheid in Höhe von knapp 1,7 Millionen Euro in der Tasche hat.
Moderator: Eine Befreiung hoch Hundert
Moderator Daniel Fleckenstein von Radio Primavera formuliert es in seinen Begrüßungsworten: „So ein schönes Aufatmen, dass wir das jetzt wieder machen können. Letzten Endes ist das eine Befreiung hoch Hundert, dass es jetzt wieder weitergeht.“ Das sehen auch die Messebesucher so, die gleich in den ersten Minuten dicke Trauben vor dem Eingang bilden. Dazu beigetragen hat möglicherweise auch das „Family-Weekend-Ticket“ mit 50 Prozent Ermäßigung auf die Eintrittspreise am ersten Messe-Wochenende. „Ein Geschenk an die treuen Besucher der Messe Wächtersbach nach langer Zeit der Entbehrungen“, wie es von Seiten der Organisatoren heißt. „Nahezu 250 Aussteller“ präsentieren sich mit einem Mix aus Trends, Innovation, Neuheiten, Lifestyle, Genuss und Bewährtem, etwa aus den Bereichen Bauen, Wohnen, Renovieren, Handel und Handwerk. Aber Freizeit, Garten und Mode sind berücksichtigt.
Corona habe Spuren hinterlassen in der Veranstaltungs- und Messebranche, wie Weiher ausführt. Es seien weniger Aussteller vor Ort, da „einige die Coronazeit nicht überstanden haben“, andere aufgrund der Ukrainekrise ihre Waren aktuell nicht liefern könnten. Weiher verurteilte den „Angriffskrieg, der direkt unsere Sicherheit und unsere Freiheit gefährdet, und auch unsere Wirtschaft.“ Der Warenverkehr sei an vielen Stellen ins Stocken geraten, was sich auch auf die Messe auswirke. Ein kleiner positiver Effekt sei jedoch: „Die Gesellschaft rückt zusammen. Europa muss zusammenhalten.“
Informationen fließen nur noch digital
Die Klimakrise sei eine weitere Bedrohung, die uns alle beträfe. Die Messe tue schon sehr viel, angefangen beim Plastikverbot bis hin zu Fahrradboxen. Neu: Es gibt keinen haptischen Ausstellerkatalog mehr, die Informationen fließen nur noch digital.
Die Messe mit ihrer „lebensfrohen Mixtur“ ermögliche eine persönliche Begegnung, das Erfassen der Marktinnovationen mit allen Sinnen und sei „ein Fels in der Krisenbrandung in diesen ungewissen Zeiten“.
Ähnlich formuliert das Landrat Thorsten Stolz (SPD), der die Messe als „wichtigen Beitrag zur Wirtschaftsförderung und Plattform für Kommunikation und Begegnung“ bezeichnete und für die Messezeit Wächtersbach „zur heimlichen Hauptstadt des Main-Kinzig-Kreises“ adelte. Die Messe stehe für Tradition, Innovation, Information, aber auch für Aufbruch. „Die Menschen brauchen Zuversicht. Wir richten den Blick nach vorn, auch über den Tellerrand hinaus.“ Mit Blick auf die Geflüchteten aus der Ukraine dankte Stolz allen „die sich im Bereich der Flüchtlingsunterstützung engagieren.“
Stolz: „Wir dürfen nicht nachlassen“
Der Kreis sei ein attraktiver Wohn- und Wirtschaftsstandort mit einer geringen Arbeitslosenquote. Viel werde investiert in Bildung und Schulen, gerade im Bereich der Digitalisierung. Bezüglich des Glasfaserausbaus nehme der Main-Kinzig-Kreis eine Vorreiterrolle in Hessen ein. Und was die erneuerbaren Energien anbelange, gehöre der Kreis „zu den Motoren der Energiewende in Hessen.“ Kein Grund, sich zurückzulehnen: „Wir dürfen nicht nachlassen, sondern müssen noch eine Schippe drauflegen“, so Stolz.
Als Freundin des ländlichen Raums präsentiert sich schließlich Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus. Die Schirmherrin betont in ihrer Ansprache, die Pandemiezeiten hätten dem Thema Digitalisierung „einen Schub gegeben“. Mittlerweile sei es üblich, „die Möglichkeiten der guten digitalen Infrastruktur zu nutzen.“ Der ländliche Raum sei „der Ermöglichungsraum der Zukunft“, wer den ländlichen Raum stärke, stärke das Land. Das digitale Angebot solle das Leben erleichtern, aber eben auch als Angebot verstanden werden. „Digital heißt nicht, dass die analoge Welt endet. Das digitale Angebot wird unser Leben einfacher machen.“ Und es gelte, bei der Entwicklung der Infrastruktur „Energie-Effizienz mitzudenken.“
Um die Verwaltungsdigitalisierung voranzubringen, haben die vier Kommunen Wächtersbach, Bad Soden-Salmünster, Bad Orb, Birstein, Sinntal und Steinau einen gemeinsamen Förderantrag gestellt. Die Zusage für knapp 1,7 Millionen Euro Fördergelder krönt die Feierstunde im Bürgerhaus. Im Rahmen einer interkommunalen Zusammenarbeit sollen künftig die Herausforderungen bei der Umsetzung der „e-Governmentprozesse“ gemeinsam angegangen werden. Zudem soll eine Ehrenamts-Cloud für die Vereine entwickelt werden – eine Plattform also, auf der sich die Ehrenamtler austauschen, chatten und Kalender teilen können.
Kreis präsentiert sich in eigener Halle
Der Rundgang über das Messe-Gelände verdeutlicht den Ehrengästen die Vielfalt des Angebots: Der Main-Kinzig-Kreis präsentiert sich in einer eigenen Halle, es gibt eine landwirtschaftliche Ausstellung mit Bauernmarkt und eine Tierschau mit Streichelzoo, eine Sonderausstellung „Project X1– Ausflug in fremde Galaxien“ und ein Kinderland. Am Dienstag findet zwischen 8 und 16 Uhr eine Berufs- und Ausbildungsmesse statt, und jeden Tag lockt ein Musikprogramm ins Messezelt. (Von Andrea Euler)
