Als noch der Zwergefährer auf dem Main unterwegs war

Der Geschichts- und Heimatverein Mainhausen (GHV) ging dieser Tage wieder einmal einer historischen lokalen Begrifflichkeit auf den Grund. In diesem Fall ging es um die historische Berufsbezeichnung „Zwergefährer“.
Mainflingen - Beim Forschen nach den eigenen Vorfahren im Mainflinger Familienbuch stößt man im Anhang des Buches unwillkürlich auch auf umfangreiche Register, unter anderem zu Berufen. Zu finden sind dort für Mainflingen typische Berufsbezeichnungen wie Streichfeuerzeugfabrikant oder Streichfeuerzeugverfertiger, weil die Streichholzherstellung bis zum Verbot der giftigen und brandgefährlichen Herstellung für einige Mainflinger Familien das Einkommen sicherte. Außergewöhnlich und rätselhaft ist jedoch die unter „Z“ registrierte Berufsbezeichnung Zwergefährer. Bei genauerer Betrachtung erfährt der Familienbuch-Leser, dass der Beruf von dem am 7. August 1775 in Mainflingen geborenen Peter Griesfeller ausgeübt wurde, der in den Kirchenbüchern neben Zwergefährer auch als Schiffer und Ackersmann, also Landwirt, bezeichnet wurde.
Peter war ein Enkel von Gottfried Griesfeller, der um 1715 in Klein-Welzheim namentlich genannt wird, und 1718 mit seiner Familie nach Mainflingen übersiedelte. 1725 wurde sein Beruf mit Wirt angegeben, 1735 war er Schiffbauer und 1741 Fährmann. Der wichtigste Schritt gelang ihm jedoch schon 1730. Er erreichte, dass ihm die Stadt Aschaffenburg, die in Mainflingen das Fährrecht ausübte, dieses Recht als männliches Lehen erblich verbriefte. Damit konnte es von Generation zu Generation an männliche Erben weitergegeben werden.
Schwierigkeiten mit der Erbbestandspacht für Fährbetrieb in Mainflingen
Schwierigkeiten gab es jedoch 1831 beim Tod seines Enkels, des oben genannten Zwergefährers Peter Griesfeller. Peter war mit der Bezahlung der Erbbestandspacht in Rückstand geraten und schuldete der churfürstlich-mainzischen-oberstiftischen Stadt Aschaffenburg 82 Gulden und 30 Kreuzer.
Da sein Sohn Andreas als Erbe weder diese Summe noch die Summe für den neuen Pachtbrief über 40 Gulden und 35 Kreuzer aufbringen konnte, einigte sich seine Tochter Anna Maria und ihr Ehemann Andreas Löser mit der Stadt Aschaffenburg. Sie bezahlten für die Schulden und einen neuen Pachtbrief 135 Gulden, und das Erblehen wurde ausnahmsweise auf die Tochter übertragen, mit dem ausdrücklichen Hinweis des Stadtmagistrats Aschaffenburg: „Welche absolute Ausnahme sich jedoch auf ihre weibliche Person (der Anna Maria) beschränkt und keineswegs auf andere Fälle zu extendiren ist“.
Mainflingerin Anna Maria stirbt bei Schiffsunfall
Doch das Leben von Anna Maria endete auf tragische Weise mit 51 Jahren: Sie ertrank am 12. April 1853 bei einem Unfall im Zusammenhang mit einem Kettenschiff und wurde erst am 4. Mai im entfernten Groß-Steinheim tot an Land gezogen. Das Erblehen blieb in den Händen der Familie Löser, die es später durch eine Abstandszahlung an die Mainbrückenkasse Aschaffenburg ablöste.
1919 hat die Gemeinde Mainflingen den Fährbetrieb übernommen und von der Ortsmitte in den Bereich unterhalb der Kirche verlegt. Mit einer neuen hochseilgeführten Gierfähre wurde die vor allem für viele hiesige Arbeitnehmer wichtige Anbindung Mainflingens an die auf der anderen Flußseite liegenden Bahnstrecke gesichert.
Nach dem zweiten Weltkrieg auf Elektroantrieb umgerüstet und erneuert, wurde der Fährbetrieb 1989 nach dem Bau der Kilianusbrücke – nach vorheriger Verkürzung der Fahrdienste – endgültig eingestellt. Die Wirtschaftlichkeit war zuletzt nicht mehr gegeben, da immer weniger Wagen diesen Fährüberweg nutzten. Gab es doch mittlerweile Main- und Autobahnbrücken in der näheren und weiteren Umgebung als gute Alternative für die Autofahrer.
Das steckt in Mainflingen hinter dem Begriff „Zwergefährer“
Es zeigt sich, dass ein Zwergefährer auch Schiffer und Fährmann sein konnte, dass der Beruf sowohl mit der Mainschiff- als auch Mainüberfahrt zu tun hatte. Dementsprechend wird aus dem Zwergefährer ein Zwerchfährer, ein quer zur eigentlichen Fahrtrichtung fahrender Querfährer, und demnach einfach nur ein Fährmann.
Auch der Volksmund kann mit dem Begriff „zwerch“ etwas anfangen. Eine Person, die mit allem und mit allen immer überkreuz liegt, wird schon mal gerne als „iwwerzwersch“ gekennzeichnet.
Rückblickend bleibt zu sagen, dass zu jeder Jahreszeit und jedem Wetter die Mainflinger Fährmänner für eine sichere Überfahrt und dabei für die ein oder andere imposante Anekdote sorgten. Auch wenn die Fähre bei Hochwasser und Eisgang nicht mehr fahren konnte und im „Neweloch“ – eine kleine Bucht, die als Ankerplatz für die Fähre diente – angebunden war, wurde der Nachen an das Hochseil angehängt und, wenn nötig, mit dem Fuhrbaum durch die Eisschollen gestakt. Wenn die Eisschollen gefährlich hart an die Bordwand krachten und das Hochwasser gurgel-te, konnte sich so mancher Passagier ein ehrfürchtiges „Jesses Maria!“ nicht verkneifen. (tku)