Pflegeheim-App ermöglicht schnellere Kommunikation im Aurelius-Hof Mainhausen

Die Corona-Krise hat die Seniorenpflegeheime auf eine harte Belastungsprobe gestellt. „Die Ungewissheit ist zum ständigen Begleiter geworden. Immer öfter sind Dinge, die am Morgen noch galten, am Abend schon wieder überholt“, sagt Anne-Katrin Haas, Leitung für Personal und Dienstleistungen im Aurelius-Hof in Mainhausen. Das Pflegeheim will aus der Krise Lehren ziehen und an der Verständigung der Mitarbeiter untereinander, aber auch mit Angehörigen und Bewohnern feilen.
Mainhausen – „Die althergebrachte Kommunikation mittels Post oder schwarzem Brett hilft heute nicht mehr weiter,“ sagt Anne-Katrin Haas. Informationen wie Dienstanweisungen und neue Hygienerichtlinien sollen in Zukunft nicht per Papierausdruck in den Fächern der Mitarbeiter landen, sondern auf digitalem Weg vermittelt werden – schnell und verlässlich.
Geschäftsführerin Anja Kaiser hat hierfür ihren Ex-Mann Mike Kaiser, mit dem sie 2004 das Unternehmen Aurelius-Hof ins Leben rief, ins Boot geholt. Er ist Gründer von Likwidcare, Softwareentwickler mit Sitz in Mainhausen, und hat mit seinem Team eine App entwickelt, die den Alltag in der Pflegeeinrichtung Zug um Zug einfacher, bequemer und sicherer machen soll.
„Wir haben uns den Markt angesehen und festgestellt, dass es bereits einige solcher Apps gibt“, sagt Mike Kaiser von Likwidcare, „aber keine von ihnen ist wirklich auf das Ökosystem eines Pflegeheims ausgelegt.“ Es reiche nicht aus, nur Mitarbeiter oder Angehörige zu adressieren – eingebunden werden müssten ganz viele Partner bis hin zu Hausmeister, Fußpflege und Friseur. „Die App bietet einen Ort, an dem alle zusammenkommen.“
In der Krise hätten sich die Mitarbeiter der Pflegeheime zwar mit SMS-Ketten oder WhatsApp-Gruppen beholfen. „Das ist aber nicht datenschutzkonform“, sagt Mike Kaiser, der sich nun daran macht, die Marktlücke zu stopfen: „Wir fangen klein an.“
Das Land Hessen fördert im Rahmen seines Programms „Distral“ den Ausbau der App hin zu einem mobilen Betriebssystem für Pflegeheime und ähnlich strukturierten Betrieben. Likwidcare sucht weitere Betriebe als Beta-Tester, ist bereits im Gespräch mit weiteren Interessenten.
Das Grundmodul der App ist im Aurelius-Hof seit Mai in Betrieb, der Fokus liegt zunächst noch auf der Nutzung durch die Mitarbeiter. Die Rückmeldungen seien mehrheitlich positiv, „die Adaptionsrate liegt bei über 90 Prozent“, sagt Mike Kaiser. Die Mitarbeiter steckten eigenes Engagement in die App, drehten zum Beispiel Informationsvideos, die dann hochgeladen und abgerufen werden können.
In der App stehen ihnen derzeit drei Kernfunktionen zur Verfügung. Da ist zum einen der Newsfeed, also ein Bereich, in dem die aktuellsten Beiträge abgerufen werden können. In der Aufmachung erinnert er stark an Facebook. Vielen App-Nutzern bietet er damit ein vertrautes Bild. Mitarbeiter mit Autorenrechten füllen den Newsfeed mit Beiträgen, der Leser kann diese, wie bei Facebook, mit einem „Like“ versehen und kommentieren. Mitteilungen zu Tagesgeschehen und Änderungen erreichen die Nutzer so schneller als etwa per Aushang oder auch Mail.
Zum anderen gibt es eine Chat-Funktion, wie man sie vom Nachrichtendienst WhatsApp kennt. Zwei Unterschiede gibt es aber: Nutzer kommunizieren datenschutzkonform miteinander, und das Einrichten von Gruppenchats bleibt dem Unternehmen vorbehalten. „Der Administrator kann zum Beispiel eine Gruppe für die Azubis einrichten oder für das Personal, das für die Corona-Tests zuständig ist“, so Kaiser.
Eine dritte App-Funktion listet Kontaktdaten auf und ersetzt so den Mitarbeiter-Steckbrief an der Pinnwand. Der Mitarbeiter kann dabei selbst entscheiden, welche seiner Daten angezeigt werden.
Die App, sind sich Likwidcare und Aurelius-Hof einig, könne auch einen indirekten Beitrag leisten, das Corona-Infektionsrisiko zu senken. Ein Großteil der tagtäglichen Interaktionen von Absprachen bis zum Dokumentaustausch kann künftig kontaktlos erfolgen. Angehörige und Bewohner, die Schritt für Schritt in die Nutzung eingebunden werden sollen, könnten die wegen Corona eingeschränkten Besuchszeiten zudem wesentlich effektiver nutzen. (Von Franziska Jäger)